Der Rare Disease Day, der jedes Jahr am letzten Tag im Februar stattfindet, wurde 2008 ins Leben gerufen, um das Bewusstsein für seltene Krankheiten zu schärfen und die Forschung sowie die Unterstützung für Menschen mit seltenen Krankheiten zu fördern. Ziel des Tages ist es, politische Entscheidungsträger, Forscher, Ärzte und die breite Öffentlichkeit für die Herausforderungen zu sensibilisieren, mit denen Patienten mit seltenen Krankheiten konfrontiert sind. Weltweit sind rund 400 Millionen Menschen betroffen - allein in Deutschland, Österreich und der Schweiz leben rund 5 Millionen Menschen mit einer der rund 7.000 bekannten seltenen Erkrankungen, für die es bislang meist keine wirksame Therapie gibt. Der Tag der Seltenen Erkrankung ist ein wichtiger Schritt, diese Menschen nicht nur sichtbar zu machen, sondern auch langfristig etwas zu verändern.
Besser bekannt sind sie unter dem englischen Begriff Rare Diseases. Damit werden Krankheiten bezeichnet, von denen nur sehr wenige Menschen betroffen sind. Die EU definiert eine Krankheit als selten, wenn nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen betroffen sind. Weltweit gibt es schätzungsweise 6.000 bis 8.000 seltene Krankheiten, von denen viele genetisch bedingt sind. Alle diese seltenen Krankheiten sind meist schwerwiegend, chronisch und mit einer hohen Krankheitslast verbunden.
Mukoviszidose ist eine genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung, die vor allem die Lunge und den Verdauungstrakt betrifft. Durch eine Fehlfunktion des CFTR-Gens wird vermehrt zäher Schleim produziert, der die Atemwege verstopft und Infektionen begünstigt. Außerdem wird die Bauchspeicheldrüse in Mitleidenschaft gezogen, was zu Verdauungsstörungen und Mangelernährung führt. Trotz medizinischer Fortschritte ist Mukoviszidose nach wie vor eine lebensverkürzende Erkrankung. Der Verlauf ist individuell verschieden.
Die Amyotrophe Lateralsklerose ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung, bei der motorische Nervenzellen im Gehirn und Rückenmark allmählich absterben. Dies führt zu Muskelschwäche, fortschreitenden Lähmungen und schließlich zum Verlust der Atemmuskulatur. Die Ursache der Krankheit ist noch nicht vollständig geklärt, aber genetische und möglicherweise auch Umweltfaktoren spielen eine Rolle. Der Krankheitsverlauf ist unaufhaltsam, wobei die Lebenserwartung nach Diagnosestellung stark variiert.
Die Huntington-Krankheit ist eine erbliche neurodegenerative Erkrankung, die durch eine Mutation im HTT-Gen verursacht wird. Sie äußert sich durch unkontrollierte, ruckartige Bewegungen (Chorea), kognitive Einschränkungen und psychische Veränderungen wie Depressionen oder Aggressivität. Die Symptome verschlimmern sich im Verlauf der Krankheit, eine Heilung ist bisher nicht möglich. Die Erkrankung führt in der Regel nach mehreren Jahrzehnten zum Tod, wobei die Symptome bereits im mittleren Lebensalter auftreten.
Das Ehlers-Danlos-Syndrom umfasst eine Gruppe genetisch bedingter Bindegewebserkrankungen mit unterschiedlicher Ausprägung. Charakteristisch sind eine übermäßige Gelenkbeweglichkeit, eine brüchige Haut, die leicht einreißt und schlecht heilt, sowie Gefäßprobleme, die zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen können. Bei einigen Formen von EDS sind auch innere Organe betroffen, was zu schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann. Die Diagnose ist oft schwierig, da die Symptome je nach Typ stark variieren.
Die Spinale Muskelatrophie ist eine genetisch bedingte Erkrankung, die durch den fortschreitenden Abbau von Muskelzellen gekennzeichnet ist. Ursache ist eine Mutation im SMN1-Gen, die zum Absterben der motorischen Nervenzellen im Rückenmark führt. Je nach Schweregrad beginnt die Erkrankung bereits im Säuglingsalter oder erst im Erwachsenenalter. Frühe Formen führen zu schweren Bewegungseinschränkungen, während mildere Varianten eine längere Lebenserwartung ermöglichen.
Progerie ist eine extrem seltene Erbkrankheit, die bei Kindern zu einer drastischen vorzeitigen Alterung führt. Sie wird durch eine Mutation im LMNA-Gen verursacht und äußert sich durch frühzeitigen Haarausfall, Hautalterung, Gelenksteife und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Trotz normaler geistiger Entwicklung sterben die meisten Betroffenen bereits im Jugend- oder frühen Erwachsenenalter an Komplikationen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall.
Bei der Hämophilie handelt es sich um eine erblich bedingte Störung der Blutgerinnung, die durch einen Mangel an bestimmten Gerinnungsfaktoren verursacht wird. Betroffene neigen zu starken Blutungen, sowohl äußerlich als auch innerlich, die lebensbedrohlich sein können. Die Krankheit tritt fast ausschließlich bei Männern auf, da sie X-chromosomal vererbt wird. Eine regelmäßige Behandlung mit Gerinnungsfaktoren kann die Symptome weitgehend kontrollieren und die Lebensqualität deutlich verbessern.
