Endlich Licht in das Dunkel arthrotischer Erkrankungen soll die erste deutsche Bevölkerungs-Studie bringen, die in Herne begonnen wurde. Wie viele Menschen leiden bei uns tagtäglich unter Schmerzen? Wie vielen könnte geholfen werden, wenn sie auf einen verständnisvollen, gut informierten Arzt treffen? Wie viele werden tatsächlich rechtzeitig und gut therapiert? Fragen über Fragen, auf die keine zuverlässigen Antworten, höchstens Mutmaßungen, existieren. Medikamente und Therapien gegen den Schmerz gibt es zuhauf, nur müssen sie richtig eingesetzt werden und da scheint es in unserem Land zu hapern. Die epidemiologische Arthrose-Studie, die unter Leitung von Prof. Dr. Ludger Pientka, Marienhospital Herne, durchgeführt wird, soll zu effektiven Leitlinien in der Schmerzbehandlung führen. Die Studie geht auf die „Initiative Stark gegen den Schmerz“ zurück und wird von der Barmer Ersatzkasse unterstützt. Als Schirmherrin fungiert die Schauspielerin Senta Berger.
„Herr Doktor, ich kann die Schmerzen im Gelenk nicht mehr ertragen“, lautet oft die Aussage, wenn sich Arthrosepatienten zum ersten Mal an ihren Arzt wenden. Und der rät manchmal zu mehr Bewegung, z. B. Radfahren, Schwimmen oder anderen Ausdauersportarten. Dass Rückenschwimmen günstiger als Brustschwimmen ist, oder dass ein hoch montierter Fahrradsattel die Gelenke entlastet, bleibt fast immer unerwähnt. Unbeachtet bleibt häufig auch, dass der Zeitpunkt längst überschritten ist, zu dem mit Bewegung und Gewichtsreduktion bei Übergewichtigen Schmerzen in den Griff zu bekommen sind. Wer Arthrose hat und das sind bei uns je nach Altersgruppe wohl 35 bis 80 Prozent der Bevölkerung, begibt sich in der Regel viel zu spät in Behandlung. Arthrose und damit verbundene Schmerzen sind kein unabwendbares Schicksal der zweiten Lebenshälfte. „Es muss dagegen mit einer rechtzeitigen Diagnose und einem besseren Schmerzmanagement angegangen werden“, fordert Prof. Pientka.
„Doch dazu fehlt es an Information bei Patienten und Ärzten“, beklagt der Studienleiter. Viele Menschen mit Arthrose begeben sich gar nicht in ärztliche Behandlung oder brechen die Therapie ab. Die Gründe dafür sind, wie Prof. Pientka sagt, nicht belegt und können nur erahnt werden. Vielleicht ist es Nachlässigkeit, Unwissenheit oder Angst vor medikamentösen Nebenwirkungen. Schließlich geistert das Gespenst von therapiebedingten Risiken für Schlaganfall, Herzinfarkt oder Magengeschwüren durch die Köpfe. „Bislang fehlen jegliche repräsentative Daten zur Situation bei Bewegungsschmerz, zu Komplikationen und zum Wissen in der Bevölkerung“, moniert auch Chefarzt Prof. Josef Zacher vom Helios-Klinikum in Berlin-Buch . Die Herner Arthrose-Studie, die von der Ruhr-Universität Bochum wissenschaftlich begleitet und ausgewertet wird, soll endlich zuverlässige Daten als Grundlage für gezieltere Therapien liefern. Nach dem Wunsch der Studienärzte und Initiatoren werden diese Daten Bestandteil der Entwicklung von Leitlinien für effektive Therapiekonzepte sein.
Die Herner Arthrose-Studie HER-AS gliedert sich in zwei Phasen: In der ersten Phase werden ca. 8.000 Fragebögen an eine repräsentative Auswahl weiblicher und männlicher Herner Bürger über 40 versandt. Die Fragen orientieren sich an internationalen Standards und lauten zum Beispiel: „in Welchem Gelenk haben Sie Schmerzen? Wie stark sind die Schmerzen? Wie groß sind die damit verbundenen Schwierigkeiten?“ Für den zweiten Studienteil ist eine Untersuchung von ca. 1.300 Personen mit Knie- und Hüftgelenkschmerzen in der Klinik vorgesehen. Dokumentiert werden soll, wie weit die Arthrose bereits fortgeschritten ist, wie der Krankheitsverlauf war und wie stark die Betroffenen in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt sind. Die Auswertung der Studiendaten findet bis Ende 2005 statt.