Im Rahmen des diesjährigen Wiesbadener Schilddrüsen-Symposiums erklärte Professor Rainer Hehrmann aus Stuttgart, dass“die Kenntnis von Alter, Begleiterkrankungen, Medikamenteneinnahme und physiologischen Sondersituationen wie Schwangerschaft oder Diät eine entscheidende Voraussetzung für die Interpretation von Schilddrüsenhormon-konzentrationen im Blut” ist und„ein Labor daher eine korrekte Befundung nur dann abgeben könne, wenn es über diese Informationen verfüge“. Bei einer Therapie mit Schilddrüsenhormonen wie beispielsweise Euthyrox muss auch beachtet werden, dass die Absorption des Hormons durch verschiedene Medikamente wie z.B. Cholestyramin oder Eisensulfat gehemmt werde. Daher sollten Schilddrüsenhormone nicht zusammen mit solchen Medikamenten und am besten morgens nüchtern eingenommen werden.
“Eine Reihe von Substanzen hat nicht nur Einfluss auf die Hormonkonzentration in vitro, sondern führt zu echten Änderungen der Funktionslage, die erheblichen Krankheitswert erlangen können”, führte Professor Bernhard Leisner, Hamburg, weiter aus.
Jodexzess aus verschiedenen Quellen sei nach wie vor Hauptursache von exogen bedingten Funktionsstörungen. So könnten z.B. Röntgenkontrastmittel oder Amiodaron zu einer ausgeprägten Hyperthyreose führen. Aber auch der in der Nahrungsmittelindustrie verwendete rote Farbstoff Erythrosin (E 127) gilt alsnahezu unbekannte Jodquelle. “Ein Kropf kann zu Depressionen führen, aber auch eine Depression zum Kropf” (Prof. Dr. med. Leisner). Auch das bei der Therapie von depressiven Störungen eingesetzte Lithium hemme den thyreoidalen Jodidtransport und die Freisetzung von T4 und T3.
PD Dr. Harald Rau und Dr. Rainer Görges stellten fest, dass “die Interferon-alpha-Behandlung bei chronischer Virushepatitis C und bei Tumorerkrankungen mit einem erhöhten Risiko der Induktion/Verschlechterung von Autoimmunthyreopathien assoziiert ist ”, und “zu den Medikamenten, die in mannigfaltiger Weise auf das Endokrinium einwirken, Durch eine Interferon-alpha-Behandlung seien besonders Frauen und Personen mit erhöhten TPO-Antikörpern gefährdet, so Rau.
Antikonvulsiva, erläuterte Görges, könnten Funktionsstörungen der Schilddrüse vortäuschen. Deshalb seien bei der Bewertung des tatsächlichen Schilddrüsenstatus zusätzlich zu den Schilddrüsenfunktionsparametern unbedingt auch Klinik und Schilddrüsenszintigraphie zu berücksichtigen.
“Auch nach Beseitigung der endemischen Struma durch gute Jodversorgung der Bevölkerung bleiben Schilddrüsenknoten die häufigsten endokrinen Tumore”, erklärte Professor Karl-Michael Derwahl, Berlin. Die Entwicklung der Knoten sei altersabhängigund werde durch eine genetische Disposition sowie exogene Risikofaktoren beeinflusst. Eine ausreichende Jodversorgung führe jedoch zu einer vorübergehenden Zunahme der Hyperthyreosen vom Autonomietyp. Mittel- und langfristig würden diese Hyperthyreosen aber immer seltener. Dagegen sei eine Zunahme des Morbus Basedow und Hashimoto-Thyreoiditis zu erwarten, da es bei genetischer Disposition durch eine verbesserte Jodversorgung zu einem Anstieg der Schilddrüsenautoantikörper als Ausdruck einer veränderten Autoimmunität komme.
“Eine Substitution mit 200 µg Selen pro Tag kann die Aktivität einer Autoimmunthyreoiditis signifikant reduzieren und die Lebensqualität der Patienten verbessern”, erläuterte Professor Roland Gärtner, München, abschließend in seinem Vortrag über die klinische Relevanz neuer Therapieverfahren.
Darüber hinaus sei es sinnvoll, Strumapatienten mit einem Ferritinspiegel1 < 30 µg/l neben Jod auch Eisen zu substituieren, da eine reine Jodidsubstitution wegen der verminderten TPO-Aktivität und damit eingeschränkten Schilddrüsenhormonsynthese nicht wirksam sei. Bei schwer therapierbaren Hyperthyreosen verwies Gärtner auf L-Carnitin als adjuvante Therapie, da es in Dosen von 2-4 g pro Tag die periphere Schilddrüsenhormonwirkung hemme. Die typischen Hyperthyreose-Beschwerden würden sich nach zweiwöchiger Therapie normalisieren.
Ferritin gehört zu den körpereigenen Eiweissen ↩