Morbus Fabry ist eine seltene Stoffwechselerkrankung, die durch einen genetisch bedingten Enzymdefekt verursacht wird. Durch den Mangel des Enzyms α-Galaktosidase A sammeln sich schädliche Stoffe in den Zellen an, insbesondere in Blutgefäßen und Organen wie Herz, Nieren und Gehirn. Dies kann zu Organversagen, Schlaganfällen und chronischen Schmerzen führen. Die Erkrankung betrifft Männer und Frauen, wobei Symptome und Verlauf individuell unterschiedlich sind.
Das Rett-Syndrom ist eine schwere neurologische Entwicklungsstörung, die fast ausschließlich bei Mädchen auftritt. Nach einer zunächst normalen frühkindlichen Entwicklung kommt es zwischen dem 6. und 18. Lebensmonat zu einem plötzlichen Entwicklungsrückschritt mit Verlust der Sprache, der motorischen Fähigkeiten und der sozialen Interaktion. Typische Symptome sind stereotype Handbewegungen, Atemstörungen und Krampfanfälle. Die Krankheit ist nicht heilbar, aber Therapien können die Symptome lindern und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern.
Das Marfan-Syndrom ist eine genetisch bedingte Bindegewebserkrankung, die sich durch überlange Gliedmaßen, Skelettdeformationen und Augenprobleme äußert. Besonders gefährlich sind die Gefäßveränderungen, da durch die Gewebeschwäche die Hauptschlagader (Aorta) reißen kann, was lebensbedrohliche Folgen hat. Die Krankheit bleibt oft lange unentdeckt, da die Symptome sehr unterschiedlich sein können. Durch regelmäßige ärztliche Kontrollen und gegebenenfalls operative Eingriffe kann das Risiko schwerer Komplikationen jedoch deutlich gesenkt werden.
Die richtige Diagnose ist oft eine große Herausforderung, da die Symptome vielfältig und unspezifisch sein können. Oft vergehen Jahre, bis die richtige Diagnose gestellt wird. Moderne diagnostische Methoden wie Genanalysen, Biopsien und bildgebende Verfahren sowie KI helfen, seltene Erkrankungen (schneller) zu erkennen.
Die Behandlungsmöglichkeiten sind oft begrenzt, da die Erforschung und Entwicklung neuer Medikamente, so genannter Orphan Drugs, hohe Kosten verursacht. Diese speziellen Medikamente werden jedoch durch regulatorische Anreize besonders gefördert.
Zu den Spezialisten, die sich diesen Krankheiten widmen, zählen:
In Deutschland gibt es sogenannte Zentren für Seltene Erkrankungen (ZSE), die eine interdisziplinäre Behandlung anbieten. Bekannte Anlaufstellen sind u.a. das Zentrum für Seltene Erkrankungen an der Charité in Berlin oder das ZSE am Universitätsklinikum Heidelberg.
Nicht nur Betroffene, sondern auch deren Angehörige benötigen eine umfassende Unterstützung. Wichtige Anlaufstellen sind:
Sie bieten nicht nur Informationen und ggf. finanzielle Unterstützung, sondern setzen sich für mehr Forschung und bessere Versorgung ein.
ACHSE e.V. (Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen e.V.)
→ Dachverband für Selbsthilfegruppen seltener Erkrankungen
→ Website: www.achse-online.de
Orphanet Deutschland
→ Informationsportal zu seltenen Erkrankungen
→ Website: www.orpha.net
Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V. (DGM)
→ Unterstützung für Menschen mit neuromuskulären Erkrankungen
→ Website: www.dgm.org
Mukoviszidose e.V.
→ Unterstützung für Betroffene mit Mukoviszidose
→ Website: www.muko.info
EURORDIS – Rare Diseases Europe
→ Europäische Organisation für seltene Erkrankungen
→ Website: www.eurordis.org
Global Genes
→ Weltweite Unterstützung für Menschen mit seltenen Erkrankungen
→ Website: www.globalgenes.org
Die Erforschung seltener Krankheiten hat in den letzten Jahren zugenommen. Fortschritte in der Genomsequenzierung, der Zell- und Gentherapie und der personalisierten Medizin geben neue Hoffnung. Internationale Kooperationen wie das European Reference Network (ERN) fördern den Wissensaustausch und erleichtern die Diagnose und Behandlung seltener Erkrankungen.
Seltene Erkrankungen stellen nicht nur eine große medizinische, sondern auch eine gesellschaftliche Herausforderung dar. Der Rare Disease Day trägt dazu bei, das Bewusstsein für diese oft vernachlässigten Krankheiten zu schärfen und die Forschung sowie die Unterstützung der Betroffenen voranzutreiben. Eine frühe Diagnose, spezialisierte Versorgung und internationale Zusammenarbeit sind entscheidend, um die Lebensqualität von Patienten mit seltenen Krankheiten zu verbessern.