Im Krankenhaus werden sie routinemäßig vor und nach Operationen verabreicht, Patienten die eine tiefe Beinvenenthrombose durchgemacht haben, erhalten sie zur Rezidivprophylaxe:
N ieder m olekulare H eparine (NMH), Substanzen, die vor über 10 Jahren durch Fraktionierung aus dem „alten“, dem u n f raktionierten H eparin (UFH) entwickelt wurden. Sind die NMH nun tatsächlich besser, sicherer als herkömmliches Heparin?
Auf dem 110. Kongress der Deutschen Internisten vom 17.-21. April 2004 in Wiesbaden stand nicht allein Neues aus Forschung, Klinik und Praxis im Vordergrund, auch altes und altbewährtes musste auf den Prüfstand. So auch die Thromboseprophylaxe. Jährlich erkranken Tausende an einer tiefen Beinvenenthrombose, als Folge von bestehenden Varizen (Krampfadern), nach langer Bettlägerigkeit oder auch nach langen Reisen im Auto oder Flugzeug. Bei bis zu 50% der Patienten, die sich einer Operation, geplant oder notfallmäßig unterziehen müssen, kann es zu einer Thrombembolie (Thrombose der tiefen Beinvenen mit daraus entstehender Lungenembolie) kommen. Selbst bei Patienten, die sich nur einem kleinen Eingriff unterziehen müssen und sonst keinerlei Risikofaktoren aufweisen kann es zu einer Thrombose kommen, z.B. durch einen vorausgegangenen oder bestehenden, an und für sich harmlosen Infekt. Bei Patienten mit Erkrankungen des Herzens, wie Vorhofflimmern, kann ein Thrombus, der sich aus den Herzkammern löst, zum Schlaganfall führen.
Alle diese Patienten wurden mit gerinnungshemmenden Mitteln, wie dem Heparin, behandelt und das UFH galt lange Zeit als Standard. Allerdings war diese Behandlung nicht ganz unproblematisch, musste doch Heparin als Infusion verabreicht werden, womit ein stationärer Aufenthalt zwingend war. Zudem traten, bedingt durch seine gerinnungshemmende, blutverdünnende Wirkung, immer wieder schwere Blutungen auf. Mit engmaschigen Kontrollen der Blutgerinnungsparameter und regelmäßiger Anpassung der Heparindosis versuchte man, dieses Risiko zu minimieren.
Auch NMH hemmen die Blutgerinnung; die Funktion der Thrombozyten (Blutplättchen) wird dabei jedoch nur gering beeinflusst, so dass die Gefahr von Blutungen, wie unter UFH, wesentlich geringer ist. Da ihre Wirkdauer zudem länger ist als die des UFH, ist eine 1-2-malige Gabe ausreichend für eine wirkungsvolle Thromboseprophylaxe. Die Verabreichung erfolgt subkutan, als Spritze unter die Haut.
Im Laufe der Jahre durchgeführte Studien und auch Metaanalysen kamen gleichermaßen zu positiven Ergebnissen und das ist bei Neuentwicklungen nicht alltäglich!
NMH können sowohl im stationären– zur Thromboseprophylaxe vor und nach chirurgischen Eingriffen – als auch im ambulanten Bereich, hier vor allem zur Rezidivprophylaxe von Thrombosen der tiefen Beinvenen,angewendet werden. Die subkutane Gabe ersetzt die intravenöse Dauerinfusion und ist damit patientenfreundlich. Außerdem ist kein Labormonitoring erforderlich und es besteht ein deutlich geringeres Risiko für Blutungen. Mittlerweile ist, soProf. Hans-Georg Breyer, Berlin, die Thromboseprophylaxe mit NMH, wie Enoxaparin (Clexane®, Fa. Aventis), ein wirksamer und risikoarmerStandard,sowohl bei Patienten mit einem individuell geringen Risiko als auch bei Hochrisikopatienten.
Noch gibt es Bereiche, in denen NMH nicht angewendet und auch kaum untersucht worden sind. Doch ist damit zu rechnen, dass NMH demnächst prophylaktisch auch bei der Reisethrombose, dem Economy Class Syndrom, zumindest bei bekannten Risikofaktoren, routinemäßig zum Einsatz kommen.