Asthma und Anstrengungsasthma Sport und körperliche Anstrengung sind für asthmakranke Patienten wegen der Gefahr des Anstrengungsasthmas mit Problemen verbunden. Anstrengungsasthma ist dadurch gekennzeichnet, daß innerhalb von acht bis zehn Minuten nach Beginn einer körperlichen Anstrengung Atemnot auftritt, die durch eine Bronchialobstruktion hervorgerufen wird. Das Anstrengungsasthma darf nicht verwechselt werden mit anderen dyspnoischen Zuständen, wie sie etwa bei untrainierten Patienten oder zur Hyperventilation neigenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen vorkommen kann.Über die Häufigkeit des Anstrengungsasthmas bei Asthmatikern gibt es zwar unterschiedliche Angaben, es liegt jedoch der Verdacht nahe, daß die unterschiedlichen Häufigkeitsangaben abhängig von der Testmethode sind, mit der das Anstrengungsasthma ermittelt wird. So decken z.B. aus der Kardiologie übernommene Belastungstests mit stufenweisen Belastungsanstieg nur einen Teil der Anstrengungsasthmatiker auf. Erst durch mindestens achtminütiges Laufen auf dem Laufbandergometer mit konstanter Geschwindigkeit bei normaler Raumtemperatur und mindestens 70% des maximalen Pulses ohne stufenweise Anpassung läßt sich bei fast allen Asthmatikern ein Anstrengungsasthma auslösen. Anstrengungsasthma (Exercise-Induced-Asthma) ist somit pathognomonisch für die Krankheit Asthma schlechthin.
Anstrengungsasthma ist eine Folge der stets vorhandenen Hyperreaktivität des Bronchialsystems. Auf dem Boden dieser Hyperreaktivität können Auslösefaktoren (Triggerfaktoren) jederzeit, auch in symptomfreien Phasen, Atemnotszustände auslösen. Neben Allergien und Infekten ist körperliche Anstrengung der wichtigste Triggerfaktor. Erhöhte Atemarbeit während körperlicher Belastung führt zu einem relativen Temperatur- und Wasserverlust an der Bronchialschleimhaut, Faktoren, die eine obstruktive Ventilationsstörung hervorrufen. Vor allem die Austrocknung während der Hyperventilation führt zu einer Osmolaritätsänderung. Dieser osmotische Stimulus kann die protektive Wirkung gleichzeitig freigesetzter Katecholamine und cyclischen AMPs überspielen.
Da sich Kinder in der Regel mehr körperlich bewegen als Erwachsene, fällt bei Ihnen Anstrengungsasthma früher auf und stellt oft das von Eltern berichtete Erstsymptom dar. Die Folgen sind Schonempfehlungen und Ausgrenzung von altersadäquater Belastung. Nach einer neueren Untersuchung sind 30% chronisch asthmakranker Kinder und Jugendlicher dauerhaft vom Schulsport befreit, eine ähnlich große Gruppe nimmt an keinerlei sportlichen Aktivitäten auch außerhalb der Schule teil. Da physische Attraktivität und Sportlichkeit zentrale Erlebensbereiche schon im Kindesalter und mehr noch im Jugendlichenalter sind, kann diese Ausgrenzung erhebliche Entwicklungsdefizite nach sich ziehen.
Weiterhin haben Untersuchungen der letzten Jahre gezeigt, daß trotz der Gefahr des Anstrengungsasthmas Sport und körperliches Training empfohlen werden muß, um das Anstrengungsasthma selbst einzugrenzen. Bei verbessertem körperlicher Trainingszustand durch regelmäßiges Ausdauertraining sinkt die Atemarbeit. Dadurch werden Asthma-auslösende Stimuli der anstengungsbedingten Hyperventilation weniger wirksam, der Bewegungsspielraum und der Aktionsradius vergrößert sich.
Ärztliche Voraussetzungen für die Empfehlung einer Sporttherapie Seit einigen Jahren werden an verschiedenen Orten der Bundesrepublik Deutschland Asthmasportgruppen für Kinder und Jugendliche durchgeführt. Engagierte Hausärzte und Pädiater hatten oft in Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen zu ihrer Gründung wesentlich beigetragen und viel ehrenamtliche Arbeit miteingebracht. Welche Fragen hat der Arzt aber zu klären, bevor er einen Patienten in eine Sportgruppen vermittelt?
