Ayurveda, zusammengefügt aus den Sanskritwörtern Ayur (= langes Leben) und Veda (= Wissen), zählt zu den ältesten medizinischen Gesundheitslehren der Menschheit. Strenggenommen hat sich die ayurvedische Heilkunst seit ihrem Beginn bis heute nur unwesentlich verändert.
Gerade in der Gegend von Kerala , einem Staat Indiens, hat man sich auf die ayurvedische Medizin spezialisiert, erforscht diese und entwickelt sie weiter. Man findet hier neben den unzähligen Krankenhäusern westlicher Medizin, mindestens genauso so viele Ayurvedakliniken. Die ayurvedische Medizin genießt in Indien großes Ansehen, was auch dadurch ersichtlich ist, dass der indische Staatsbürger bei Erkrankung wählen kann, welche Klinik er aufsucht. Beide Therapieformen, die westliche Schulmedizin als auch die Ayurveda Medizin bekommt er erstattet. Ayurvedische Ärzte absolvieren an einer indischen Universität ein sechsjähriges Studium und dürfen ausschließlich diese Heilmethode anwenden.
Als Europäer habe ich mich für ein renommiertes Ayurveda-Zentrum mit westlichen Standards , gelegen in einer Hotelanlage, entschieden. Dies war mir vor allem wichtig, da man als Mitteleuropäer gerne sehr empfindlich auf die doch ungewohnte Nahrung reagiert, die auch nicht immer unseren Hygienestandards entspricht. Auch sollte das Ärzteteam mit den westlichen Zivilisationskrankheiten vertraut sein sollte. Nach einer zeitaufwändigen Recherche fiel die Wahl auf das Resort The Leela Kempinski Kovalam Beach Resort mit seinem ayurvedischen Zentrum Divya unter der Leitung von Dr. Binu. Nach einem Flug mit Qatar Airways von München über Doha, hatte ich einen kurzen Aufenthalt in der außergewöhnlich luxuriös ausgestatteten Businessclass Lounge , um dann nach Thiruvanathapuram weiterzufliegen. Leider waren die Sitze in der Businessclass beim letzten Streckenabschnitt ganz und gar nicht „Businesslike“, darüber konnte auch nicht der sehr freundliche Service und das gute Essen an Bord hinwegtrösten, so dass man um vier Uhr morgens, vollkommen übernächtigt am Zielflughafen ankam. Der Transfer zum Hotel klappte reibungslos und dann erst einmal ab ins Bett.
Nachmittags erfolgt der Untersuchungstermin beim Arzt Dr Binu. Neben einer ausführlichen Anamnese , die mich fast an eine homöopathische Befragung erinnerte, wurde auch eine Pulsdiagnose durchgeführt. Ich wurde einem Vata-Kapha Typen zugeordnet. Der Vata Anteil bedeutet, dass ich ein Mensch bin, der sich bewegt, kommuniziert, körperlich und geistig lebendig ist. Darüber hinaus verleiht der Kapha Anteil Stabilität und Ausdauer. Soweit die Diagnose. Als Therapie sollte nun mein Pitta Anteil , der Wärme und Energie im Körper erzeugt mit dem Vata-Kapha-Anteil in Einklang gebracht werden und zusätzlich aktiviert werden.
Diätetisch wird mir sämtliches tierisches Eiweiß verboten , daneben auch jegliche Süßspeisen. Ich bekomme einen bitterschmeckenden Saft (Indukantham Kashayam) verordnet, welchen ich morgens und abends mit Wasser vor dem Essen einnehmen soll. Die Inhaltsstoffe, indische Kräuter, lassen sich nicht ergründen. Daraufhin geht es gleich zum Yoga. Der Yogaraum liegt mitten in einem Park mit Meerblick, ohne Fenster, lediglich überdacht. Die Yoga-Meisterin führt mich durch die Atemübungen und den Sonnengruß (Dehn- und Kräftigung für den Körper). Anschließend folgt schon die erste Behandlung (Dauer auch an den folgenden Tagen immer zwei Stunden) , eine Ganzkörper-Massage (Abhyanga Snana), welche mit ayurvedischen Ölen durchgeführt wird, den Körper aktiviert, den Lymphabfluss fördert, Stress abbaut und die Haut nährt. Gefolgt von einer Puder-Massage (Udvartthanam), die in rhythmischen Bewegungen über den gesamten Körper in Abwärtsrichtung durchgeführt wird. Sie soll Missempfindungen beseitigen , den Blutfluss anregen und beim Abnehmen helfen. Ich fühle mich frisch gepeelt, die Nacken und Rückenschmerzen sind jedoch noch nicht besser. Mir wurde für die gesamte Kur ein Therapeut zugeteilt, der stets mit großem Elan an mir arbeitete, lediglich die ayurvedischen Behandlungsliegen sind aus Holz und somit hart und gewöhnungsbedürftig. Am Abend folgt das erste ayurvedische Abendessen , viel Gemüse, mild und interessant gewürzt, dazu Herbalwater , ein 10 Minuten gekochtes Wasser mit Kräuteressenz , die aber nur schal schmeckt. Nach diesen Ereignissen schlafe ich wie ein Stein.
