Haben Patienten jedoch schon mal einen Infarkt erlitten, können sie etwas dagegen tun, um nicht in der traurigen Statistik zu landen: Mit Hilfe des standardisierten Patientenschulungsprogramms namens KARENA könnten sie nämlich (erneut) länger gesund bleiben.
Bislang gab es das in Deutschland nicht. Daher haben 16 Reha-Experten unterschiedlicher Fachrichtungen gemeinsam mit dem Pharmaunternehmen AstraZeneca GmbH – das drittgrößte in Deutschland übrigens - über einen Zeitraum von zwei Jahren das interaktive und qualitativ hochwertige Schulungsprogramm KARENA (KArdiovaskuläres REha-NAchsorgeprogramm) entwickelt. Es orientiert sich an Leitlinien und evidenzbasierter Medizin, um das Wissen der Patienten aufzufrischen und sie weiter zu motivieren, ihr Leben langfristig zu ändern. Das Programm wird zwar nicht direkt an Patienten abgegeben, aber an Ärzte bzw. Mediziner: Diese schulen ihre Patienten über die Dauer eines Jahres. Das innovative Nachsorgeprogramm wird von der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen e.V. empfohlen. Es soll nun flächendeckend in den deutschen Kliniken unter Einbeziehung der für die Nachsorge zuständigen Hausärzte im regionalen Umfeld eingeführt werden.
Die epidemiologischen Daten sind erschreckend: Nur bei ca. 30% der Diabetikerund 25% der Hochdruckkranken sowie 50% der Patienten mit zu hohem Cholesterin liegen dieeinschlägigen Werte im jeweilig empfohlenen Zielbereich (HbA1c höchstens 6.5; Blutdruck höchstens 139/85 mmHg; LDL-Cholesterin bei Hochrisikopatienten höchstens 100 mg/dl). Außerdem sind nur 15% der Bevölkerung körperlich regelmäßig aktiv und genauso viel von den Fetten (Adipösen) können nur langfristig ihre Gewichtsreduktion halten. Die Daten sind deshalb umso schlechter nachvollziehbar, als die relevanten Risikofaktoren wie Rauchen, Fettstoffwechselstörungen (LDL erhöht, HDL erniedrigt), Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, Bewegungsmangel, Adipositas und psychosoziale Faktoren im Gegensatz z. B. zu Alter, Geschlecht oder genetischer Disposition sowohl durch Medikamente als auch durch die Kontrolle des individuellen Lebensstils prinzipiell beeinflussbar und somit vermeidbar sind. In zahlreichen Studien konnte die Wirksamkeit der Lebensstiländerung nachgewiesen werden. Hieraus ergibt sich die enorme medizinische und sozioökonomische Bedeutung einer langfristigen Ausschaltung dieser Risikofaktoren, erklärte Professor Horst Rieger, Wiehl, auf der Präsentation von KARENA in Frankfurt am Flughafen.
Tod durch Messer und Gabel - Adipositas - ist nach Ansicht der Experten die derzeit größte Herausforderung für unser Gesundheitssystem. Aber auch alle Bemühungen zur Raucherentwöhnung kommen seit Jahren nicht über eine Erfolgsquote von 15-25% im ersten Jahr nach Entwöhnung hinaus. Unser Gesundheitssystem ist zu stark auf Heilung statt auf Prävention fokussiert.
Im Gegensatz zu anderen Ländern existiert in Deutschland keine strukturierte Langzeitbetreuung von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz. Auch die Langzeitprognose von Patienten nach akutem Herzinfarkt und damit auch deren Teilhabe hängt entscheidend davon ab, inwieweit die Maßnahmen zurSekundärprävention umgesetzt werden. Immerhin reduziert die Teilnahme der Patienten nach akutem Koronarsyndrom an ambulantenHerzgruppen die Rate klinischer Ereignisse und verbessert die Rate der beruflichen Wiedereingliederung. Auch mit anderen Modellen zur langfristigen intensivierten Nachsorge konnte eine Verbesserung des klinischen Verlaufs und derTeilhabe nach akutem Koronarsyndrom nachgewiesen werden. Doch trotz dieser nachweislich positiven Effekte erhält nur die Hälfte der Infarktpatienten eine kardiologische Rehabilitation und nur 10% nehmen an einer ambulanten Herzgruppe teil.
Ziel ist es, Patienten nach Abschluss ihrer stationären kardiologischen oder angiologischen Anschlussheilbehandlung und möglichst unter Beteiligung ihrer Hausärzte für ein Jahr ambulant weiter zu schulen.