Zunächst sollte vor Beginn einer Sporttherapie eine gründliche lungenfunktionelle Untersuchung mit einem geeigneten Belastungstest erfolgen, um den Grad des Anstengungsasthmas zu ermitteln. Laufbandergometrie ist dabei das geeignete Provokationsmedium, aber auch standardisierte Laufstrecken. Nicht geeignet ist die Fahrradergometrie, die zu geringe Belastungsintensitäten erzeugt.
Spirometrische Meßmethoden sollten nur zusammen mit Bestimmung der Flußvolumenkurve Anwendung finden. Besser noch ist die Zuziehung bodyplethysmographischer Messungen sowie die Blutgasanalyse. Damit sind nicht nur unkompliziertere Verläufe von Anstrengungsasthma zu ermitteln, sondern auch (seltenere) Erscheinungsformen, die mit Überblähung und mit einem Abfall des Sauerstoffpartialdruckes einhergehen.
Während eine lungenfunktionelle Basisuntersuchung mit geeigneter Belastung zunächst wenigstens einmal durchgeführt werden sollte, gehören einfachere Lungenfunktionsmessungen zum Patientenalltag. Dabei hat sich die regelmäßige Peak-flow-messung besonders bewährt. Sie ist einfach anzuwenden und doch aussagekräftig. Für den täglichen Gebrauch ist sie vergleichbar mit dem Blutdruckmeßgerät eines Hypertonikers und ist gut geeignet, das Perzeptionsproblem einer während der Sportausübung schlechter werdenden Lungenfunktion zu lösen. Durch Peak-Flow-Messungen können Trainingsprogramme optimiert werden, aber auch Einbrüche bei der stark schwankenden Symptomatik des Asthmasyndroms (etwa bei Infekten) frühzeitig erfaßt werden.
Ein dritter wesentlicher Aspekt, der vor Beginn eines sportlichen Trainings mit dem Arzt abgeklärt werden muß, ist die Frage der Prämedikation. Nach internationalen Consensus-Statements ist die Inhalationstherapie noch die Regel in der antiobstruktiven Therapie des Kindesalters. Medikamente wie DNCG oder Beta-Sympathikomimetica werden per inhalationem auf die Bronchialschleimhaut aufgebracht. Der Nachteil dieser Applikationsform ist allerdings, daß der Wirkungszeitraum begrenzt ist und die Applikation mehrfach täglich erfolgen muß. So kann ein medikamentöses Management eine viermal tägliche Inhalation eines antiobstruktiv oder protektiv wirkenden Medikamentes vorsehen. Günstig ist es dann, wenn die zeitliche Abfolge so gestaltet wird, daß eine dieser Inhalationen vor die Sportstunde zu liegen kommt . Da auch bei einer lege artis durchgeführten Sportstunde eine Atemwegsobstruktion auftreten kann, soll der Patient über die medikamentösen Hilfen umfassend informiert sein und sie vor allem dann auch bei sich haben.
Grundsätzlich können alle asthmakranken Patienten, gerade auch Kinder und Jugendliche an Sportprogrammen teilnehmen, wenn adäquate therapeutische Rahmenbedingungen einzuhalten sind. Neben der erwähnten Vordiagnostik sowie der individuell abgestimmten Prämedikation gelten folgende Empfehlungen, die auch nichtärztlichen Therapeuten oder Sportlehrern zugänglich gemacht werden sollten:
Erste Empfehlung: Aufwärmphase (“Warming up”): Aufwärmen zu Beginn der Sportstunde ist der sicherste Garant für das Ausbleiben einer Atemwegsobstruktion. Plötzlicher Belastungsbeginn (Kaltstart) führt aufgrund der Peitschenwirkung plötzlicher Belastung auf das Atemwegssystem schnell zu Obstruktion. Wie erwähnt, will man das nur im Belastungstest, um das Ausmaß des Anstrengungsasthmas zu ermitteln. Bereits bei solchen Tests wirken sich modifizierte Aufwärmphasen (Stufenweiser Belastungsanstieg) “günstig” aus, so daß der Anstrengungsasthmatiker sein Anstrengungsasthma unterlaufen kann. Gerade dieser Aspekt muß in einer ausreichend lang bemessenen (wenigstens 15 Minuten dauernden) Aufwärmphase zu Beginn der Sportstunde ausgenützt werden.