Ein neuer Tag, ich fühle mich erstaunlich fit, also stehe ich früh auf auf und begebe mich um 07:00 Uhr zum Yoga im auf der Strandterrasse des privaten Clubs. Ich bin der einzige und somit kann ich eine Einzelstunde genießen. Das Yogaangebot ist Bestandteil meines Behandlungspaketes. Das Hotel schläft noch, ich mache meine Übungen bei Meeresrauschen , sehe einzelne Fischerboote auf dem Meer. Die Übungen entsprechen denen, die ich von zu Hause her kenne, es wird aber viel Wert auf Atmung, Meditation und Gesang gelegt. Nach der Stunde bin ich jedoch so müde, dass ich erneut bis 11 Uhr schlafe. Nach dem Frühstück mit Reiswaffeln und Obstsalat und frisch gepressten Säften folgt ein Spaziergang zum Strand. Anders als bei uns sitzen hier größere Gruppen, offensichtlich ganze Familienclans laut diskutierend, sehr umtriebig und hektisch, vollkommen bekleidet im Sand. Für mich ist es hier zu unruhig. Erstaunt frage ich mich: Ist das die innere Ruhe der Inder?!? Das Mittagessen ist ähnlich dem Abendessen von Tag 1. Nachmittags erfolgt die Behandlung Abhyangam (siehe Tag 1) und , der Stirnguss namens Sirodhara. Er soll den Schlaf verbessern, den Kopf klären und für geistige Entspannung sorgen.
Ein neuer Tag mit Frühyoga, üblichem Frühstück und gefolgt von einem Ausflug zu einer pharmazeutischen Fabrik für ayurvedische Medikamente in Thiruvanathapuram. Der Weg dorthin zeigt die bedrückende Armut in diesem Land. Auf der Straße leben Menschen neben Bergen von Müll, streunenden Hunden und unerträglichem Lärm von ständig hupenden Autos. Der Fahrer bemerkt stolz, das Kerala der reichste Staat Indiens sei. Gewöhnungsbedürftig , zumindest für uns Mitteleuropäer ist der indische Fahrstil : Hier gewinnt immer der Stärkere , die sprichwörtliche indische Gelassenheit lebt sich dabei in aggressiver Fahrweise aus, man drängt den „Schwächeren“ einfach zur Seite. Mir, nur wenig vertraut mit den hiesigen gesellschaftlichen Strukturen, erscheint dies wie ein Abbild der indischen Gesellschaft.
Erfahrenswert auch die pharmazeutische Fabrik,ein Relikt des vorletzten Jahrhunderts, die jeder kann mit Straßenschuhen betreten darf. Medikamente werden von Hand hergestellt und leider auch ohne ohne erkennbare Hygienemaßnahmen abgefüllt. Auf meine Frage, wie die Qualität der Arznei gesichert sei, wird mir eine Waage gezeigt. Befremdend ist für mich auch das schneckenähnliche Arbeitstempo , einem Zeitlupenfilm nicht unähnlich. Ist das die innere Ruhe? Nach der Rückkehr ins Hotel, erfolgt die Behandlung wie Tag 2. Die Anwendung habe ich sehr genossen und ich glaube ich hätte gut geschlafen, wäre da nicht ein Mückenschwarm in meinem Zimmer gewesen.
Ich verschlafe das Frühyoga, dafür gehe ich nachmittags. Meine Verspannungen im Nacken- und Lendenwirbelbereich lassen nach. Nachmittags mache ich einen Spaziergang nach Kovalam. Am Strand ein ähnliche Bild wie an dem Strandabschnitt von Tag 2, jedoch hier gepaart mit den Folgen von Billig- und Sextourismus. Ich freue mich auf meine Behandlung: Abhyangam (Tag 1), Pathira Podala Swedam , eine Kräuterstempelmassage , die steife Gelenke mobilisiert und Gelenk- und Muskelschmerzen lindert. Heute fällt mir das Liegen auf der harten Behandlungsliege sehr schwer.
