Die Münchnerin Petra Grube sieht jeder Blutentnahme mit äußerst gemischten Gefühlen entgegen, denn selten wird die Ader in ihrem Arm beim ersten Stich getroffen und damit „fündig“. Sie hat Zehntausende von Mitleidenden. Ihnen aber kann bald schon geholfen werden, denn Speichelanalysen werden den Bluttest überflüssig machen. Davon ist nicht nur Professor Dr. David Wong überzeugt, Forscher am Zahntechnischen Institut der Kalifornischen Staatsuniversität – auch die US-Regierung glaubt daran, dass sich Krankheiten am Speichel erkennen lassen. Sie investiert deshalb 57 Millionen Dollar in entsprechende Projekte.
Wenn dieser Professor Wong über Speichel fachsimpelt, wird er geradezu zum Fanatiker. Er doziert über den molekularen Aufbau der Spucke, über ihre Farbe, ihren Geruch und Geschmack, und mit einem Augenzwinkern erinnert er daran, dass dreimal Spucken auch Glück verheißen soll – so wird es zumindest bei griechischen Hochzeiten gehalten. Professor Wong kann aber auch im gleichen Atemzug todernst, wissenschaftlich werden:
„Wenn die Augen das Fenster zur Seele sind“, hat er der „New York Times“ gesagt, „dann ist der Speichel wie ein Blick in den gesamten Körper“. Und auf einer Konferenz in Baltimore setzte er den Speichel mit dem Blut gleich: Genaue Analysen lassen auf Krankheiten und Krankheitsherde schließen. „Dabei ist der Speicheltest doch viel angenehmer“, wird der Professor sofort wieder volkstümlich, „denn niemand wird gestochen, kein Blut muss fließen, niemand muss sich fürchten“.
Vor drei Jahren begann Wong mit seiner Speichelforschung. Inzwischen hat er nachgewiesen, dass auch das winzigste „Stück Spucke“ DNA, RNA, Proteine, Viren, Keime, fettige Säuren und eine Vielzahl an Molekülen aufweist, und die Analyse all dessen gibt Aufschluss – wie eben eine Blutprobe – über Erkrankungen oder Gefahrenquellen im Körper.
„Ich bin sowohl Molekularbiologe als auch Zahnarzt“, beschreibt Wong sich selbst, „und da ich als Letzterer dauernd mit Speichel zu tun habe, machte ich daraus ein Forschungsprojekt. Schauen Sie: Eine Blutentnahme ist unangenehm, ist invasiv, eine Ader muss angestochen werden, nicht selten mehr als einmal, oft häufig. Da können ja auch Infektionen drohen. Nicht mit Speichel – hier muss der Patient nur spucken. Speichelproben lassen sich problemlos zehnmal pro Tag entnehmen – stellen Sie sich das bei einem Bluttest vor! Speichel lässt sich einfach analysieren, so dass es möglich sein wird, Veränderungen im Körper blitzschnell, sofort zu erkennen“.
Lange schon sei bekannt, so Professor Wong, dass im Speichel vorkommt, was auch das Blut enthält – wenn auch, so eine jüngere Erkenntnis, in geringeren Mengen. Mit neuen Methoden und Geräten jedoch könnte die Speichelanalyse die des Blutes „bald ablösen“. Der Professor wieder voller Enthusiasmus:
„Binnen zwei Jahren, so mein Szenario, wird der Zahnarzt einen Tropfen Speichel in ein kleines Diagnosegerät geben und danach erst mit der Zahnbehandlung beginnen. Nach wenigen Minuten kann dem Patienten ein Ausdruck überreicht werden, und dem ist zu entnehmen, ob er Krankheiten hat oder dafür anfällig ist. In meiner Praxis kann ich bereits heute am Speicheltest erkennen, ob bei einem Patienten eine gewisse Krebsgefahr besteht – erkennbar ist auch der HIV-Virus. Der Zahnarzt wird zweifellos zum Diagnosedoktor“.