Die Grippe hatte auch diesen Winter Deutschland wieder fest im Griff, wie jedes Jahr gingen Millionen von Patienten aus diesem Grunde zu ihrem Hausarzt. Und dieser verschreibt, vor allem bei vorliegenden Atemwegsinfektionen, nicht selten ein Antibiotikum — und dies, obwohl es sich in den meisten Fällen um eine sogenannte virale Infektion handelt, die auf eine antibiotische Behandlung gar nicht anspricht.
Hauptursache für diesen Antibiotikamissbrauch ist das Fehlen von spezifischen Markern für bakterielle Infektionen, die dem Arzt Auskunft darüber geben, ob ein bakterieller Infekt vorliegt. Am 21. Februar 2004 veröffentlichte nun die angesehene Medizinzeitschrift LANCET eine Studie von Dr. Mirjam Christ-Cain und Mitarbeitern, in welcher dargelegt wird, dass der neue Infektionsmarker Procalcitonin dabei hilft, die unnötige Gabe von Antibiotika bei akuten Infektionen der unteren Atemwege (wie z.B. akute Bronchitis, Asthma, Lungenentzündung) zu reduzieren.
Die interdisziplinäre „ProResp“-Studie wurde auf der Medizinischen Klinik sowie den Abteilungen Pneumologie und Endokrinologie am Universitätsspital Basel durchgeführt. Eingeschlossen wurden Patienten, die während der letzten Wintersaison mit einem Infekt der unteren Atemwege die Notfallstation aufsuchten. Während man die eine Hälfte der Patienten nach herkömmlichen klinischen und laborchemischen Kriterien behandelte, wurde die andere Hälfte aufgrund der Procalcitoninwerte behandelt. Dabei wurden Antibiotika nur verschrieben, falls die Procalcitoninwerte im Blut erhöht waren (>0,25 ug/L). Bei Patienten mit tiefen Procalcitoninwerten wurde hingegen von einer Antibiotikabehandlung abgesehen.
Denn bei einem niedrigen Procalcitoninwert kann ein bakterieller Infekt praktisch ausgeschlossen werden! Während man in der Standardgruppe in über 80% ein Antibiotikum verschrieb, geschah dies bei der Procalcitoningruppe nur bei 44 %. Bemerkenswerterweise war aber der Therapieerfolg in beiden Gruppen genau gleich - was beweist, dass die antibiotische Behandlung in den meisten Fällen in der Standardgruppe unnötig war.
Die Resultate dieser Studie hinterfragen nicht nur die gängige Lehrmeinung von Ärzten und den geltenden sogenannten „Goldstandard“ bei der Diagnosestellung von bakteriellen Atemwegsinfektionen, sondern zeigen eine neue, sichere und kosteneffiziente Möglichkeit auf, die unnötige Antibiotikagabe zu reduzieren und damit auch die gefährliche Zunahme von antibiotikaresistenten Bakterien zu bekämpfen.
Da die Studie das Potenzial hat, „…die klinische Praxis in der Medizin nachhaltig zu beeinflussen und deshalb rasch verbreitet und umgesetzt werden sollte“, veröffentlichte die renommierte Medizinpublikation „THE LANCET“ sie als sogenannte „Fast-Track“-Publikation. Bleibt nur zu hoffen, dass unsere Ärzte sie auch lesen- und - in die Tat umsetzen! Quod erat demonstrandum!