Der Tag beginnt mit einer Yogasession um 07:00 Uhr. Danach Abfahrt zu einer Backwaterstour nach Kalam. Dort dürfen wir uns auf einem Hausboot mit Schlafgelegenheit verwöhnen lassen. Drei Männer bereiten das Mittagessen, sind für unseren Service zuständig und lenken gleichzeitig das Schiff. Die Backwaters werden von den Einheimischen Kuttanad genannt. Es ist ein grünes Labyrinth aus Kanälen, Flüssen und Lagunen , gesäumt von Reisfeldern und Palmen. Zwischendurch tauchen immer wieder Wohnhäuser, Moscheen, Tempel und auch Kirchen auf. Auf diesen Wasserwegen schippern Lastenschiffe ihre Waren, Hausboote und Ausflugsdampfer befördern neugierige Touristen. Die Fischer in ihren Booten fangen alles Bewegliche unter Wasser und Fähren transportieren Einheimische zu Ihren Häusern. Faszinierend neben der Natur ist die Ruhe , die hier, in der Abgeschiedenheit der Kanälen fast greifbar scheint. Und im nahen Vogelschutzparadies Kumarkum scheint die Zeit vollends still zu stehen. Die Heimfahrt im Auto ist vor allem beängstigend , da der indische Fahrstil einem Westeuropäer lebensbedrohlich erscheint. Ich freue mich auf meine Anwendung (wie Tag 4), die mir abschließend meine ganze Anspannung nimmt.
Ein Tag der Erholung mit Ruhe und Entspannung. Nachmittags nehme ich am Yoga teil und bemerke, dass ich schon langsam beweglicher werde. Auf die Anwendungen habe ich heute überhaupt keine Lust. Die Vorstellung, erneut berührt zu werden, schafft Unbehagen, aber ich gebe mich dann doch einer Udvartthanam (siehe Tag 1) mit Gesichtsbehandlung hin. Im Hintergrund hört man lautes Trommeln und Singen der Menschen, denn heute ist Silvester. Der Tag endet mit einem imposanten Feuerwerk am Strand.
Ein weitere fauler Tag mit Entspannung, Nachmittagsyoga und Kalari Massage. Bei dieser Massage liegt man auf dem Boden und der Therapeut stimuliert, während er an einem Seil über einem hängt, mit seinen Füßen belebende Energiepunkte am Körper , welche den Energiefluss harmonisieren soll und somit mehr Flexibilität und Schmerzlinderung erreicht. Ein Hochgenuss!!!
Eine angenehme Lethargie und Entspanntheit ist in den Körper eingezogen. Ich schaffe es gerade noch zu Nachmittagsyoga und dann zur Behandlung mit Abhyangam (Tag 1), Pathira Podala Swedam (Tag 4). Die Ayurvedakur bestimmt nun meinen Tagesrhythmus in angenehmster Form.
Heute zwinge ich mich früh aufzustehen , um zum Yoga zu gehen, denn heute steht wieder ein Ausflug auf dem Programm. Zunächst geht die Fahrt zum Padmanabhapuram Palast , ein beeindruckender Holzpalast klassischer Kerala-Architektur aus dem 16. Jahrhundert, der bis ins 18. Jahrhundert Herrschersitz der Fürsten von Travancore war. Eine impostante Anlage mit vielen Holzschnitzereien, großzügig angelegten Gärten und Skulpturen. Das Herrscherhaus war sehr sozial , verköstigte es doch tagtäglich bis zu zweitausend Einwohner der Umgebung. Nach einer kurzen Fahrt kommen wir nach Suchindram zum Hanuman-Tempel. Ein lebendiges Heiligtum, welches man betreten darf. Es enthält viele düstere verrauchte Schreine mit Affengöttern, und ist umgeben von Brahmanenhäusern und einem Tempelsee. Abschließend geht es noch nach Kanyakumari , der südlichsten Stadt an der Spitze Indiens. Hier treffen sich der indische und arabische Ozean, sowie das bengalische Meer. An diesem heiligem Ort für viele Hindus wurde die Asche Mahadma Ghandis ins Meer gespült.
Der Tag endet mit Abhyangam (siehe Tag 1), Sirodhara (siehe Tag 2), Pathira Podala Swedam (siehe Tag 4).
