Deutsche Forscher haben bei der Behandlung des Ovarialkarzinoms (Eierstockkrebs) weltweit einen neuen Standard etabliert und die zur Zeit nachweislich besten Therapien hat die deutsche Krebsgesellschaft in entsprechenden Leitlinien festgelegt. Als chemotherapeutischer Standard bei fortgeschrittenem Eierstockkrebs wird die Behandlung mit dem Eibenwirkstoff Paclitaxel und Carboplatin bereits seit geraumer Zeit in spezialisierten Zentren angewendet, denn sie erzielte in zwei großen Studien bei Patientinnen mit Eierstockkrebs zum einen längere und bessere Überlebensdaten, zum anderen eine verbesserte Lebensqualität bei gleicher Wirksamkeit. Aber auch auf internationaler Ebene haben die Ergebnisse der Eierstockkrebs-Forschung “Made in Germany” nicht nur große Anerkennung, sondern vor allem auch dort Eingang in die Therapieempfehlungen gefunden.
So ist es eine erfreuliche Tatsache, dass zum Beispiel vom Erfolg der “Studiengruppe Ovarialkarzinom” in der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO), bereits deutsche Patientinnen bereits profitieren können. Umso unverständlicher ist es allerdings, dass in Deutschland laut Umfragen immer noch bei bis zu einem Drittel der Betroffenen die Behandlung nicht nach den etablierten Standards erfolgt. “ Eierstockkrebs-Patientinnen sollte heute … diese effektive Therapie nicht mehr vorenthalten werden…”(Prof. du Bois), doch “…könne aber eine wirkliche Änderung nur erreichen, wenn die Patientinnen über die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten und die optimale Behandlung aufgeklärt sind” (Prof. Dr. Pfisterer).
In Deutschland erkranken pro Jahr etwa 8.000 Frauen an einem Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs). Das Durchschnittsalter der Patientinnen beträgt bei Diagnosestellung zwischen 55 und 60 Jahre. Bösartige Tumoren der Ovarien können aber auch selten in der Kindheit und während der Adoleszenz auftreten.
Risikofaktoren sind fortgeschrittenes Alter, Kinderlosigkeit sowie bösartige Geschwüre der Brust. Fünf bis zehn Prozent der Patientinnen haben eine genetische Belastung mit einer Familienanamnese für Brust- oder Eierstockkrebs.
Zu den Faktoren, die das Erkrankungsrisiko verringern, zählen höhere Zahl der Kinder, früh einsetzende Wechseljahre, Stillen und längere Einnahme oraler Kontrazeptiva (“Pille”).
Das Ovarialkarzinom gilt als so genannter “stummer” Tumor, weil er aufgrund fehlender typischer Frühsymptome lange unbemerkt bleibt. Erschwert wird die frühzeitige Diagnose auch durch die Lage der Ovarien tief im Bauchraum. Warnzeichen einer allerdings meist schon fortgeschrittenen Erkrankung sind Anschwellen des Bauches, unbestimmte Verdauungsbeschwerden oder unbestimmter Gewichtsverlust.
Derzeit gibt es keine effektiven Methoden zur Früherkennung. Zur Diagnose werden gynäkologische Untersuchungen, transvaginale Ultraschalluntersuchungen (TVS) und andere bildgebende Verfahren genutzt.
Wird das Ovarialkarzinom in einem frühen, lokal begrenzten Stadium erkannt (Stadium I und II), liegt die Fünfjahres-Überlebensrate zwischen 60 und 90 Prozent. Eine frühzeitige Diagnose in diesem Stadium erfolgt jedoch nur in ungefähr einem Viertel der Fälle. Bei der Mehrzahl erfolgt die Diagnose erst in den fortgeschrittenen Stadien III bzw. IV. Im Stadium III beträgt die Fünfjahres-Überlebensrate inzwischen mehr als 35 Prozent, im Stadium IV liegt sie zwischen 15 und 20 Prozent.
Die zwei Eckpfeiler der Primärtherapie des fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms sind die Operation und eine sich daran anschließende Chemotherapie:
Bei der Primäroperation muss das Tumorgewebe möglichst vollständig entfernt werden. Standard ist heute die Längsschnitt-Laparotomie mit dem Ziel der vollständigen Tumorentfernung. Je weniger Tumormasse verbleibt, desto besser ist die Prognose. Auch die anschließende Chemotherapie kann bei geringerem Tumorrest besser wirken.
