Diese Frage wurde auf einer Pressekonferenz der Firma GlaxoSmithKline heftig diskutiert. Moderne Arzneimittel werden in Deutschland zunehmend für die Finanzkrise der gesetzlichen Krankenversicherung verantwortlich gemacht.
Obwohl die patentgeschützten Arzneimittel nur 3,6% der Gesamtkosten des deutschen Gesundheitsmarktes ausmachen, wird immer wieder mit dem Finger auf diese teuren Präparate gezeigt.
Nun, gäbe es keine innovativen Produkte, die Leitlinien in den Behandlungen setzen, so gäbe es auch keine Generika. Bei den Generika handelt es sich um so genannte Nachahmerprodukte , die auf dem Markt kommen dürfen, sobald der Patentschutz für das Originalprodukt
Was ist nun aber ein innovatives Produkt? Handelt es sich da um eine neue Substanz , eine chemische Variante , eine andere Darreichungsform oder wird für das gleiche Produkt plötzlich ein Zusatznutzen in Form einer neuer Therapiemöglichkeit entdeckt und zur Zulassung beantragt?
Die Beurteilung fällt laut Herrn Dr. Jürgen Bausch, Ehrenvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen leider schwer. “Es gibt”, laut Dr. Bausch, “nämlich keine verbindlich von allen akzeptierte Definition dessen, was man als Innovation bezeichnen könnte. Weder wird die Definition der Fachleute Fricke und Klaus allgemein akzeptiert , noch hilft eine Definition des VFA (Verband forschender Arzneimittelhersteller) weiter. Aber selbst, wenn man den Begriff NCE (new chemical entitis = neue chemische Substanzen) heranzieht und nur für diese den Innovationsbegriff verwenden möchte, bekommt man Probleme, weil eine neue chemische Erfindung sehr wohl innovativ sein kann , aber ob sie auch einen therapeutischen Nutzen für die Menschen hat , darf nachgefragt werden und muss sich erst in der Breitenanwendung bewähren”.
Wird ein Präparat in Deutschland neu zugelassen, dann existieren viele Studien , welche die Wirksamkeit, die Dosierung und natürlich auch die zu erwartenden Nebenwirkungen belegen. Aber, jeder Mensch ist ein Individuum, und ob die in den Studien erfassten Vorteile sich auch über längere Zeiträume und auf alle Menschen übertragen lassen, zeigt erst die Anwendung an einer größeren Zielgruppe und benötigt auch mehrere Jahre der Erfahrung mit dem Produkt.
Zählt ein “Analogpräparat” , dessen einziger Nachteil ist, nicht als erster auf den Markt gekommen zu sein, nicht auch zu den innovativen Produkten? Könnte hier der Spruch. “Die Ersten werden die Letzten und die Letzten werden die Ersten sein” zutreffen?
” Gerade diese Produkte”, so Herr Professor Bertram Häussler, Direktor des Institutes für Gesundheits- und Sozialforschung in Berlin, “tragen ganz erheblich zu einem Preis- und Präparatwettbewerb bei. Anstatt sie zu verteufeln , sollten die Krankenkassen ihren Einsatz fördern , da durch sie erhebliche Einsparpotenziale für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) erzielt werden könnten”.
Auch die Analogpräparate gehören zu den modernen Arzneimitteln , meistens handelt es sich allerdings um einen Modifikation bereits vorhandener Wirkstoffe. Vor diesem Hintergrund werden sie als “Analog-Wirkstoffe” oder “Me-Too`s” bezeichnet, wenn zum Ausdruck gebracht werden soll, dass sie unerwünscht sind.
Die Ablehnung der Analogprodukte resultiert daraus, dass patentgeschützte Arzneimittel verordnet werden, obwohl bereits ein oder mehrere niederpreisige generische Arzneimittel zur Verfügung stehen.
Allerdings zeigte eine Studie , durchgeführt am Institut für Gesundheits- und Sozialforschung in Berlin, dass gerade diese Mee-Too`s in der Phase vor der Verfügbarkeit der Generika einen deutlichen Preiswettbewerb auslösen. Und dieser führt zu deutlichen Einsparungen bei den Krankenkassen
Verlangt nicht unsere Zeit, neuere Erkenntnisse und fordern nicht auch neuere Krankheiten, wie z.B. SARS oder auch AIDS nach neuen, innovativen Produkten?
Innovative Produkte , so der Vorsitzende Geschäftsführer der GlaxoSmithKline GmbH, in München, Herr Dr. Thoma Werner, sind ein absolutes “Muss”. Denn, sie retten Leben , heilen Krankheiten, verbessern die Lebensqualität von Patienten und senken in den meisten Fällen sogar die Behandlungskosten für eine gegebene Krankheit.
Als Beispiel für die Senkung der Behandlungskosten wurde unter anderem die medikamentöse Therapie bei bipolaren Störungen ( Depressionen ) aufgeführt. Eine manische Depression zeichnet sich dadurch aus, dass sie in zwei Phasen verläuft. Die depressive Phase, in welcher der Patient antriebslos ist, depressive Symptome zeigt und eine manische Phase, in welcher der Patient agil und fit wirkt, oft zu umtriebig / unruhig.
