Hyperaktive Kinder, die nachweislich unter dem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS) leiden, sollten so früh wie möglich durch Fachleute untersucht und medizinisch behandelt werden. “Man tut den betroffenen Kindern keinen Gefallen, wenn man ihnen diese Hilfe vorenthält”, sagte Professor Michael Schulte-Markwort, Kinder- und Jugendpsychiater an der Hamburger Universitätsklinik Eppendorf, der Zeitschrift “vital”. “Leider kommen die Kinder meist erst in Behandlung, wenn sie schon durch alle Raster gefallen sind und in eine Schule für Lernbehinderte sollen”, kritisiert der Fachmann. Das sei dramatisch, denn diese Kinder seien normal intelligent. Oft hätten sie durch das Zögern der Eltern schon Störungen im Sozialverhalten entwickelt. Das erschwere die Therapie. Der alte Satz “Das wächst sich schon aus” gelte bei ADS auf keinen Fall. Zur Behandlung sagte Schulte-Markwort, bei sicherer ADS-Diagnose durch Spezialisten wie Kinder- und Jugendpsychiater oder klinische Psychologen sei das lang erprobte Mittel “Ritalin” ein gutes Medikament. Mit “Ritalin” würden die Symptome, nicht Ursachen behandelt. “Deshalb beschränken wir die Gabe auf ein Jahr. Das Kind nimmt morgens und mittags das Medikament, nicht am Abend, nicht am Wochenende, nicht in den Ferien.” Parallel lerne es Techniken, die “Ritalin” überflüssig machen sollen. Das seien Entspannungsübungen, autosuggestive Methoden, Konzentration, manchmal sei auch eine Psychotherapie sinnvoll. “Ritalin” mache im übrigen “auf keinen Fall süchtig oder abhängig”.
ADS ist nach Angaben von Professor Martin Schmidt vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim ein genetisch bedingtes Problem des zentralen Nervensystems. Neuesten Erkenntnissen zufolge haben betroffene Kinder zum Beispiel einen Dopaminmangel. Dies ist ein Botenstoff im Gehirn, der für die Informationsverarbeitung zuständig ist. Außerdem scheine bei diesen Kindern jener Bereich ihres Großhirns, der Schaltzentrale ist, schlechter durchblutet zu sein. Dagegen gibt es nach Experten-Meinung wirksame Mittel. Die Beeinträchtigungen im Gehirn können unter anderem dazu führen, dass das Kind Schwierigkeiten hat, visuelle Wahrnehmung und Handbewegung zu koordinieren. “vital” veröffentlicht in seiner jüngsten Ausgabe Tipps, wie betroffene Eltern ihren Kindern helfen können. Sie sollten zum Beispiel für klare Tagesabläufe, feste Regeln und viel Routine sorgen. “Aufstehen, Ankleiden, Essen, Zubettgehen sind Fixpunkte, die möglichst immer zur gleichen Zeit und nach einem festen Muster ablaufen sollten”, heißt es. Auch sollten die Eltern knappe und sachliche Formulierungen verwenden und das Kind direkt ansprechen.
Der Arbeitsplatz des Kindes sollte so eingerichtet werden, dass es ungestört und ruhig arbeiten kann. “Alles wegräumen, was ablenkt, vom Comic bis zur tickenden Uhr; den Stuhl so platzieren, dass das Kind nicht zum Fenster hinaus schauen kann”, lautet der Rat. ADS-Kinder sollten schließlich öfter gelobt werden, denn sie brauchten mehr Bestätigung.