Eberhard Schubert ist ein Multitalent. Der Privatdozent lehrt Physik und Chemie, und während er am Pult im Hörsaal steht und ohne Manuskript das Thema behandelt, schreibt er, ohne dass seine Studenten das mitbekommen, einige SMS. Danach macht er sich, ohne seinen Vortrag zu unterbrechen, einige Notizen – für später. Er telefoniert auch während des Autofahrens mit seinem Handy, wissend, dass das strafbar ist. Was er nicht wissen will: Dass diese Art des „multitasking“, wie solches Verhalten auch medizinisch genannt wird, der Gesundheit schadet.
Professor David Mayer, Wahrnehmungsexperte und Direktor des Hirnforschungszentrums der University of Michigan, hat sich in den letzten beiden Jahren intensiv mit der entsprechenden Problematik befasst. Eine Studie, die er gerade schreibt, fasst er mit dem Satz zusammen: „Wer mehrere Aufgaben gleichzeitig angeht, verlangsamt jede davon und erhöht die Gefahr, Fehler zu begehen“. Das bestätigen eine Reihe weiterer Studien von Neurowissenschaftlern, Psychologen und Managementspezialisten, die laut „New York Times“ kurz vor der Veröffentlichung stehen. Sie kommen ausnahmslos zu dem Schluss, dass krank wird, wer sich auf einmal zu viel zumutet.
Rene Marois, Neurologieprofessor an der Vanderbilt University, hat zusammen mit drei Kollegen mehrere Experimente durchgeführt. In diesem Rahmen wurden Studenten zwei Aufgaben gestellt: Sie sollten einmal eine bestimmte Taste drücken, während sie acht verschiedene Töne hörten, und sie sollten gleichzeitig einen Vokal sprechen sowie acht Zeichnungen damit in Verbindung bringen, die ihnen auf einem Bildschirm gezeigt wurden.
Das Ergebnis: Taste und Töne ließen sich ebenso vereinbaren wie Zeichnungen und Vokal, aber es gab Verzögerungen um durchschnittlich zwei Sekunden, wenn versucht wurde, beide Aufgaben gleichzeitig zu lösen.
Wie entscheidend im täglichen Leben auch nur eine Sekunde sein kann, beweisen Verkehrsunfälle zur Genüge, schon eine Sekunde Unaufmerksamkeit bei einer Geschwindigkeit von 90 km/h kann tödlich sein, weisen deutsche Polizeistatistiken nach. Auf medizinische Gefahren in diesem Zusammenhang weist Professor Marois hin:
„Das menschliche Gehirn mit seinen Aber-Milliarden Neutronen und Trillionen von Verbindungen ist ein unglaublich einmaliges Kraftwerk. Aber es hat ein gewisses Limit: Sich auf zwei Dinge gleichzeitig zu konzentrieren, führt zu Kurzschlüssen, und wer so etwas auf Dauer betreibt, lässt es zum Sicherungsdurchbrennen kommen – organische Schädigungen sind die Folge“.
Ein junges Hirn, so die allgemeine Erwartung und teilweise sogar wissenschaftliche Feststellung, ist anpassungsfähiger und leistungsstärker als ein älteres, lässt sich weniger beeinträchtigen und ablenken – aber auch das wird neuesten Studien zufolge ad absurdum geführt:
Einer Gruppe von 18- bis 21-Jährigen und einer im Alter zwischen 35 und 39 Jahren wurden die gleichen Aufgaben gestellt – zwei Dinge auf einmal zu tun. Beide Gruppen wurden dabei jeweils durch einen Telefonanruf gestört. Fazit: Beide Gruppen versagten im gleichen Maße, die Jüngeren waren lediglich dann um zehn Prozent besser, wenn die Telefonanrufe ausblieben. Martin Westwall dazu, der diese Studie an der Oxford University leitete: „Ältere Leute mögen langsamer denken, aber ihnen kommt ihre Erfahrung zugute – ihnen fällt es leichter, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren“.
Eine Ausnahme lassen die Wissenschaftler übereinstimmend zu: Leise Hintergrundmusik fördert das Schaffen.