Als Angelo Tufano in Chicago die zehnte Klasse besuchte, sah er aus wie ein Junge, der noch in den Kindergarten geht – so schmächtig und kurz geraten war er, wenigstens einen Kopf kleiner als jeder seiner Klassenkameraden. Die neckten, ja beschimpften ihn, als „Zwerg“ oder auch als „Shrimp“. Seine Mutter Carmela war nicht minder verzweifelt: „Ich fürchtete, die Gesellschaft würde ihn zurückweisen, ich hatte Angst, er würde später im Beruf genauso gehänselt.“ Und Angelo selbst: “Ich weinte oft, wenn ich aus der Schule nach Hause kam.“
Das liegt jetzt zehn Jahre zurück. Angelo misst heute 1,75 Meter und ist damit rund 25 Zentimeter größer, als er ohne die neuartige Hormonbehandlung geworden wäre. So urteilen seine Ärzte.
Angelo verdankt seinen Wachstumsschub dem Wundermittel Nutropin aus dem Hause Genentech Inc. Das gibt es zwar schon seit Beginn der Neunziger Jahre, durfte aber bisher nur Kindern verschrieben werden, deren Körper viel zu wenig Wachstumshormon produziert. Das war bei Angelo der Fall.
Jetzt aber hat die zuständige US-Behörde (U.S. Food & Drug Administration) die Zulassung erweitert: Mit Nutropin dürfen nun auch Kinder behandelt werden, die zwar ausreichend Wachstumshormone produzieren, aber davon nicht profitieren. Aus unerklärlichen Gründen hört bei ihnen plötzlich das normale Wachstum auf.
Internationale Studien haben bewiesen, dass zu kleine Menschen berufliche Nachteile in Kauf nehmen müssen. Sie verdienen beispielsweise weniger als größere, bis zu minus 13 Prozent. Das hat Professor David Silverman von der University of Michigan gerade wieder ermittelt. Er studierte 17 000 Personen in Großbritannien und 12 000 in den USA.
Danach weitete sich die „Verdienstschere“ ständig – kleinere Menschen werden finanziell immer mehr benachteiligt. Im kommenden Jahr will der Ökonomieexperte dazu weitere Studien vorlegen. „Zwischen Groß und Klein sind die Einkommensunterschiede genau so groß wie zwischen Mann und Frau oder wie zwischen unterschiedlichen Rassen“, im US-Fall vorwiegendzwischen Weiß und Schwarz, unterstreicht der Professor.
In medizinischen Kreisen sind Wachtumsmedikamente keineswegs unumstritten. Die Pharmaindustrie etwa sowie Ärzte, die damit auf Erfolge zurückblicken können, argumentieren, dass entsprechende Arzneien Diskriminierungen ausschließen oder zumindest verringern können. Gegner verweisen aufbisher sehr wenige Fälle, in denen nach Verabreichung von Wachstumsmedikamenten Nebeneffekte zu verzeichnen waren. Etwa vergrößerter Druck aufs Hirn oder Leukämie, obwohl – um Medizinexpertin Arlene Weintraub von „Business Week“ zu zitieren – „der Zusammenhang mit der Einnahme solcher Mittel ziemlich unsicher ist“. Auch ethische Fragen werden in diesem Zusammenhang in den USA erörtert: Darf einem Jugendlichen, der normal gewachsen ist, ein Wachstumshormon verabfolgt werden, nur damit dieser eine Sportart wie etwa Baseball besser ausüben kann?
Neben Nutropin von Genentech gibt es einige weitere Präparate, die in den USA kurz vor der Zulassung oder Markteinführung stehen: Das Insulin-ähnliche Increlex von Tercica muss täglich injiziert werden, das trifft auch für Iplex von Insmed zu, und Novartis und Sandoz haben mit Omnitrope gemeinsam ein generisches, also preiswertes Wachstumsmittel entwickelt.