Seit Anbeginn der Menschheit werden wir geboren, und wir sterben. Was dazwischen liegt, heißt Leben, berichtete Prof. Dr. med. Stein Husebo, Bergen/Norwegen anlässlich des Deutschen Schmerztags 2005 in Frankfurt/Main. So lag vor 100 Jahren die durchschnittliche Lebenserwartung kaum bei 50 Jahren, und fast die Hälfte der Bevölkerung starb vor dem Erreichen des 20. Lebensjahrs. Heute übersteigt die Lebenserwartung in fast allen Industrieländern 80 Jahre und die Kinder- und Jugendsterblichkeit beträgt weniger als 2%.
Eindrucksvoll in der Darstellung teilte Husebo dem Publikum weiter mit, dass es wichtig ist, mit den Sterbenden zu leben und ihnen nicht davon zu laufen. So werde immer noch in einigen Ländern Europas, am deutlichsten in Deutschland und Österreich, intensiv gegen eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe vorgegangen. Außergewöhnlich schwer tue man sich damit, so Husebo, sterbende Patienten sterben zu lassen. Vor allem dann, wenn der Patient auf Grund seines Zustandes nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen gegen weitere Therapie „um jeden Preis“ zu äußern. Dazu bemerkten auch Ärzte aus der Zuhörerschaft, dass oft beim Sterben insbesondere die Angehörigen Probleme bereiten, weil sie nicht zuhause dem Sterbenden zusehen möchten, sondern unbedingt Aktivität vom Arzt fordern. Diese sieht dann so aus, dass der Patient kurz vor seinem Tod in die Klinik eingewiesen und zwangsernährt wird. Doch schließlich verstirbt er doch – allerdings nicht zuhause, nicht in seiner vertrauten Umgebung und auch nicht in der Atmosphäre, die er sich vielleicht doch für die letzten Stunden gewünscht hat. „Viele alte demente Menschen werden in ihren letzten Tagen unter Maximaltherapie ins Krankenhaus verlegt, obwohl sie zu Hause oder im Heim mit höherer Lebensqualität hätten versorgt werden können“, führte er aus.
Schließlich berichtete er auch von einem Paar, das sein Kind an Blutkrebs verlor. Husebo hat den Eltern ehrlich gesagt, dass ihnen wirklich nicht mehr viel Zeit bleibt und dass das Kind sterben wird. Tatsächlich verfiel der Vater sofort in eine Lethargie, die Mutter brauste auf und griff Husebo an. Trotzdem nutzten beide Eltern umgehend die Zeit, um in Ruhe und mit Sorgfalt von ihrem kleinen Sonnenschein Abschied zu nehmen. Am Ende dankten sie es Husebo und haben noch Jahre nach dem Tod ihres Kindes Kontakt zu dem besonderen Mediziner.
Zum Schluss seines stark rührenden Vortrags, den manche Zuhörer und Zuhörerrinnen mit Tränen begleiteten, zeigte Husebo ein Bild eines 14-jährigen blonden, hübschen Mädchens, Solveig, seiner eigenen Tochter. Seine persönliche Tragik: Husebo kämpft täglich um das Leben und muss so vielen Angehörigen sagen, dass die Leben nicht mehr zu retten sind – und seine Tochter warf ihr Leben weg: Sie beging mit 14 Jahren Selbstmord. Wie hält man das bloß aus?
„Gerade palliativ-medizinische versorgte Patienten haben ein Recht auf eine effektive Schmerztherapie“, sagte Dr. Gerhard Müller-Schwefe in der vom Limburger Schmerzspezialisten Mundipharma unterstützen Veranstaltung. Das heißt, Patienten, die sterben werden, werden oft nicht ausreichend mit Schmerzmedikamenten sprich also Morphin versorgt. Insofern sei Deutschland noch Entwicklungsland, gegenüber anderen Ländern ist nämlich unser Morphinverbrauch noch viel zu gering.
Insofern betonte der Tagungspräsident des Deutschen Schmerztags 2005, dass man lieber sofort mit einer Behandlung mit einem starken Opioid in Tablettenform anfangen sollte. Der Schmerzexperte zeigte anhand von Studienergebnissen, dass Palladon gegenüber den Vorbehandlungen die Schmerzen um mehr als 60% senken kann und die Lebensqualität damit erheblich verbessert.
Gerade diese Steigerung der Lebensqualität beschrieb Müller-Schwefe in einem Beispiel: Ein Patient mit einem Prostatakrebs, der nur noch im Rollstuhl sitzen konnte und den ganzen Tag verschlief, stellte Müller-Schwefe in der Schmerztherapie auf Palladon um. Tatsächlich konnte der Patient bald laufen und war den ganzen Tag über sogar wach. Er genoss die letzte geschenkte Zeit. So zeigte Müller-Schwefe dem Publikum eine Fotografie eines fröhlich lächelnden alten Menschens und berichtete, dass er sich noch mit dem Patienten über einige sie verbindende Themen wunderbar unterhalten konnte.
Allerdings starb der Patient einen Tag nach der Fotoaufnahme – doch in Würde und mit einer Erinnerung an ein Leben, dass er zum Schluss noch laufend und geistig wach verbracht hatte! Wichtig ist es also, sich das Sterben bewusst zu machen und für solche aussichtslosen Fälle, den richtigen Arzt zu finden. Wichtig ist auch, dass eine korrekt durchgeführte Schmerztherapie auch Aufgabe der Angehörigen ist:
Fordern Sie diese ein und sprechen Sie mit ihrem Arzt, beziehungsweise hören Sie ihm gut zu. Denn es ist wichtig, auch zum Sterben eine Meinung zu haben.