Zweite Empfehlung: Intervalltraining: Das Anstrengungsasthma kennt eine Refraktärperiode, die individuell unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Nach Ende einer definierten Belastung und nachfolgender Erholung des Patienten kann bei einer erneuten identischen Belastung der vorher gemessene Obstruktionsgrad in der Regel nicht wieder erreicht werden.
Diese reproduzierbare Refraktärperiode wird seit einiger Zeit in der Sporttherapie in Form eines Intervall-Trainings angewandt. Allerdings ist ein stures Intervall-Training (Belastung - willkürliche Pause - Belastung) wohl nicht die ideale Form, um Asthmatiker zu trainieren. Gut geht es dann, wenn die gewählte Sportart solche Pausen zwanglos ermöglicht oder wenn zumindest extensive Belastungsphasen intensive abwechseln.
Erfahrene Asthmatiker berichten von einem Durchlaufphänomen (“Running through”) vor allem bei einer individuell selbstbestimmten Ausdauermethode, ein Phänomen, das wohl einer individuell optimierten Aufwärmphase zuzurechnen ist.
Dritte Empfehlung: Auswahl geeigneter Sportarten: Schon im Lungenfunktionslabor läßt sich feststellen, daß verschiedene Belastungsarten unterschiedlich asthmogen sind. Belastungen auf dem Fahrradergometer führen nur bei schweren Asthmatikern zum Anstrengungsasthma und sind für einen Belastungstest kaum geeignet, besser geht es mit dem Laufbandergometer, das als Standardmethode gut geeignet ist, einen noch stärkeren Obstruktionsreiz erzeugen aber plötzliche und schnelle Spurts in freiem Gelände. Nicht unwesentlich sind dabei Umgebungsfaktoren, vor allem Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Schwimmen ist aus diesem Grund eine besonders günstige Sportart für Asthmatiker, vor allem im Schwimmsport können enorme Leistungen (nach entsprechender Aufwärmung!) erzielt werden.
Ebenfalls von Bedeutung sind Umgebungsfaktoren, die Allergien auslösen oder verschlimmern können. Da 80 % kindlicher Asthmatiker zumindest teilweise ein exogen-allergisches Asthma bronchiale haben, sind alle Sportarten zu meiden, die einen erhöhten Allergenkontakt mit sich bringen. Reitsportarten beispielsweise sind denkbar ungeeignet, aber auch Spiele im Freien während des frühsommerlichen maximalen Pollenfluges.
Der Sportlehrer und Sporttherapeut muß die Auswahl der Sportarten von den Hauptbeanspruchungsformen der einzelnen Bewegungsabläufe abhängig machen. Nach Hollmann (1990) unterscheidet man Koordination, Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Flexibilität. Natürlich sind immer mehrere dieser Hauptbeanspruchungsformen in einer Sportart vereint, meist aber steht eine im Vordergrund. Bei Skilanglauf z.B. wird zwar auch Koordination und Kraft gefordert, überwiegend jedoch Ausdauer.
Bei Kindern, die wegen ihres Asthmas allzusehr geschont wurden, fallen unterhalb des zehnten Lebensjahres häufig Koordinationsdefizite auf, die zuvörderst trainiert werden müssen. Ältere Kinder und Jugendliche aber auch Erwachsene profitieren vor allem von Ausdauersportarten. Andere Belastungsarten wie Krafttraining (Body-Building-Studios) oder Flexibilitätstraining sind in Rücksicht auf das Anstrengungsasthma nur von zweitrangiger Bedeutung (Abb. 2), während auf das Schnelligkeitstraining ganz verzichtet werden kann.
Vierte Empfehlung: Besondere Vorsicht bei Wettkampfsportarten: Sportstunden mit Jugendlichen können ohne einen gewissen Wettkampfcharakter nicht längerfristig durchgeführt werden. Sie benötigen den Wettkampf, sonst sinkt die Motivation und der Jugendliche verliert ganz das Interesse am Sport. Eine hohe Motivation beim Sport ist auch bis zu einem gewissen Grad asthmavermeidend: Untersuchungen haben gezeigt, daß willkürliche Hyperventilation im Vergleich zu motivationsbetonter sinnvoller Hyperventilation bei körperlicher Anstrengung höhere Obstruktionsreize setzen kann. Motivierte arbeitsbedingte Hyperventilation führt zu einem Ausstoß adrenerger Hormone und damit in gewisser Hinsicht zu einer Eigen-Lyse der Bronchokonstriktion.
