Wer über Lärm redet, meint meist fauchende Laubbläser mit 100 Dezibel aus Nachbars Garten, dröhnende Presslufthämmer, die mit 120 Dezibel den Beton aufmeißeln oder startende Flugzeug-Turbinen, die mit kreischenden 130 Dezibel die Schmerzschwelle des Gehirns strapazieren. „Doch Krach muss gar nicht so laut, so extrem werden, um der Gesundheit nachhaltig zu schaden. Schon im Bereich zwischen 45 und 75 Dezibel, also bei Straßen-, Flug- und Schienenlärm, reagiert der Körper mit Stress“, sagt Professor Dr. Thomas Münzel von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.
Tatsächlich können akustische Belastungen zum Beispiel den Blutdruck in die Höhe treiben und auf Dauer zu Bluthochdruck führen führen, einer der wichtigsten Auslöser für einen Herzinfarkt. Dafür reicht es bereits aus, wenn Flugzeuge mit weniger als 50 Dezibel Wohngebiete überfliegen. Ein Geräusch also, das nicht lauter ist, als prasselnder Regen oder ein leise schnaufender, altersschwacher Kühlschrank.
„Wir haben den Nachtfluglärm in Lärmwirkungsstudien simuliert und dabei die Gefäßfunktion von gesunden Probanden und Patienten mit einer Herzkranzgefäß-Erkrankung untersucht“, sagt Professor Münzel. Das Ergebnis: Die Gefäße funktionierten nicht mehr richtig, der Blutdruck stieg an, der Schlaf wurde deutlich unruhiger. „Wir können nachts zwar die Augen schließen, nicht aber unsere Ohren. Deshalb steigt der Blutdruck sogar im Tiefschlaf um 6 bis 7 Punkte1, wenn über uns ein Jet hinwegfliegt“, erklärt der Mainzer Kardiologe und Angiologe. Nachtfluglärm fördert demzufolge auch Depressionen und führt zu einem deutlich erhöhten Verbrauch an Herz-Kreislauf-Medikamenten. Aufgrund ihrer Schlafstörungen sind die Betroffenen auch tagsüber nervöser und weniger leistungsfähig – ein Teufelskreis.
Dass bereits ganz alltägliche Geräusche wie normaler Straßenlärm das Herz-Kreislauf-System belasten, zeigt auch eine Studie2 der Arbeitsgruppe „Environmental Risks“ des Instituts für Epidemiologie II des Helmholtz Zentrums München (HMGU). Die Epidemiologin Ute Kraus untersuchte an 110 Studienteilnehmern die Auswirkungen eines breiten Spektrums an Lärmpegeln auf die Herzratenvariabilität. Die Fähigkeit des Herzens, bei Bedarf blitzschnell mehr Blut in die Gefäße zu pumpen, unterstützte bereits in Urzeiten den bei Gefahr einsetzenden Flucht- und Kampf-Reflex des Menschen. Heute gilt eine niedrige Herzratenvariabilität als Risikofaktor für ungünstige kardiovaskuläre Ereignisse. „Die Analyseergebnisse zeigen, dass nicht nur ein Anstieg des Lärms im Bereich über 65 Dezibel eine akute Verringerung der Herzratenvariabilität zur Folge haben kann, sondern bereits ein Anstieg des Lärms im Bereich unter 65 Dezibel“, so die Wissenschaftlerin.
„Auf leisere Geräusche, die den Schlaf, ein Telefonat oder konzentrierte Arbeitsprozesse stören, reagieren wir zudem mit ausgemachtem Ärger“, beschreibt Professor Münzel den typischen Verlauf von „Lärmstress“. „Dies führt zu zusätzlichem Stress und einer vermehrten Produktion von Stress-Hormonen wie Cortisol oder Noradrenalin.“ Chronischer Stress sorgt nach den Worten des Experten dafür, dass sich vermehrt Gefahrenquellen für Herz und Kreislauf – wie etwa eine diabetische Stoffwechselstörung oder Veränderungen der Blutgerinnung – bilden.
Lärmquellen lassen sich nicht immer eliminieren. Jedoch kann man das eigene Nervenkostüm stärken, um so weniger anfällig für Stress zu sein und damit auch mit „Lärmstress“ nervlich besser umgehen zu können. Hilfreich können dabei natürliche Arzneimittel (z.B. Neurexan) sein, denn sie stabilisieren das Nervenkostüm.
Persönliche Hilfestellungen finden Betroffene zudem bei der kostenlosen Stress-Helpline 08000 – 14 28 42. Auf das Thema Stress spezialisierte Ärzte und Psychologen stehen hier an jedem Donnerstag zwischen 17 und 19 Uhr den Anrufern zur Seite.