Als Konsequenz aus dem Fall Lipobay sind Ärzte und die pharmazeutische Industrie aufgerufen, stärker dafür zu sorgen, dass Nebenwirkungen bei der medikamentösen Behandlung von Herzpatienten vermindert werden.
Statine – auch Lipobay – sind cholesterinsenkende Medikamente, die bei Fettstoffwechselstörungen verabreicht werden. Große Studien an Statinen mit den Wirkstoffen Simvastatin (4-S-Studie: Scandinavian Simvastatin Survival Study) und Pravastatin (WOS-Studie: West Of Scotland Coronary Prevention) haben gezeigt, dass die Häufigkeit von Herzinfarkt und Schlaganfall und auch die Sterblichkeit deutlich gesenkt werden können.
In einem Interview in der neuen Ausgabe der Zeitschrift der Deutschen Herzstiftung Herz heute appelliert Professor Berndt Lüderitz, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung, an Ärzte, Patienten besser zu kontrollieren, wenn sie Medikamente mit möglicherweise gefährlichen Nebenwirkungen verschreiben.
Von der Pharmaindustrie verlangt der Bonner Kardiologe eine verbesserte Information der Öffentlichkeit und mehr Langzeitbeobachtungen zur Wirkungsweise der Medikamente. Zusätzlich zu den für Laien völlig unverständlichen Beipackzetteln sollten den Patienten spezielle Informationen gegeben werden, die wichtige Nebenwirkungen klar darstellen und Handlungsanweisungen geben.
Die Firma Bayer hatte den Verkauf des cholesterinsenkenden Medikamentes Lipobay (Wirkstoff Cerivastatin) gestoppt, weil es mit 52 Todesfällen in Verbindung gebracht wurde, die auf eine Muskelkrankheit zurückzuführen sind. Viele Herzkranke hatten sich daraufhin in Sorge an die Herzstiftung gewandt und gefragt, wie sie sich nun verhalten sollten. “Das Wichtigste ist das Absetzen des Medikamentes”, sagt Berndt Lüderitz. Als Alternative rät der Kardiologe, Patienten mit Fettstoffwechselstörungen, insbesondere bei koronarer Herzkrankheit oder nach Herzinfarkt, auf die Wirkstoffe Simvastatin (Handelsname: Denan und Zocor) und Pravastatin (in: Liprevil, Mevalotin, Pravasin) überzugehen, da sie am besten untersucht sind. “Am längsten im Handel ist Lovastatin (in Mevicanor), was vorteilhaft für die Beobachtung von Langzeitwirkungen ist. Wenn gleichzeitig erhöhte Triglyzeridwerte behandelt werden müssen, steht den Betroffenen der Wirkstoff Atorvastatin (Handelsname: Sortis) zur Verfügung”, sagt Lüderitz. In jedem Fall solle man sich an den behandelnden Arzt wenden, um die weitere Behandlung zu besprechen.
Lüderitz macht die erheblichen wirtschaftlichen Interessen mit dafür verantwortlich, dass der Fall Lipobay ein so großes Interesse erregt hat. “Der Pharma-Markt ist hart umkämpft und die Firmen sind naturgemäß daran interessiert, Mitbewerber zu verdrängen.” Zudem verharmlosten viele Unternehmen bei der Werbung für das Medikament nicht selten die Gefahren, während die Vorteile zu stark herausgestellt würden. Man müsse jedoch festhalten, “dass auch bei Lipobay der Nutzen dieses von Millionen eingenommenen Medikamentes zweifellos größer war als die Risiken.”