Bei der Vielzahl an Medikamenten, die heute zur Behandlung des Bluthochdrucks, der Hypertonie, zur Verfügung stehen, sollte man meinen, dass es recht einfach ist, jeden Patienten mit dem entsprechenden Mittel zu versorgen. Doch dem ist nicht so. Und erstaunt stellt man fest, dass nicht nur das Alter der Patienten und eventuell vorliegende Begleiterkrankungen eine Rolle spielen, sondern sogar das Geschlecht. Eine Analyse der schwedischen University of Gothenburg untersuchte 40.825 Patienten, die aufgrund ihres Hochdrucks in Behandlung waren und stellte fest, dass Frauen öfter als Männern ein Diuretikum verschrieben wurde, während Männern üblicherweise mit ACE-Hemmern behandelt wurden.
Entsprechend den Richtlinien der European Society of Hypertension und der European Society of Cardiology Guidelines, ist oberstes Ziel einer Hypertoniebehandlung die Reduktion des kardiovaskuläres Risikos sowie der renalen Morbidität. Generell gilt, dass der Blutdruck auf < 140/90 mm Hg gesenkt werden soll, bei Hochrisikopatienten, also Patienten mit begleitender Niereninsuffizienz und/oder Diabetes Mellitus sogar auf < 130/ 80 mm Hg, besser noch auf 125/75 mm Hg. Um dieses Ziel zu erreichen sollten bei leicht erhöhten Blutdruckwerten und geringem kardiovaskulären Risiko Einzelpräparate verabreicht werden. Bei sehr hohen Blutdruckwerten und erhöhtem oder stark erhöhtem kardiovaskulären Risiko ist es sinnvoll, mit einer Kombination aus zwei oder auch drei verschiedenen Mitteln zu behandeln.
Die Ursachen für die Entstehung der Hypertonie sind mittlerweile recht gut untersucht. Und dennoch stoßen Forscher immer wieder auf neue Erkenntnisse, die helfen, Zusammenhänge besser zu verstehen und damit neue Behandlungsmethoden zu entwickeln. Einmal Bluthochdruck – immer Medikamente, dieser Satz könnte vielleicht irgendwann der Vergangenheit angehören.
Forscher der University of Cambridge und das Addenbrook’s Hospital und der Studienleitung von Morris Brown, haben festgestellt, dass Wucherungen, also kleinere oder größere Tumore in den Nebennieren, nicht nur zu verschiedensten Erkrankungen führen, sondern auch den Blutdruck erhöhen können. Aldosteron, ein Hormon, welches von den Nebennieren freigesetzt wird, reguliert die Salzspeicherung im Körper. Tumoren fördern die Freisetzung des Aldosteron, wodurch vermehrt Salz gespeichert wird und der Blutdruck kontinuierlich steigt. Eine Entfernung nicht allein der großen Tumore sondern auch der vielen kleinen, kann helfen, den Blutdruck zu senken. Damit könnten besonders junge Patienten vor einer lebenslangen Medikamenteneinnahme bewahrt und vor schwerwiegenden Folgen, wie Herzinfarkt oder Schlaganfall geschützt werden. Entsprechende Untersuchungen der Nebennieren sollten daher nicht allein bei älteren Patienten, bei denen Tumoren vermutet werden, durchgeführt werden, sondern auch bei den 30-jährigen. „Wenn wir das nicht tun, verpassen wir eine große Chance“ so Morris Brown.
