Die Studie hat zehn Jahre gedauert, sie ist die erste ihrer Art – und liefert gleich eine geradezu sensationelle medizinische Überraschung: Geringe Dosen von Aspirin, die bei Männern Herzattacken verhindern können, helfen Frauen nicht.
An dieser Womens Health Study waren insgesamt 40 000 Frauen im Alter zwischen 45 und 65 Jahren beteiligt. 20 000 nahmen jeden zweiten Tag 100 Milligramm Aspirin zu sich, die anderen Versuchspersonen erhielten Placebos, also Scheinmedikamente. Ergebnis: Aspirin versagt bei Frauen den Dienst, den es Männern nachgewiesenermaßen erweist. „Dieser Unterschied zwischen Männern und Frauen hat uns wahrhaftig überrascht“, sagt Dr. Elizabeth Nabel vom National Heart, Lung and Blood Institute Washington, das die Studie eines Bostoner Krankenhauses (Brigham and Women
s Hospital) finanzierte.
Alle bekannten Studien mit Männern haben bewiesen, dass Aspirin-Einnahme vor Herzattacken schützt. 1989 beispielsweise nahmen Männer im Alter zwischen 40 und 84 Jahren an einer der umfangreichsten Tests überhaupt teil. Ihnen wurden jeden zweiten Tag 325 Milligramm Aspirin verabreicht. Diese Menge entspricht etwa einer herkömmlichen Tablette. Bei 44 Prozent der Versuchspersonen wurde ein reduziertes Risiko von Herzattacken registriert. Das war sogar auch der Fall bei verringerter Aspirinmenge.
Aber bei den Frauen, die an der sich über zehn Jahre erstreckenden Studie teilnahmen, führte Aspirineinnahme bei nur neun Prozent zu einer Verringerung aller „kardiovaskulären Vorkommnisse“, wie es in dem entsprechenden Report heißt, und darunter fallen Herzattacken, Schlaganfälle und Herztod. Während der zehn Jahre wurden bei den Frauen insgesamt 391 Herzattacken und 487 Schlaganfälle registriert. Auch die höhere Zahl der Schlaganfälle deutet auf einen erheblichen Unterschied zwischen Männern und Frauen hin.
Weil Aspirin zu Blutungen führen kann, wird weder gesunden Männern noch Frauen ohne diagnostizierte Herzrisiken in den USA empfohlen, Aspirin zu nehmen. Die jüngste Studie mit den Frauen, die im Detail im „New England Journal of Medicine“, Ausgabe vom 31. März, veröffentlicht wird, dürfte diese Praktik nicht ändern.
Dr. Julie Buring, federführend bei der Frauenstudie, hebt in einer Erläuterung hervor, dass das Risiko von Herzattacken bei Frauen später im Leben als bei Männern gegeben ist. Es nimmt bei Frauen nach der Menopause zu, wahrscheinlich deshalb, weil dann der Schutz durch natürliches Östrogen verloren geht.
Nur bei jenen 4 000 Frauen der Studie, die älter waren als 65 Jahre, schien Aspirin die gleiche schützende Wirkung zu haben wie bei Männern. In dieser Gruppe war das Risiko einer Herzattacke 34 Prozent geringer als bei den Placebo-Frauen.