Fatigue ist eine häufige Begleiterkrankung bei Krebspatienten. Je nach Krebserkrankung leiden bis zu 90 % der Betroffenen an diesem schwerwiegenden Erschöpfungszustand, der durch den Krebs oder die Krebstherapie verursacht wird. Aber auch nach der Krebstherapie leiden noch bis zu 40 % der Patienten an der lähmenden Müdigkeit.
Obwohl effektive Behandlungsmöglichkeiten wie zum Beispiel die Epoetin beta-Therapie zur Verfügung stehen, bleiben viele Patienten noch unbehandelt. Ein häufiger Grund: Viele Ärzte sehen den Erschöpfungszustand als Begleiterscheinung an, die der Krebspatient hinnehmen muss. Von Ärzten werden die Beschwerden des Patienten oft nicht ernst genommen, obwohl Patienten sowohl die Belastung als auch die Behandlungsbedürftigkeit von Fatigue deutlich höher einstufen als die behandelnden Ärzte. Denn der Erschöpfungszustand schränkt den Betroffenen im hohen Maße in seinem Alltag ein und selbst einfachste Tätigkeiten stellen größte Anstrengungen dar. Viele Betroffene können auch ihre Arbeit nicht mehr zu 100 % ausüben, sind dauerhaft krankgeschrieben, was wiederum häufig zu Depressionen führt und damit zusätzlich zur Belastung wird – ein Teufelskreis entsteht.
Die Hauptursache der Fatigue ist die Blutarmut (Anämie) – ein Mangel an roten Blutkörperchen. Durch die Gabe von Epoetin beta wird dieser Mangel wieder behoben – die Fatigue also erfolgreich behandelt. „Zahlreiche Studien konnten nachweisen, dass mit der Verbesserung des Hämoglobinwertes durch die Gabe von Erythropoetin auch eine Verringerung der Fatigue-Symptomatik einhergeht“, erklärt Professor Carsten Bokemeyer, Tübingen.
In einer europaweiten, offenen Studie an 262 Patienten mit soliden und lymphatischen Tumoren wurde die Wirkung der Anämie-Behandlung mit Epoetin beta auf die Fatigue und Lebensqualität getestet (Boogaerts et al., Br J Cancer 2003). Bei den Patienten, die mit Epoetin beta behandelt wurden, stieg die Lebensqualität in drei Tests signifikant an (FS-36, Fact-AN, VAS), während sich in der Kontrollgruppe über den Studienzeitraum keine Veränderung der Lebensqualität zeigte.
In einer weiteren randomisierten Studie mit 343 Patienten mit hämatologischen Malignomen konnte durch den Einsatz von Epoetin beta die Lebensqualität signifikant verbessert und das Transfusionsrisiko um 50 % deutlich reduziert werden (Österborg et al., JCO 2002). Die positive Wirkung von Erythropoetin tritt erst verzögert ein. „Daher sollte eine entsprechende Therapie am besten frühzeitig eingeleitet werden“, betont Bokemeyer.
Erythropoetin kommt nicht nur große Bedeutung in der unmittelbaren Behandlung der Fatigue zu. In letzter Zeit wird auch der Einfluss von Erythropoetin auf das Ergebnis der Tumortherapie und Überlebensrate sowie hinsichtlich eines neuroprotektiven Effektes untersucht. Viele retrospektive klinische Studien konnten z. B. zeigen, dass eine unbehandelte Anämie die Prognose der Tumorpatienten verschlechtert.
Der substantielle Nutzen von Epoetin beta macht deutlich, dass diese Therapie zum Standard bei allen anämischen Tumorpatienten werden sollte, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Um dieses zu erreichen, bedarf es noch an intensiver Aufklärungsarbeit bei Patienten und Ärzten, so das Fazit aller Referenten auf der Veranstaltung.