Jedes Jahr treffen sich nahezu dreißigtausend Krebsforscher im Rahmen der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology ( ASCO ) in den USA. In diesem Jahr fand die Tagung vom 2. bis zum 6. Juni in Atlanta / Georgia statt und sie hatte aktuelle Fortschritte in der Behandlung von Krebserkrankungen zum Thema.
Denn die Krebserkrankung ist zur zweithäufigsten Todesursache in den entwickelten Ländern geworden und die demographischen Veränderungen in der Bevölkerung führen zu einem Anstieg der Häufigkeit dieser Erkrankungsart. Aber, und das ist die gute Nachricht, die Zahl der Todesfälle durch Krebs ist eher rückläufig. Dies ist zum einen das Ergebnis einer verbesserten Früherkennung, aber vor allem auch das Resultat einer deutlich verbesserten medikamentösen Therapie. Man kann behaupten, dass es innehalb von fünf Jahren geradezu einen Quantensprung in der Krebsforschung gegeben hat.
Wenn man bedenkt, dass es im Jahre 1960 gerade mal fünf Krebsmedikamente im Markt gab, so sind es heute 65 und dazu kommen noch ungefähr 200 Wirkstoffe , die in klinischer Entwicklung sind. Die Forschung spricht von „zielgerichteter“ oder „intelligenter“ Therapie und bezeichnet sie als den größten Fortschritt überhaupt. Damit ist eine zielgenaue Abschaltung einzelner Rezeptoren, die die Krebszellen im Organismus stimulieren, gemeint.
Dieses schwierige Unterfangen bedeutet einen Paradigmenwechsel in der Krebstherapie.
So hat zum Beispiel die Einführung des Wirkstoffes Imitamib gezeigt, wohin der Weg gehen kann. Eine Lebensverlängerung bei fortgeschrittenen Tumoren oder gar eine Heilung von Krebs? Zur Zeit versucht die forschende Pharmaindustrie, zum Beispiel die Roche Pharma AG, durch großangelegte Studien diese zielgerichtete Therapie zu realisieren, was in Ansätzen bereits gelungen ist.
Neuentwicklungen aus dem Bereich der Molekularbiologie verhindern die Tumorzellbildung durch gezielte Therapie. Im Unterschied zur Chemotherapie, durch deren Einsatz bestehende Tumorzellen zerstört werden, will die intelligente Therapie die Bildung solcher Zellen verhindern. Es werden also die Signale zur Zellteilung der entarteten Krebszellen unterbunden. Dieser Ansatz gibt Anlass zu großen Hoffnungen, muss aber noch weiter erforscht werden. Dazu ist es notwendig, neue Therapien mit einer der bisherigen Chemotherapien zu kombinieren, um dem Patienten keine Heilungschancen vorzuenthalten.
Erste Erfolge zeigten sich beim Nierenzellkarzinom, das bisher nicht beeinflussbar war. Jetzt ist dies möglich geworden.
Auch bei Brustkrebs und Magenkarzinom wurde die Therapie „modernisiert“, was zumindest eine längere progressionsfreie Zeit und damit eine Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen bedeutet. Häufig wird auch hier eine Chemotherapie als Standard durchgeführt, danach wird die neue Therapie eingesetzt zur Verbesserung der Überlebenschance und der Lebensqualität.
Ganz wichtig für die Forschung und Weiterentwicklung dieser neuen Therapieansätze ist die Gewissheit, dass sie den bisherigen Behandlungsmethoden mindestens gleichwertig sind. Die ersten Studien beinhalten also Vergleiche mit bekannten Antikrebs-Medikamenten, um zu zeigen, dass die Patienten mit einer neuen Therapie nicht schlechter gestellt sind. Dies betrifft sowohl die Wirkungen als auch die unerwünschten Nebenwirkungen der eingesetzten Arzneimittel.
Für diese Forschungen bedarf es großer Investitionen, die natürlich immer auch mit einem hohen Risiko einhergehen. Es ist ja stets ungewiss, wie sich die neuen Substanzen bewähren und ob sie überhaupt bei zukünftigen Therapien verwendet werden können.
Das neue Konzept der zielgerichteten Therapie könnte sich, ähnlich dem Konzept der Konfektionsgrößen, auf individuelle Krebserkrankungen in bestimmter Größenordnung zuspitzen und damit vielen Patienten eine Lebensverlängerung bescheren. Auch eine Heilung bestimmter Krebsarten wird als Zukunftsmöglichkeit nicht mehr ausgeschlossen.
Durch eine angestrebte Verzahnung von Diagnose und Therapie in der Krebsforschung könnte viel gelingen. Es bleibt die Hoffnung, dass alle diese noch in den Kinderschuhen steckenden Fortschritte vermehrt zu realen Therapiemöglichkeiten und damit zu einem Sieg über eine der bösartigsten Krankheiten der Menschheit heranreifen.