Wird ein Patient nur während seiner akuten depressiven Phase behandelt und nicht in seiner manischen/aktiven Phase , die schon wieder ein Beginn der akuten depressiven Phase sein könnte, so sinken zwar die Arzneikosten , aber die Sekundärkosten , wie Krankenhausaufenthalt, ambulante Behandlung steigen.
Was heißt das nun in Zahlen?
Ein Patient ohne Phasenprophylaxe (Therapie nur in der depressiven Phase)
kostet im Jahr im Schnitt knapp 10.000 Euro.
Ein Patient mit Phasenprophylaxe (Therapie auch in der manischen Phase)
kostet im Jahr im Schnitt nur knapp 5.000 Euro.
Dies bedeutet, dass erhöhte Kosten für Medikamente unter dem Strich kostengünstigere Auswirkungen auf unser Gesundheitssystem haben als oft behauptet. In diesem Fall halbieren sich die Kosten sogar.
Trotz diesem einfachen Rechenexempel, sind neue Arzneimittel überproportional von “Einsparbemühungen” betroffen.
Schaut man sich den “Gesundheitskuchen” Deutschland an, so ist das anteilige Tortenstück der patentierten Arzneimittel nur sehr gering. Es beträgt nur 4%.
Da liegen die Aufwendungen für Krankenhauskosten (34%), Heil- und Hilfsmitteln (8%), patentfreie Arzneimittel (12%) weitaus höher.
Im Jahr 2004 ist geplant, dass die Pharmafirmen einen Zwangsrabatt von 16% entrichten müssen. Es kommen verstärkte Wirtschaftlichkeitsprüfungen , Richtgrößen, neue Zuzahlungen, Nutzenbewertungen, Arzneimittelrichtlinien, Therapieempfehlungen und vieles mehr sowohl auf die Pharmafirmen, als auch Ärzte und Versicherten zu.
Drängt sich da nicht der Gedanke auf, dass bei diesen Regularien der Patient vielleicht nicht mehr das sinnvollste Medikament erhält, und dass sich die Gefahr einer Zweiklassen-Gesellschaft immer mehr zeigt?
Professor Eberhard Wille, Vorsitzender des Sachverständigenrates für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, will die Entscheidung über den Einsatz von neuen Arzneimitteln dem Arzt überlassen. Der Grund: Er konnte deutlich darstellen, dass die Ärzte sehr differenziert verordnen. Existiert ein Generikum , dass als “Goldstandard” für die zu behandelnde Krankheit angesehen wird, so verordnet der Arzt dies. Ist das Originalprodukt jedoch nach wie vor das Mittel der Wahl so wird dieses auch bevorzugt verschrieben.
Herr Prof, Häussler konnte diese Aussage nur untermauern. “In Bezug auf die Verordnungspraxis konnte festgestellt werden, dass niedergelassene Ärzte bei gleicher Qualität von Arzneimitteln ganz überwiegend das jeweils preisgünstigere Produkt vorziehen, also ein Generikum, wenn diese verfügbar ist. Niedergelassene Ärzte verordnen den Ergebnissen einer Studie zufolge Generika jedoch nur nachrangig , wenn verfügbare patentgeschützte Arzneimittel, also Analog-Wirkstoffe zur Verfügung stehen, die eindeutig therapeutische Vorteile haben.”
Auch konnte Prof. Wille dokumentieren, dass der zusätzliche finanzielle Bedarf der Gesetzlichen Krankenversicherung für neue Medikamente, in den letzten sieben Jahren, im Schnitt zwischen 2,8% und 4,8% der jährlichen Arzneimittelausgaben lag. “Von einer Kostenexplosion oder einer innovations- bedingten Finanzierungskrise kann also keine Rede sein,” so Professor Wille. Sein Vorschlag ist, dass indikationsspezifische Richtgrößen entwickelt werden. Damit ließe sich sicherstellen, dass das zusätzliche Geld für solche Indikationsgebiete zur Verfügung steht, in denen den Patienten neue Therapien angeboten werden können.
Wird sich dieser Dschungel im nächsten Jahr lichten? Verstehen wir, die Patienten dann, was uns Disease Management-Programme oder Bonusverträge nutzen?
Herr Dr. Werner von GlaxoSmithKline betonte in dem Zusammenspiel zwischen Politik, Ärzten, Krankenkassen und Patient, noch einmal die Rolle der Pharmafirmen: “Von 284 neuen Arzneimitteln, die zwischen 1990 und 1999 in den USA eingeführt wurden, entwickelte die pharmazeutische Industrie 93% dieser Präparate und lediglich 7% davon sind durch staatlich unterstützte oder universitäre Forschung zustande gekommen.”
” Unabhängig von all diesen komplizierten und mühsamen Versuchen, den Markt zu bewerten, ein Versuch, der allerdings nie den Gesamtmarkt, sondern immer nur einzelne Marktsegmente punktuell abbildet,” fordert Herr Dr. Bausch das Ersetzen des Würfeln am Verhandlungstisch durch objektive Verfahren”.