Die Nähe der engen Angehörigen, sei es die eigentliche Familie, Lebenspartner oder gute Freunde, trägt - neben der optimalen Versorgung - ganz wesentlich zur Genesung bei. Für Christel Bienstein, Leiterin des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität Witten/Herdecke, ist diese Einsicht in Deutschland noch zu wenig bekannt: “Bei uns werden Angehörige auf Intensivstationen immer noch als Störfaktor und Hygienerisiko angesehen. In Amerika zum Beispiel bleibt selbst bei Wiederbelebungen die Tür immer einen Spalt offen, damit die Angehörigen draußen sehen können was drinnen passiert.” Das so gewonnene Vertrauen der Angehörigen übertrage sich später auf den Patienten und beschleunige den Heilungsprozess. “Davon sind wir in Deutschland leider noch weit entfernt”, klagt Bienstein, “noch viel zu oft sind die Besuchszeiten knapp bemessen, weil man irrtümlich meint, Besuch stresse die Patienten. Dagegen zeigt eine aktuelle Studie der Universität Witten/Herdecke, dass man in lebensbedrohlichen Lagen die emotionale Bindung als geradezu lebensnotwendig empfindet.”
Auf Intensivstationen kümmert man sich - der Name sagt es - intensiv um den Patienten. Dabei werden dann die Angehörigen als Betroffene schon mal als weniger wichtig wahrgenommen. “Die müssen dann vor der Tür warten, sitzen auf kahlen Linoleum-Fluren und ihre Angst nimmt ständig zu.” Für Christel Bienstein ist das keine optimale Situation. Sie wünscht sich, dass Angehörige als gleichfalls Verletzte, wenn auch “nur” emotional, angesehen würden. “Da fragt niemand nach deren Ängsten oder ob sie gut nach Hause kommen und dort sich jemand um sie kümmert. Dabei wäre das eine optimale Grundlage für eine gute Genesung auch des ‘eigentlichen’ Patienten.”
Oder um es mit den Worten eines Schlaganfall-Patienten über seine Frau zu sagen:”…als ich ihre Stimme hörte, wußte ich, jetzt wird alles gut, die wird um dich kämpfen, die tritt notfalls die Tür ein.