Medikamente können so eine Sache sein. Sie sind nicht nur teuer und nicht selten auch verschreibungspflichtig. Abgesehen von diesem meist erschreckenden, abstoßenden, warnenden Packungsbeilagen– das allein ist ein schreckliches Wort, und was es an möglichen Nebenwirkungen verheißt, ist auch nicht gerade ermunternd. Es gibt, wenn auch noch in sehr begrenzten Fällen, einen Ausweg: Lebensmittel, die spezielle Zusätze enthalten. Können sie wirklich ein Medikament ersetzen?
Ein französisches Joghurt, das auch in Deutschland angeboten wird, macht in den USA Furore, aber dort sind auch Unternehmen wie PepsiCo dabei, der Pharmazie ins Handwerk zu pfuschen – was, so ausgedrückt, sicher nicht den Beifall dieser Nicht-Pharmakologen findet.
Vorreiter quasi ist der französische Joghurthersteller Danone, der unter diesem Namen auch in Deutschland operiert, in den USA aber als Dannon firmiert. Allein in Amerika will dieses Unternehmen in diesem Jahr 60 Millionen Dollar investieren, um das Joghurt als ungefährliches Abführmittel zu propagieren. Immerhin leiden 70 Millionen Amerikaner an entsprechenden Unregelmäßigkeiten. In Amerika wie auch in Deutschland gibt es dieses Spezial-Joghurt unter der Bezeichnung „Activia“. Ihm wird die Bakterie bifidus regularis beigemengt, in Deutschland auf den Packungen umschrieben als „Digestivum Essensis Kultur“. Aus rechtlichen Gründen wird nicht von „Verstopfung“ oder „Abführmittel“ gesprochen. In Deutschland vielmehr heißt es, das Joghurt könne helfen, „die Verdauung natürlich zu regulieren“, und in Amerika wird die Wirkung von „Activia“ ähnlich umschrieben.
Dabei ist Joghurt nur die Spitze eines Eisberges. Denn viele Lebensmittel, die als Medikamentenersatz dienen sollen, versuchen ihren Weg über den Atlantik nach Europa zu finden:
Pepsi hat gerade damit begonnen, einen neuen „Tropicana“-Orangensaft auf den Markt zu bringen, der mittels Vitamin- und Mineralienzusatz Herz und Immunsystem sowie bei Kindern die Knochenbildung stärken soll. „Knochenflexibilität“ verspricht auch das Produkt „Elations“, wiederum ein Getränk, ersonnen und produziert von Managern, die einst bei Procter & Gamble arbeiteten. Dass es gegen Arthritis helfen soll, darf wieder nicht direkt erwähnt werden. Es enthält auch Glucosamine, was Gelenkknorpel reparieren oder sogar neu entstehen lassen kann, wie auch Chondroitin, ein natürliches Knorpelbestandteil, das der Elastizität helfen soll. Eine Pille auf dieser Basis – aus dem Hause Solgar in Leonia/New Jersey – ist zwar teuer (150 Tabletten rund 80 Dollar), aber unter älteren Amerikanern ein Schlager. Gut für die Knochen soll auch das Getränk „7UP Plus“ von Cadbury Schweppes sein. Es ließ sich bisher nur schwer verkaufen, wird aber ab März mit einer neuen Marketingkampagne erneut propagiert. Aus Amerikas Lebensmittelbranche verlautet, dass demnächst auch Artikel angeboten werden, die bei Diabetes, hohem Cholesteringehalt des Blutes sowie hohem Blutdruck helfen sollen.
Die Mehrzahl befragter Amerikaner hat in einer Umfrage kund getan, dass sie „Naturstoffe“ den üblichen Medikamenten den Vorzug geben. „Das ist doch nur verständlich“, urteilt Faith Popcorn – sie heißt wirklich so! – von dem Marketingunternehmen BrainReserve, „wenn der Heilstoff in einem Lebensmittel enthalten ist, haben die Leute mehr Vertrauen. Es macht sie zudem glücklich, wenn sie wissen, dass etwas, was sie gern essen, auch noch der Gesundheit hilft. Medikamente dagegen machen nervös.“ 65 Prozent aller Amerikaner, hat BrainReserve ermittelt, benutzen nichtmedikamentöse Mittel, um einer – meist chronischen – Erkrankung zu begegnen.