Neurodegenerative Erkrankungen werden oft erst dann diagnostiziert, wenn sie sich bereits in einem fortgeschrittenen Stadium befinden. Das Gehirn kann viele Schäden für lange Zeit kompensieren, ohne dass das im Alltag auffällt. Welche Symptome die Betroffenen im Laufe der Zeit entwickeln, hängt davon ab, wo genau die Nervenzellen absterben.
Bei der Parkinson-Erkrankung sind Nervenzellen betroffen, die den Botenstoff Dopamin produzieren und die unter anderem für die Bewegungssteuerung benötigt werden. Entsprechend wirken Patientinnen und Patienten mit Parkinson steif, oder sie zeigen auffällige Muskelbewegungen wie etwa einen Tremor. Die geistigen Funktionen dagegen sind intakt.
Anders bei der Demenz. Hier lassen die geistigen Fähigkeiten zunehmend nach, etwa das Gedächtnis und die Orientierung. Auch die Persönlichkeit verändert sich.
Ganz anders sind die Symptome bei der amyotrophischen Lateralsklerose , einer schweren Erkrankung, die im mittleren Erwachsenenalter beginnt. Hier sterben Motoneurone ab, jene Nervenzellen, die die Muskulatur unmittelbar steuern. Das führt zu schwerwiegenden Lähmungen, die lebensbedrohlich werden, wenn sie die Atemmuskulatur betreffen.
Die Huntington-Erkrankung schließlich ist eine erbliche neurodegenerative Erkrankung, die meist im vierten Lebensjahrzehnt ausbricht. In diesem Fall machen aber vor allem jene Zellen Probleme, die den Botenstoff Glutamat produzieren. Typisch dafür sind „ausladende“ Bewegungen, die an einen ekstatischen Tanz erinnern. Früher sprachen die Menschen bei dieser Erkrankung deswegen von „Veitstanz“.
Auch wenn bei den meisten neurodegenerativen Erkrankungen bekannt ist, was im Gehirn passiert, so ist heute noch weitgehend unklar, warum es passiert. Die Neurowissenschaft versucht deswegen, möglichst detailliert zu klären, welche molekularen Prozesse letztlich den Zelltod bei neurodegenerativen Erkrankungen verursachen. Klinisch ist das sehr relevant: Zum einen kann die Forschung zu den molekularen Mechanismen der Neurodegeneration zur Entdeckung neuer Biomarker führen, die eine frühe Diagnose erleichtern. Das ist die Grundvoraussetzung für präventive Behandlungen, die das Absterben der Nervenzellen künftig möglicherweise verhindern können. Zum anderen liefern die durch die neurobiologische Forschung aufgedeckten Krankheitsmechanismen auch mögliche Angriffspunkte für neue Medikamente.
Forschung im Bereich neurodegenerativer Erkrankungen bedeutet mehr als „nur“ molekulare Biomedizin. Neurodegenerative Erkrankungen sind nicht nur eine medizinische, sondern vor allem auch eine soziale Herausforderung. Wenn Demenzen oder Parkinson-Erkrankungen immer häufiger werden, dann müssen sich die ambulante Medizin und vor allem auch die ambulante Pflege darauf einstellen. Wie das am besten geschehen sollte, ist bisher nur ansatzweise klar. Hier setzen Versorgungsforschungsprojekte an, die die Situation der Patientinnen und Patienten und ihre Probleme im Alltag erfassen. Gesucht sind Lösungen, die es den Betroffenen erlauben, so lange wie möglich in ihrem sozialen Umfeld zu verbleiben. Neurodegenerative Erkrankungen sind keine Frage der Akutversorgung, sondern eine Herausforderung für die langfristige Betreuung.
Das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) ist ein Zentrum der Exzellenz , das herausragende Forschung an acht Standorten in Deutschland bündelt. Es gehört zu den sechs von der Bundesregierung neu eingerichteten Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Mit besonderem Augenmerk auf die Rekrutierung von internationalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern soll das DZNE eine der weltweit führenden Forschungseinrichtungen auf dem Gebiet der neurodegenerativen Erkrankungen werden.