Es bleibt ein Rätsel, trotz aller modernen Wissenschaft, es ist ein Phänomen: An fast jeder Krankheit sterben Männer früher als Frauen. Deshalb gibt es weltweit mehr Witwen als Witwer. Ob’s die Grippe ist oder die Lungenentzündung, ob Lungenkrebs oder Leberverfall, Diabetes oder AIDS wie auch Herzerkrankungen - Männer sterben daran früher. Die einzig bekannte statistische Ausnahme ist Alzheimer.
Am größten ist der Unterschied in Russland, wo Männer zehn Jahre früher sterben als Frauen. Immerhin noch acht Jahre Unterschied sind es in Frankreich, sieben in Japan, sechs in Deutschland. In den USA werden Männer rund 72,2 Jahre alt, Frauen 80,4 Jahre.
Jede dritte Frau etwa erkrankt im Laufe ihres Lebens an irgendeiner Form von Krebs, bei den Männern trifft das auf jeden zweiten zu. Dafür gibt es zwei Vermutungen: Männer rauchen mehr und stärker, sie sind zudem im Berufsleben „härter gefordert und herangenommen” als das weibliche Geschlecht - so jedenfalls analysiert es der amerikanische Professor Dr. Rauch, wobei er sich durchaus bewusst ist, dass er mit einer solchen Behauptung energischen Protest heraufbeschwört. Worauf er sofort kontert: „Wer arbeitet im Bergbau, in der Stahlindustrie, bei der Müllabfuhr - zumindest vorwiegend?” Verblüffend im Zusammenhang „Krebs” ist wiederum diese Statistik: Es sterben mehr Frauen an Brustkrebs als Männer an Prostatakrebs.
Die „Verletzlichkeit” der Männer, ihre „Anfälligkeit”, ihr höheres „Risiko” beginnt recht frühzeitig. Es werden zwar mehr männliche Babys gezeugt, aber deren Risiko, durch Tot-, Fehl- oder Frühgeburt das Leben einzubüßen, ist weitaus höher als bei weiblichem Nachwuchs. Auch wenn Babys heranwachsen, sind die männlichen mehr gefährdet als die weiblichen.
Hinzu kommt, dass Jungen in höherem Maße Behinderungen oder Autismus, also psychischen Beeinträchtigungen, entwickeln als Mädchen. Die „Männlichkeit” - gemeint sind Jungen und Männer - wird eher farbenblind als Mädchen und Frauen, und das trifft auch auf Beschwerden beim Hören zu. Das vermeintlich starke Geschlecht hat generell ein weniger gut entwickeltes Immunsystem, und es braucht auch in der Regel länger, um sich von einer Krankheit zu erholen. Für die USA gibt es eine im Grunde erschreckende Statistik: Obwohl dort mehr Jungen geboren werden, gibt es bereits im mittleren Lebensalter - bei denen Mitte dreißig - mehr Frauen als Männer. Und unter 100-Jährigen gibt es acht mal mehr Frauen.
„Wir könnten nicht, nein - wir sind ohne jeden Zweifel das schwächere Geschlecht”, fasst Dr. Robert Tan zusammen. Er ist Altersspezialist in Houston.
Verhaltensweisen spielen sicherlich, so meinen Wissenschaftler, bei derartigen Disparitäten keine geringe Rolle. Männer sind sowohl aggressiver als auch risikofreudiger als Frauen. Sie frönen mehr dem Alkohol und benutzen seltener Sonnenschutzmittel. Sie haben auch schwerere Verkehrsunfälle mit viel ernsthafteren Verletzungen. Männer sind in den USA dreimal mehr gefährdet, ermordet zu werden, es bringen sich viermal mehr Männer als Frauen selbst um, und als Teenager sind Jungen elf mal mehr gefährdet, zu ertrinken.
„Männer”, meint der Urologe Dr. Ken Goldberg, „sollten ihrem Körper die gleiche Pflege angedeihen lassen wie ihren Autos, aber genau das tun sie nicht”. Er hat auch ein Buch mit dem Titel „How Men Can Live as Long as Women” geschrieben (Wie Männer so lange leben können wie Frauen), und er äußert darin: „Viele Männer denken, sie sind unverwundbar. Dabei sollten sie viel häufiger einen Arzt sehen”.
Wie Recht er damit hat, beweist eine Studie der Gesundheitsorganisation Commonwealth Fund. Ein Viertel der befragten Männer hatte ein Jahr lang keinen Arzt aufgesucht, was bei Frauen nur zu acht Prozent der Fall war. Und mehr als 50 Prozent der Männer hatten sich mehr als zwölf Monate lang keinen Bluttests unterzogen.