Stellen Sie sich vor: Der Arzt entnimmt Ihnen ein paar körpereigene Zellen, überführt diese auf ein spezielles Wachstumsmedium und einige Zeit später steht dem Mediziner Gewebe zur Verfügung, mit dem er ihr krankes Organ ersetzen bzw. reparieren kann.
Sie glauben mir nicht? Aber es ist wahr! Sicherlich nicht ganz so einfach, wie oben dargestellt, aber unter dem Begriff Tissue Engineering (frei übersetzt: „Gewebezüchtung“) hat die Medizintechnik in den letzten Jahren revolutionäre Neuerungen auf den Markt gebracht:
Arthritis / Arthrose ist eine Volkskrankheit! In Deutschland werden jährlich unzählige künstliche Gelenke transplantiert. Eine zukunftsträchtige Lösung, ohne Angst vor Wartelisten, Abstoßungsreaktionen etc. , ist die sogenannte „Eigentransplantation“: Bei der Methode NOVOCART®Inject des Unternehmens TETEC AG aus Reutlingen werden Knorpelzellen (Chondrozyten) des Patienten entnommen und künstlich im Labor vermehrt. Nach ca. drei Wochen können die Zellen in ein Hydrogel eingebracht werden und mittels eines kleinen Eingriffs (Arthroskopie) in den Knorpelschaden injiziert werden. Die Zellen sind in der Lage, die Knorpeldefekte zu schließen und eine Regeneration einzuleiten, so dass der Patient schmerzfrei und meist dauerhaft geheilt ist. Dr. Klaus Maleck, Vorstand des Unternehmens, äußert die Hoffnung, dass in Zukunft Knorpelschäden frühzeitig gezielt therapiert werden können, so dass die Zahl von Gelenksprothesen gesenkt werden kann. Das Unternehmen arbeitet daran, diese Methode auszuweiten, um demnächst auch andere Schädigungen, z. B. Bandscheibenvorfälle, optimal kurieren zu können.
Gerade bei Verbrennungsopfern stößt man bei der Entnahme von intakter Haut zum Zweck der Eigentransplantation oft an Grenzen. Hier findet Tissue Engineering schon seit mehr als zehn Jahren statt. Haut wird synthetisch im Labor hergestellt und anschließend transplantiert. Der Vorteil der Methode SUPRATHEL® von PolyMedics Innovations GmbH liegt auf der Hand:
„Der wichtigste Erfolgsfaktor dieser Therapieform für uns ist der immense Patientennutzen“, verdeutlicht Prof. Dr. Heinrich Planck, Geschäftsführer der GmbH. „Zu wissen, dass unser Produkt die Schmerzen einer Verbrennungswunde signifikant verringert, lässt uns nach weiteren Anwendungsgebieten suchen, damit wir in Zukunft noch mehr Betroffenen zu einer besseren Lebensqualität verhelfen können.“
Trotz allen Fortschritts ist die Herstellung künstlicher Haut, da sie per Hand im Labor hergestellt werden muss, heute noch immer sehr aufwendig und teuer. Und auch die „Wachstumszeit“ von ca. drei Wochen bedeutet für Verbrennungsopfer eine lange Zeit mit großen Schmerzen.
Aber vielleicht wird sich dies demnächst ändern: Spanische Wissenschaftler der Universität Madrid haben einen 3D-Drucker entwickelt, der menschliche Haut herstellen kann. Statt Farbpatronen verwenden die Forscher „Biotinte“ aus patienteneigenen Zellen. Tierversuche mit Mäusen lieferten bislang positive Ergebnisse, so dass die Hoffnung berechtigt ist, dass Patienten mit schweren Verbrennungen künftig schneller und kostengünstiger neue Haut erhalten könnten.
Europäische Behörden überprüfen zur Zeit den medizinischen 3D-Drucker1, um später die von ihm produzierte Haut zur Transplantation zuzulassen.
Es bleibt also spannend in der Medizintechnik…
Biofabrication, 23017; doi: 10.1088/1758-5090/9/1/015006 ↩
Arthroskopie
Transplantationspatienten