Auch auf molekularer Ebene tut sich einiges. Mitarbeiter unter der Projektleitung von Giuseppe Lembo des italienischen IRCSS (nationales Institut für Krebsforschung) haben einen bisher unbekannten Zellmechanismus bei der Entstehung von Bluthochdruck entdeckt. Es geht um das Protein PlGF (Placental Growth Factor, plazentaler Wachstumsfaktor), welches erstmals in der menschlichen Placenta gefunden wurde – daher auch der Name plazentaler Wachstumsfaktor - und zur Familie der Wachstumsfaktoren für Gefäßneubildung gehört. Von PlGF war bekannt, dass es an verschiedenen pathologischen Prozessen, wie das Wachstum von Blutgefäßen im Inneren eines Tumors oder an der Entstehung von Bluthochdruck während der Schwangerschaft beteiligt ist. Was lag näher, als den Einfluss von PlGF auf die Entstehung des „normalen“ Hochdrucks zu untersuchen? Der Test an genetisch veränderten Labormäusen zeigte, dass Tiere, die kein PlGF mehr aufwiesen, nach der Gabe von Angiotensin II, einem Peptidhormon, welches den Blutdruck erhöht, keinerlei Anstieg der Blutdruckwerte aufwiesen.
Auch beim Zusammenspiel von Immunsystem und Bluthochdruck spielt PlGF eine nicht unwesentliche Rolle. PlGF reaktiviert T-Lymphozyten in der Milz und ist an ihrer Wanderung zu den vom Hochdruck geschädigten Organen beteiligt.
Sicherlich sind diese Forschungsergebnisse von unschlagbarer Bedeutung. Aber es bedarf noch viel Arbeit, um die Rolle von PlGF an der Entstehung von Bluthochdruck genau zu entschlüsseln und Gegenmaßnahmen zu finden.
Viele der Hochdruckpatienten werden zusätzlich, oft über sehr lange Zeit, mit blutverdünnenden Mitteln (Antikoagulantien) behandelt, um Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlafanfall zu vermeiden. Mit diesen Mitteln wird die Gerinnselbildung (Thrombus) in den durch Hypertonie geschädigten Gefäßen vorgebeugt. Lange Zeit standen für die Langzeit-Antikoagulation nur Vitamin K-Antagonisten (VKA) wie Marcumar zur Verfügung, die mit anderen Medikamenten und auch Nahrungsmitteln zum Teil Wechselwirkungen eingehen konnten, und eine Behandlung oft kompliziert gestalteten.
VKA erfordern eine präzise Einstellung der individuellen Dosierung, was eine regelmäßige Messung der Blutgerinnung erfordert. Bei zu niedriger Dosierung verlieren sie ihre Wirkung. Wird zu viel eingenommen, steigt das Risiko von Blutungen, auch im Gehirn und in anderen inneren Organen.
Mit der Entwicklung von neuen oralen Antikoagulantien (NOAK’s) , wie Dabigatran (Pradaxa©, Boehringer Ingelheim), Apixaban (Eliquis©, Bristol-Myers-Squibb/Pfizer), Rivaroxaban (Xarelto©, Bayer AG) und Edoxaban (Lixiana©, Daiichi Sankyo), alle direkte Faktor-Xa-Hemmer , wurde die Behandlung wesentlich einfacher und sicherer. Alle Substanzen können zur Antikoagulation bei thrombembolischen Ereignissen und zur Prophylaxe von Herzinfarkten oder Schlaganfällen eingesetzt werden. Ihr größter Vorteil gegenüber den alten Gerinnungshemmern ist, dass sie in einer individuell konstanten Dosierung verabreicht werden können.
Dosisanpassungen, wie das bei Marcumar der Fall ist und das regelmäßige Überwachen des Gerinnungsgrades sind nicht erforderlich. Auch haben sie weniger Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und Lebensmitteln. Ihre Wirkdauer ist kürzer - muss ein NOAK im Notfall, z.B. wegen einer schweren Blutung abgesetzt, werden, ist die Wirkung innerhalb von 24 Stunden abgeklungen.
Die maßgeblichen nationalen und internationalen Fachgesellschaften haben zu den Vorteilen der NOAK‘s eine klare Meinung: “Die Ergebnisse der jeweiligen Zulassungsstudien belegen die Wirksamkeit und bessere Sicherheit dieser Substanzen”, so die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie.