Häufig liegt das daran, dass leichte manische Phasen nur schwer zu erkennen sind und daher oft nur eine unipolare Depression diagnostiziert wird. Diese wird aber ganz anders therapiert als die bipolare!
Besonders eindrucksvoll hat den bipolar Erkrankten oder manisch-depressiven „Mr. Jones“ Richard Gere in dem gleichnamigen Film gespielt. Zuerst ist er ein überdurchschnittlich fröhlicher Typ, der bevor er auf dem Dach balanciert und „high“ ist, plötzlich in sich zusammenfällt wie ein Trauerkloss und schließlich eingewiesen werden muss in die Psychiatrie. Doch selbst für Psychiater ist die korrekte Diagnose dieses Krankheitsbildes, das sich eben kaum wie im Film abspielt, schwierig.
Wie Prof. Dr. Allan Young, UK, auf einem Symposium der Lilly Deutschland GmbH berichtete, gibt es bei dieser Erkrankung auch eine hohe Rezidivrate. Das heißt, die Patienten erkranken erneut. So sei beispielsweise das Muster, wenn ein Patient fünf Rezidive erleide, sich die Zeit von Rezidiv zu Rezidiv zunehmend verkürze. Um solche erneuten Krankheitsschübe zu vermeiden, sei beispielsweise für den Kranken eine intakte Familie sehr hilfreich, auch dass er berufstätig ist. Das gelte auch als besonders guter Prognosefaktor für Heranwachsende mit bipolaren Störungen. Young lobte ebenfalls die Psychoedukation (mehrere Therapiegespräche zur Selbsthilfe), die nicht nur zunehmend mehr evidenzbasiert (von Wissenschaftlern anerkannt) sei, sondern die man unbedingt allen Patienten zu gute kommen lassen sollte. Außerdem nähmen das die Patienten auch an.
Das verhalte sich jedoch bei der Compliance ganz anders, die meist schlecht sei. Das heißt, dass die Medikamente von den Patienten gar nicht eingenommen werden. Dr. John Cookson, UK,_verwies darauf, dass die Patienten zudem nicht glauben, dass sie krank sind. Die bipolare Depression, so _Cookson weiter, beginne meist schon vor dem 20. Lebensjahr und zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr ereigneten sich die meisten der Rezidive. Die schlimmste Botschaft: Die Hälfte der Lebenszeit fühlten sich die Patienten nicht wohl.
Zur Behandlung von bipolaren Depressionen wird in den USA Lithium nicht mehr eingesetzt, sondern von Valproat ersetzt. Dort gehe man auch sehr viel aggressiver bei der Behandlung vor, weil die Patienten nicht zu lang in den Krankenhäusern verweilen dürfen.
Europa allerdings nutze insbesondere Lithium. Dabei zeigt sich Lithium nach Studien besser wirksam als Plazebo (Scheinmedikament) zur Behandlung von akuten Manien oder auch zur Prophylaxe einer bipolaren Störung. Wird es jedoch zu schnell abgesetzt – man sollte dies nämlich mindestens über vier Wochen tun – steigt die Selbstmordgefahr! Wichtig ist auch, zu wissen, dass Lithium erst nach drei Wochen - statistisch gesehen - anfängt zu wirken. Nur 8% der Patienten jedoch nehmen Lithium ordnungsgemäß ein. Außerdem, erläuterte Young, wisse man tatsächlich bis heute nicht, wie Lithium wirkt. Denn es gibt keine Forschungsgelder, die dafür ausgegeben werden!
Man weiß allerdings, dass Lithium wohl auf die Verschaltungen im Hirn eine Wirkung hat. Das heißt, die Autoren sprechen davon, dass die Zellen mit Lithium „intakter“ werden.
Was aber heißt das in Bezug auf die Erkrankung, sind also die Zellen lose? Ja, bei der bipolaren Erkrankung liegt eine neuropathische Störung vor und diese geht sogar mit einer Schrumpfung des Hirns einher. Denn 20% der Patienten weisen Störungen der weißen Substanz auf, haben ein reduziertes Gliavolumen und weniger Neurone im Hippocampus.
Im Durchschnitt empfiehlt Young vier Medikamente als Behandlungsregime, bei mehr werde die Compliance zu schlecht. Zudem riet er den Ärzten, bereit zu sein, wenn der Patient aus der Depression allein herauskommt: Denn vielleicht sei nun das natürliche Ende der Depression erreicht. Und dann müsse auch der Arzt bereit sein, Medikamente abzusetzen.
Als Ergebnis der EMBLEM-Studie, berichtete Dr. Jörg Czekalla, Bad Homburg, an der vierzehn europäische Länder teilgenommen haben, sah man, dass die bipolar Erkrankten erst viel zu spät behandelt werden: Sie sind im Schnitt 30,9 Jahre alt. Vor allem gab es dort manische Episoden, depressive eher wenig. Die meisten Patienten bekamen zu viele Medikamente und der Alkoholmissbrauch war sehr verbreitet.
So treten auch die Maniker in Ambulanzen selten auf, erzählte Prof. Dr. Max Schmauß, Augsburg. „Sie bringen eher ihren Anwalt mit“, sagte er. Dabei ist die Verweildauer in Kliniken von 1994 mit 60 und 80 Tagen im Vergleich zu 2005 mit nur noch 45 Tagen (Durchschnittsverweildauer) deutlich reduziert. Von den 4.427 Patienten in einem Jahr, die Schmauß in etwa in seiner Klinik sieht, kommt die Hälfte über die Notaufnahme. „Dabei kommen Depressive eher mit Überweisung“, erläuterte er weiter. Die eine Hälfte der bipolar Erkrankten kommt nur einmal, die andere Hälfte mehrmals. Dabei kritisierte Schmauß das zu zögerliche Überweisungsverhalten der Hausärzte: Diese trauten sich nämlich kaum, ihre Patienten in die Psychiatrie zu schicken.
Bei Patienten mit bipolaren Störungen eignet sich das atypische Neuroleptikum Olanzapin (Zyprexa) nicht nur bei akut manischen Episoden, sondern es ist auch ein effektives Phasen-Prophylaktikum. Für die Behandler steht bei einer Therapie von bipolar Erkrankten vor allem die Beruhigung einer akut manischen Phase im Vordergrund, für die Patienten ist dagegen vor allem eine antidepressive Therapie wichtig. Olanzapin (Zyprexa) beruhigt nicht nur schnell, sondern schützt auch vor einem Wechsel in eine depressive Phase.
Für eine langfristige Stabilisierung ist meist eine Kombinationstherapie erforderlich. In einer Langzeitbeobachtung über 1,5 Jahre dauerte es unter der Kombination von Olanzapin mit Lithium oder Valproat signifikant länger bis zum Wiederauftreten einer manischen oder depressiven Episode als mit Lithium oder Valproat allein.
Dabei gibt es auch keine Probleme bei der Kombination von Olanzapin mit anderen Stimmungsmodulatoren. Bei etwa der Hälfte der Patienten sei, wie auch bei einigen anderen Antipsychotika, mit Gewichtszunahmen um bis zu fünf Kilogramm zu rechnen. Daher werden Gewichtskontrollen empfohlen, um gegebenenfalls verhaltenstherapeutisch einzugreifen.