Die Chemotherapie verfolgt – abhängig vom Staging und der Prognose – zwei unterschiedliche Ziele: die Kuration bei der adjuvanten Therapie im Frühstadium sowie im fortgeschrittenen Stadium mit keinem oder geringem Resttumor; die Palliation bei weit fortgeschrittener Erkrankung oder großem Resttumor zur Verbesserung der Lebensqualität sowie Verlängerung des Überlebens.
Gängige Kombinationen bei der Chemotherapie waren lange Zeit Cyclophosphamid/Carboplatin und Cyclophosphamid/ Cisplatin. Mit der Einführung von Paclitaxel (Taxol) steht seit Mitte der 90er Jahre ein neuer effektiver Wirkstoff zur Verfügung. Er ist aufgrund zahlreicher Studien heute vor allem in Kombination mit Carboplatin als Goldstandard in der Primärtherapie des fortgeschrittenen Ovarialkarzinoms fest etabliert.
Bereits die Studie “GOG 111” der amerikanischen Gynecologic Oncology Group (GOG) hatte die Überlegenheit einer Paclitaxel/ Platin-Kombination im Vergleich zur bis dahin gültigen Standardtherapie (Cyclophosphamid/Cisplatin) belegt: Sie erzielte eine Steigerung der medianen Überlebenszeit um ein Jahr. Weitere Studien wie die OVAR-3 der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie Studiengruppe Ovarialkarzinom (AGO OVAR) mit 798 Patientinnen oder die GOG 158, in denen Paclitaxel/Carboplatin mit Paclitaxel/Cisplatin verglichen werden, bestätigen zum einen die hohe Wirksamkeit der Paclitaxel-haltigen Regime. Zum anderen belegen sie zusätzlich eine bessere Verträglichkeit und höhere Lebensqualität für die Paclitaxel/Carboplatin-Kombination (TC). Die aktuellen Endergebnisse der OVAR-3 Studie wurden jetzt im renommierten “Journal of the National Cancer Institute” (September 2003; Vol. 95, Nr. 17: 1320-30) publiziert.
Auf Grund der guten Ergebnisse haben die AGO OVAR und andere Studiengruppen weltweit die Kombination Paclitaxel/Carboplatin als neuen Standard für ihre Studien erklärt. Gleichzeitig wurde diese Kombination auch in den europäischen Konsensus zur Therapie des Ovarialkarzinoms aufgenommen. Dem folgte auch die Deutsche Krebsgesellschaft in ihren Therapieleitlinien: “Die Kombination von Platin und Paclitaxel ist der Kombination von Platin und Cyclophosphamid überlegen und stellt den derzeitigen Standard in der Primärtherapie dar.” (Deutsche Krebsgesellschaft: Kurzgefasste interdisziplinäre Leitlinien).
Wichtig für den Therapieerfolg ist, die heute geltenden Standards bei Operation und Chemotherapie bei möglichst allen Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom anzuwenden. Dazu hat die AGO während ihres diesjährigen “State of the Art-Meetings” noch einmal eindringlich alle deutschen Gynäkologen aufgefordert.
Trotz der Verbesserungen in der Primärtherapie erleidet die Mehrzahl der Patientinnen ein Rezidiv. Patientinnen mit mehr als sechsmonatigem Rezidiv-freiem Intervall profitieren von einer erneuten Chemotherapie mit Platin und Paclitaxel: Sie trägt zur Erhaltung bzw. Verbesserung der Lebensqualität und zur Verlängerung des Überlebens bei. Dies belegen die aktuellen Ergebnisse der ICON 4 / AGO OVAR-2.2-Studie, die auf dem ASCO 2003 präsentiert und im “Lancet” publiziert wurden (Juni 2003, Vol. 361: 2099-106). Die Zweijahres-Überlebensrate war im Paclitaxel-haltigen Arm um sieben Prozent höher als unter der alleinigen Platin-haltigen Therapie. Beim progressionsfreien Überleben betrug der Unterschied zur konventionellen Platin-Therapie nach einem Jahr sogar zehn Prozent. Die Studienleiter sprechen sich angesichts dieser Ergebnisse für Platin/Paclitaxel in der Rezidivbehandlung nach einem Therapieintervall von mindestens sechs Monaten aus. Die AGO hat auch diese Ergebnisse bereits in ihrem State of the Art Ovar-Meeting 2003 berücksichtigt und empfiehlt Platin/Paclitaxel als Therapie der Wahl beim Rezidiv des fortgeschrittenen so genannten platinsensitiven Ovarialkarzinoms (Therapie-freies Intervall > 6 Monate).