Bisher ist die als Makula bekannte Degeneration der Retina eine folgenschwere, den Patienten schwer beeinträchtigende Augenerkrankung, deren Fortschreiten lediglich verlangsamt werden kann – bisher: Jetzt wartet Genentech mit einem Injektionsmittel auf, das zumindest nach der ersten Testphase zu größten Hoffnungen Anlass gibt. Denn Lucentis, entwickelt aus dem bekannten Genentech-Antikrebsmedikament Avastin, verhütet nicht nur eine drohende Erblindung, „bremst“ also die Degeneration der Sehkraft – nein, die angegriffene Sehkraft kann sogar wieder verbessert werden. Und das ist, so die einhellige Meinung der Fachleute, einmalig. Der Pharmakonzern Genentech wird die Zulassung des Mittels noch in diesem Jahr bei den zuständigen amerikanischen Behörden beantragen. Außerhalb der USA wird Lucentis dann von Novartis vertrieben.
Makula ist eine altersbedingte Erkrankung (AMD genannt, age-related macular degeneration), die vorwiegend bei Menschen über 60 auftritt. Die Makula ist das Zentrum der Retina, die Stelle des schärfsten Sehens der Netzhaut. Makula – genau: der Fleck – entsteht durch krankhafte Umbauprozesse und Einlagerung von Abbauprodukten am gelben Fleck (macula lutea). AMD kann das Lesen, das Erkennen von Personen oder das Fahren schwer beeinträchtigen, letztlich unmöglich machen. Es gibt die feuchte und die trockene Makula, letztere macht 90 Prozent der entsprechend Erkrankten aus. Im Brockhaus Gesundheit, Ausgabe 2004, heißt es noch: „Die Krankheit kann nicht wirksam bekämpft werden“.
Kann sie nun doch, wie die Tests an der amerikanischen Johns Hopkins University zeigten. Daran beteiligt waren 716 Personen. Sie wurden über den Zeitraum eines Jahres einmal monatlich entweder mit Lucentis oder einem Placebo direkt ins Auge injiziert. 95 Prozent der mit Lucentis Behandelten konnten danach besser sehen oder ihr Zustand hatte sich nicht weiter verschlechtert. Es gab Seh-Verbesserungen bis zu wenigstens drei Zeilen auf der herkömmlichen Buchstaben- und Zahlenskala der Augenärzte. Eine zweite Testperiode ist derzeit im Gange, sie soll im vierten Quartal beendet werden. Sie wird dann einen Prozentsatz der behandelten Patienten ergeben, bei denen sich das Sehvermögen verbessert hat.
Lucentis blockiert ein Protein, das die Produktion von Blutgefäßen fördert, bei deren Konzentration im Auge die Retina beschädigt wird. Avastin, auf dessen Grundlage Lucentis entwickelt wurde, arbeitet ähnlich – es stoppt die Blutzufuhr zu Krebstumoren.
Seit längerem bereits gibt es zwei Medikamente zur Bekämpfung der Makula-Degeneration. Aber sowohl Visudyne (Novartis und QLT) als auch Macugen (Eyetech Pharmaceuticals und Pfizer) können die fortschreitende Erkrankung nur verlangsamen, sind nicht in der Lage, die Sehkraft zu verbessern. Macugen muss alle sechs Wochen gespritzt werden. Derartige Augeninjektionen können Infektionen zur Folge haben. Das war bei dem Genentech-Test mit Lucentis nur bei einem Prozent der Versuchspersonen der Fall.
„Alle Daten deuten daraufhin“, urteilt der amerikanische Wissenschaftsjournalist Andrew Pollack, „dass Lucentis dem Macugen überlegen ist“.