Zum ersten Mal ist es jetzt einem Konkurrenzpräparat gelungen, den Orphan-Drug-Status eines Medikamentes aufgrund besserer Wirksamkeit zu durchbrechen. Interferon beta-1a (Rebif) von Serono zur Behandlung der Multiplen Sklerose erwies sich in einer Studie wirksamer als Interferon beta-1a (Avonex) von Biogen. Dies erklärte Dieter Jebing, Senior Vice-President, Europe Region, Serono Pharma GmbH, auf einer Pressekonferenz in München.
Der “orphan drug act” bietet Pharma- und Biotechnologie-Unternehmen in den USA seit 1983 Schutz und Erleichterungen bei der Entwicklung und Vermarktung von Medikamenten zur Behandlung seltener Erkrankungen. Insbesondere dürfen Konkurrenzpräparate über einen Zeitraum von sieben Jahren nicht vertrieben werden, wenn sie nicht ihre Überlegenheit beweisen können. Seit der Verabschiedung des “orphan drug act” sei rund 900 mal der Orphan-Drug-Status ausgesprochen und rund 220 mal eine entsprechende Zulassung erteilt worden, berichtete Dr. Hans-Joachim Obert, Direktor Medizin Deutschland und Österreich, Serono Pharma GmbH. Damit ließen sich mittlerweile 550 Krankheiten behandeln. Zu einer Aufhebung des Orphan-Drug-Status kam es bislang 27 mal wegen überlegener Verträglichkeit eines neuen Medikamentes und 53 mal wegen überlegener Handhabbarkeit. Aber noch nie zuvor wurde das alleinige Vermarktungsrecht wegen der überlegenen Wirksamkeit einer anderen Substanz aufgehoben. Dies sei jetzt zum ersten Mal geschehen aufgrund einer direkten Vergleichsstudie von Rebif und Avonex.
In der sogenannten EVIDENCE-Studie konnte gezeigt werden, dass rund 75 Prozent der Patienten, die mit Rebif behandelt wurden, während der 24-wöchigen Untersuchungszeit keinen neuen Krankheitsschub erlitten. Bei Avonex war dieser Anteil geringer und lag bei 63 Prozent. Die nun von der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA veröffentlichten Daten zeigen, dass dieser Unterschied auch in einer Nachbeobachtungsphase von weiteren 24 Wochen erhalten blieb. Von den mit Rebif behandelten Patienten blieben während der 48-wöchigen Beobachtung 62 Prozent frei von Schüben, verglichen mit 52 Prozent unter der Behandlung mit Avonex. Dieser Unterschied sei für den Patienten insofern von Bedeutung, als jeder Schub zu einem Fortschreiten der Krankheits- und Behinderungssymptomatik beitrage, so Prof. Dr. Peter Rieckmann, Leiter der Klinischen Forschungsgruppe für Multiple Sklerose und Neuroimmunologie an der Universität Würzburg: “Was einmal an Hirn- und Nervensubstanz verloren ist, kann nach dem heutigen Wissensstand nicht wiederhergestellt werden.” Demgegenüber eröffne eine frühzeitige Interferon beta-Therapie, die hoch dosiert und dreimal wöchentlich gegeben wird, die Chance, der Krankheit einen Schritt voraus zu sein.