Enge Sitzreihen, lange Reisezeiten - Ferienflieger gelten bislang als Thrombose-Verursacher Nummer eins. Aktuelle Studien haben jetzt jedoch Entwarnung gegeben. Das Risiko, im Flugzeug ein Blutgerinnsel in den Beinvenen zu entwickeln, welches eine Thrombose auslösen kann, ist nicht so hoch wie bisher angenommen. Vorausgesetzt, die Passagiere verhalten sich richtig. Zur Vorbeugung empfehlen Experten neben der richtigen Bewegung auch die Einnahme von Acetylsalicylsäure (ASS), dem Wirkstoff von Aspirin®. Auf längeren Flügen sollten auch Stützstrümpfe (z.B. von Mediven oder JOBST) werden.
Ob im Auto, im Bus oder im Flugzeug - das stundenlange, fast regungslose Sitzen mit angewinkelten Beinen belastet die Venen: Das Blut beginnt zu stocken und kann dort, wo sich die Gefäße verengen, zu einem Thrombus, das heißt einem Pfropfen, zusammenklumpen. Oft kommt es dann zu Wadenkrämpfen oder geschwollenen Beinen. In den meisten Fällen löst sich dieser Thrombus jedoch wieder auf und die Schmerzen verschwinden. Nur selten wandert das Blutgerinnsel bis in die Lungen hinein. Zerfällt es dort in einzelne kleine Teile, so können diese die Lungengefäße blockieren. Die Folge: eine lebensbedrohliche Lungenembolie.
Lange Zeit stand vor allem das beengte Sitzen in Ferienfliegern im Verdacht, die lebensgefährlichen tiefen Beinvenenthrombosen auszulösen. Der Begriff “Touristenklassensyndrom” war geboren. Berichte über erkrankte Fluggäste - einige sogar mit Todesfolge - erweckten den Anschein, Thrombosen seien stets eng mit Flugreisen verknüpft.
Richtig ist, dass sich bei langer Ruhe und geknickter Haltung der Beine die Gefäße verengen und ein Blutstau entsteht. Vor allem, wenn die Luftfeuchtigkeit gering und der Luftdruck wie in der Flugzeugkabine niedrig ist. “Der plötzliche Abfall des Luftdrucks ist der vermutlich auslösende Faktor für die Entstehung von Thrombosen bei Flugreisen, während der Bewegungsmangel das Wachstum des Thrombus fördert”, erklärt Francesc J. Casals, Leiter der Abteilung Thromboembolie am Klinikum in Barcelona. Er hat alle bisher veröffentlichten Studien zu diesem Thema analysiert und die Ergebnisse zusammengefasst.
Eine im Jahr 2003 veröffentlichte BEST-Studie (Business class versus Economy class Syndrome as a cause of Thrombosis)1 kommt zu dem Ergebnis, dass nicht die geringe Beinfreiheit, sondern der Bewegungsmangel entscheidend für die Entstehung von Reisethrombosen ist. Die Wissenschaftler untersuchten dafür 899 Passagiere vor und nach ihrem Flug von London nach Johannesburg. Bei keinem der Probanden fanden sie Hinweise auf mögliche Blutgerinnsel. Insgesamt, so schätzen die Experten, entwickelt sogar nur ein Prozent oder weniger aller Flugreisenden eine tiefe Beinvenenthrombose. Alarmierend war vielmehr, dass bei mehr als zehn Prozent der Teilnehmer der D-Dimer Level im Blut erhöht war. Das sind Proteine, die auf eine Verklumpung des Blutes hinweisen, aus der potenziell eine Thrombose entstehen könnte. Dieses Phänomen betraf Fluggäste der Business Class ebenso wie Reisende der Touristenklasse. Oder anders ausgedrückt: Jeder zehnte hatte bereits ein erhöhtes Thromboserisiko.