Heute wird morgens abgeführt –Balasundab-. Ich bekomme drei Minitröpfen eines stinkenden Saftes in ein Glas Wasser. Innerhalb von einer Stunde stellt sich massiver Bauchschmerz mit starkem Durchfall ein, der drei Stunden anhält. Darauf bekomme ich salzhaltigen Limettensaft und langsam lässt der krampfartige Durchfall nach. Mittags gibt es eine wässrige Reissuppe. Ich fühle mich geschwächt, gehe aber tapfer zum Nachmittagsyoga. Im Anschluss daran erfolgt die gleiche Behandlung wie an Tag 10: Abhyangam (siehe Tag 1), Sirodhara (siehe Tag 2), Pathira Podala Swedam (siehe Tag 4). Zum Abendessen wird mir ein gegrillter Fisc serviert…. gereinigt und müde falle ich ins Bett.
Das Hotel hat einen Ausflug nach Thiruvanathapuram, der Hauptstadt Keralas organisiert. Zunächst werde ich zum staatlichen Souvenirshop gefahren. Hier herrscht Preisbindung und man darf nicht handeln. Abgesehen von Seiden- und Kashmirschals findet man hier jedoch leider nur Gegenstände minderer Qualität wie Kunststoffstatuen. Später geht es zum Sri-Padmanabhaswamy-Tempel. der inmitten eines Forts liegt, dem Gott Vishnu geweiht und nur für Hindus zugänglich ist. Der im 18. Jahrhundert erbaute Tempel verfügt über einen siebenstöckigen gopuram (Turm) und liegt neben einem malerischen Tempelteich. Im Juli 2011 wurde in diesem Tempel ein Schatz im Wert von 10 Milliarden Euro entdeckt. Weitere interessante Attraktionen sind das Napier Museum , welches in einem 200 Jahre alten Palast untergebracht ist, mit einer Sammlung von Waffen, Trophäen und heiligen Skulpturen, sowie der botanische Garten und Zoo. Nach der Rückkehr ins Hotel, Yoga und Abhyangam (siehe Tag 1) in Kombination mit Njavarakkizhi , hiermit sollen mit einer Art Milchreiswaschung die letzten Gifte aus dem Körper entfernt werden, da die Haut und Muskeln verjüngt werden.
Der letzte Tag endet mit Yoga und der gleichen Behandlung wie Tag 11. Im Abschussgespräch mit dem Arzt erhalte ich einen ausführlichen Diätplan für jede Jahreszeit und einen Einmonatsvorrat an Medikamenten. Ich fühle mich erholt und die lebensgefährliche Fahrt vom Hotel zum Flughafen durch den Hotelshuttle bei Tempo 150 steigert meine Freude auf zu Hause.
Medizinisch-wissenschaftlich gesehen kann ich sehr wohl nachvollziehen, dass sich eine Ayurvedakur günstig auf den Menschen auswirkt. Zum einen ist die zeitlich begrenzte Nahrungsumstellung ernährungsmedizinisch gesehen sicherlich mehr als sinnvoll, denn der ausschließliche Verzicht auf tierische Eiweiße und Süßspeisen fördert die Gesunderhaltung. Sie führt den Patienten auch an eine gesunde Lebensweise heran, weil er spürt, wie wohlschmeckend Obst, Gemüse und Kräuter sein können und er sich körperlich schnellfit fühlt. Die täglichen Anwendungen aktivieren mit Sicherheit das gesamte Lymphsystem , lösen Verspannungen und steigern das Wohlbefinden. Über die Indikationen der unterschiedlichen Anwendungen, um gewisse Erkrankungen zu heilen, müssten sicherlich Studien durchgeführt werden , das Gleiche gilt für die pflanzlichen Medikamente, mit denen westliche Naturheil-Ärzte keine Erfahrung haben. Insgesamt ist eine ayurvedische Behandlung bei einem gut ausgebildeten Arzt , der sich mit westlichen Erkrankungsbildern auskennt, eine empfehlenswerte Sache.
Auch wenn die Kur professionell durchgeführt wurde und ich mich auch erholt fühlte, so waren die allgemeinen Lebensumstände in Indien für mich persönlich weniger entspannend, denn im Land herrscht eine für uns fast unbeschreibliche Armut. Die Einwohner sind allesamt freundlich und hilfsbereit, wenn auch eine gewisse Lethargie, gepaart mit einem teilweise schlecht zu verstehenden Englisch, die Kommunikation oft schwer bis unmöglich macht.
Mein Traum von einem spirituellen und bezaubernden Land ist jedoch definitiv geplatzt, denn abgesehen von einer wunderbaren Natur und faszinierenden Tempeln nebst Palästen , bleiben mir Tonnen von Müll, Schmutz, Gestank, ständig hupende Autos und laute Menschen im Gedächtnis hängen. Aber auch diese Erfahrung muss man machen.
TIPP: Wer nicht bis Indien oder Sri Lanka reisen möchte, findet auch Hotels mit Ayurveda-Angeboten in D, A, I.