Schon länger ist bekannt, dass zeitweiliges Fasten sich bei verschiedenen Krankheiten positiv auswirken kann. Ob Rheuma, Bluthochdruck, Migräne oder Allergien – der zeitlich begrenzte Nahrungsverzicht, meist verbunden mit einer anschließenden Nahrungsumstellung, habe schon vielen Patienten geholfen, so Francoise Wilhelmi de Toledo. Die Medizinerin leitet zusammen mit ihrem Mann die Fastenklinik Buchinger am Bodensee Doch nun kommt eine Nachricht aus Amerika, die das Fasten in einen Zusammenhang mit der Krebstherapie stellt: Der Biologe und Altersforscher Valter Longo, Professor an der University of Southern California in Los Angeles konnte durch vorgeschaltetes Fasten die Wirkung der Chemotherapie bei krebskranken Mäusen verbessern. Seine Forschungsergebnisse wurden im Februar 2012 in der Fachzeitschrift „Science Translational Medicine“ veröffentlicht.
Als eines seiner Versuchsobjekte wählte Longo schon vor Jahren einen ganz normalen Hefestamm, der auf der Außenhaut kalifornischer Weintrauben gefunden wurde. Die Hefezellen lassen sich unter Laborbedingungen gut handhaben und sind an einen Wechsel von guten zu schlechten Nahrungsbedingungen gewöhnt. Valter Longo und sein Team fanden heraus, dass die Hefezellen, die in einer wässrigen Lösung ohne Nährstoffe schwammen, den Angriff von so genanntem oxidativen Stress besser überstanden als ihre Verwandten, die in einer Zuckerlösung lebten. Unter oxidativem Stress versteht man zum Beispiel freie Radikale oder andere chemische Mittel, die die DNA schädigen und schließlich zum Zelltod führen können. Bei weiteren Versuchen ersetzte er die normalen Hefezellen durch solche mit Krebsgenen und kam zu anderen Ergebnissen: Derartige Krebs-Hefezellen waren unter Fastenbedingungen gegenüber schädlichen Substanzen empfindlicher als die gut ernährten Krebszellen. „Fasten scheint nur gesunde Zellen zu schützen“, fasst Longo seine Beobachtungen zusammen.
In der Folge weiteten die kalifornischen Forscher ihre Untersuchungen auf Mäuse aus. Sie spritzten Brustkrebszellen in Mäuse und verabreichten ihnen anschließend das Chemotherapeutikum Doxorubicin. Ein Teil der Mäuse wurde normal gefüttert, der andere Teil fastete zwei Tage lang vor Beginn der Chemotherapie. Das Ergebnis: Bei den fastenden Mäusen wirkte die Behandlung besser als bei der Vergleichsgruppe. Hinzu kommt, dass sie offensichtlich weniger unter den Nebenwirkungen zu leiden hatten. Auch bei anderen Krebsarten konnten Valter Longo und sein Team eine erhöhte Effektivität der Chemotherapie nach kurzzeitigem Fasten feststellen. Tiere mit einem Neuroblastom überlebten mit der kombinierten Behandlung Fasten und Chemotherapie wesentlich länger als es Chemotherapie allein oder auch Fasten allein bewirkten. Sogar in Fällen, in denen sich bereits Metastasen gebildet hatten, half die Kombitherapie. „Die Krebszelle ist nicht gewöhnt zu fasten“, kommentiert Longo die Resultate der Versuchsreihen. Während gesunde Zellen beim Fasten in eine Art Ruhezustand fielen, könnten Krebszellen diesen Anpassungsschritt nicht mitgehen. Sie hätten die Fähigkeit verloren, sich in einer veränderten Umgebung rasch anzupassen. Unter Fastenbedingungen kurbelten sie ihren Stoffwechsel erst recht an, wodurch Fehler beim Ablesen der Erbinformationen entstünden. Käme dann noch die Chemotherapie hinzu, würde das den Tod der Krebszelle bedeuten, so die amerikanischen Forscher in ihrer Veröffentlichung. Die Chemotherapie richte deshalb bei den sich ungehemmt teilenden Krebszellen mehr Schaden an als bei den gesunden Zellen im Fastenzustand. Dieses Ergebnis hatten schon die ersten Hefezellversuche gezeigt. Valter Longo: „Krebszellen können nur unter für sie optimalen Bedingungen überleben. Fasten ist ein Albtraum für die Krebszelle.“
In Amerika laufen derzeit Studien mit krebskranken Patienten, bei denen die Kombination aus Fasten und Chemotherapie näher untersucht werden soll. Zwei bis drei Tage vor der Gabe des Chemotherapeutikums und einen Tag danach verzichten die Patienten auf Nahrung. Aus früheren Studien ist bereits bekannt, dass dabei die Nebenwirkungen der aggressiven Krebsmedikamente häufig weniger stark auftreten. Es wird jedoch noch mindestens zwei weitere Jahre dauern, bevor konkrete Aussagen über die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen gemacht werden können. Valter Longo ist optimistisch, er erwartet ähnliche Effekte wie bei seinen Mäusen. Allerdings empfiehlt er Krebspatienten dringend, nicht auf eigene Faust zu handeln. „Sprechen Sie mit Ihrem Onkologen“, sagt er. „Er kennt die Forschungsergebnisse und wird Sie beraten.“ Auch die Fastenexpertin Francoise Wilhelmi de Toledo rät zu äußerster Vorsicht: „Wir wollen keine Krebspatienten anlocken. Bis jetzt gilt eine Krebserkrankung als Kontraindikation beim Fasten.“ Aber nun könne man auch einmal in die andere Richtung denken.