Allerdings haben die Wettkampfsportarten den entscheidenden Nachteil, daß die mangelnde Wahrnehmung (Perzeption) der beginnenden Bronchokonstriktion eingerechnet werden muß. Daher sollten bei Wettkampfsportarten asthmakranke Kinder und Jugendliche nicht sich selbst überlassen bleiben. Zumindest bei diesen Sportarten sollte immer ein Lehrer oder Trainer anwesend sein.
Fünfte Empfehlung: Belastungen nur submaximal: Wenngleich chronisch asthmakranke Patienten beschrieben werden, die enorme sportliche Leistungen vorweisen können und sogar Olympiasieger geworden sind (typischerweise in der Sportart Schwimmen), soll es nicht das Ziel der Sportstunde sein, die Patienten zur Erschöpfung zu treiben. Belastungen weit im submaximalen Bereich, vor allem mit Betonung des Ausdauertrainings, reichen völlig aus, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Der Ehrgeiz sollte eher auf häufigere Wiederholungen und zeitliche Ausdehung gerichtet werden als auf vermeintliche Rekorde im Bereich hoher Belastungsintensitäten. werden maximale Belastungen angesteuert, besteht jederzeit die Gefahr eines Asthmaanfalles.
Sechste Empfehlung: Abklingphase: Am Ende der Sportstunde sollte die Belastung nicht abrupt abbrechen sondern in einer Abklingphase auslaufen. Dabei können in spielerischer Form Elemente der krankengymnastischen Atemtherapie eingebracht werden, etwa Übungen mit Lippenbremse, atemerleichternde Körperhaltungen und dergleichen.
Ein nicht ganz unwesentlicher Aspekt ist dabei auch die Eigenart mancher Anstrengungsasthmatiker, erst fünf bis zehn Minuten nach Belastungsende mit der maximalen Obstruktion zu reagieren. Bricht nun die Sportstunde abrupt ab und der Sportlehrer verabschidet sich, kann er möglicherweise etwas später auftretende Problemphasen nicht mehr kontrollieren.
Obwohl bei jedem asthmakranken Patienten mit Anstrengungsasthma zu rechnen ist, stellt Schonung und Vermeidung jeder körperlichen Anstrengung nicht die Lösung des Problems dar.
Durch dosierte körperliche Trainingsprogramme läßt sich aber jeder Asthmatiker in den Schulsport integrieren oder kann als Erwachsener an Freizeitsportarten teilnehmen, die ihn sogar bis zu überdurchschnittlichen Leistungen führen können.
Voraussetzung sind allerdings adäquate Rahmenbedingungen - von einer ausreichenden Diagnostik über einen individuell abgestimmten Therapieplan bis hin zu Rahmenempfehlungen in der sportlichen Praxis. Sport kann sogar heute als ein integraler Bestandteil eines erfolgreichen aktiven Rehabilitationsprogrammes bei asthmakranken Patienten bezeichnet werden. Zwar führt Sport nicht zur Verminderung der Hyperreaktivität, auch nicht zu einem “Wegtrainieren” des Anstrengungsasthmas, wohl aber zu einer Verschiebung der Auslöseschwelle, bei der das Anstrengungsasthmas auftritt. Der Aktionsradius des Patienten steigt mitunter erheblich, er gewinnt wieder Vertrauen zu sich selbst und seiner eigenen Leistungsfähigkeit. Diese positive Grundhaltung läßt sich z.B. bei Kindern und Jugendlichen auf andere pädagogische und schulische Zielvorstellungen übertragen und stellt generell einen wichtigen Ansatzpunkt für eine gelungene Krankheitsbewältigung dar.
83471 Berchtesgaden - E Mail: Dr.Lecheler@asthmazentrum.com
Asthma und Sport. Theoretische Grundlagen und praktische Handlungsanleitungen. Lecheler J., Pfannebecker B & Biberger A. INA-Verlag Berchtesgaden 1998, ISBN 3-9805672-0-6