Wer hinter dem Rathaus auf der Hafenstraße um den Festungshügel Akershus herumgeht und noch ein wenig weiterwandert in die nächste Bucht, der wird bald staunend stehen bleiben. Der Grund ist ein blendend weißes Gebäude auf der anderen Seite der Bucht, dessen schräg nach oben verlaufende Flächen förmlich aus dem Wasser wachsen. Das also ist das neue, viel gepriesene Opernhaus von Oslo. Schneeweiß und mehr von Wasser als von Land umgeben, lässt das Gebäude an einen schwimmenden Eisberg denken. Die Osloer sind stolz auf ihre neue Oper und haben sie sofort in Besitz genommen. Sie spazieren, was vom Architektenbüro Snoehetta auch so gewollt ist, auf den schrägen Marmorwänden um das aus der Mitte herausragende gläserne Gebäude nach oben oder sitzen auf der Terrasse des Operncafés direkt am Wasser. Karten für die Veranstaltungen, ob Oper oder Konzert, sind schwer zu bekommen.
Noch steht das prestigeträchtige Gebäude aus Carrara-Marmor und Glas, das als das größte Kulturprojekt der Nachkriegsgeschichte Norwegens gilt, recht allein im Hafen von Oslo. Doch das wird sich rasch ändern; ringsum im neuen Stadtteil Bjoervika wird heftig gebaut. Dass die Norweger dies können, zeigt sich auf der Hafenwestseite in Akkers Brugge. Das ehemalige Werftgelände an der Pipervika-Bucht hat sich in ein architektonisch sehenswertes Viertel mit attraktiven Gebäuden aus Glas, Stahl und Holz verwandelt. Die Wohnungen, die teilweise wie Bienenwaben an den Fassaden kleben, haben ihren Preis. Etwa vier Millionen Norwegische Kronen, umrechnet rund 450000 Euro, kostet eine Zwei-Zimmer-Wohnung! Auch die Restaurants auf der dem Hafen zugewandten Seite sind nicht billig. Um zu zweit im edlen Fischrestaurant „Lofoten” frischen Dorsch zu kosten, sollte man schon 1000 Kronen (110 Euro) einstecken. Für Rainer Biermann, der regelmäßig Studiosus-Gäste durch seine Lieblingsstadt führt, symbolisiert Akkers Brugge die Veränderung der Gesellschaft vom ehemaligen, bescheidenen Norwegen zu einer reichen Konsumgesellschaft. Der Ölboom macht´s möglich.
Die norwegische Hauptstadt ist generell teuer. Der britischen Wochenzeitung „The Economist” zufolge hat Oslo Tokio als die weltweit teuerste Stadt abgelöst. Dennoch sind nachmittags im Grand Café, wo Henrik Ibsen seinen Stammplatz hatte, und in den anderen Lokalen an der Karl Johans gate, der Osloer Prachtstraße, sämtliche Stühle im Freien besetzt; die meist jungen Leute trinken fröhlich ihr Bier, das etwa dreimal so viel kostet wie bei uns. „Trotz der hohen Preise gehen wir gern aus,” meint Pressesprecherin Stefanie Tuma, „Und es gibt auch Bars und Restaurants, in denen das Bier nicht übermäßig teuer ist. Das sogenannte „Oelbarometer”, das Bierbarometer, das von Aftenposten und anderen Zeitungen erstellt wird, zeigt dies an.”
An der Karl Johans gate, die breit und schnurgerade vom Zentralbahnhof bis zum etwas erhöht liegenden Königlichen Schloss führt, liegen sehenswerte Gebäude. Die Domkirche mit ihrem roten Backsteinturm aus dem 17. Jahrhundert machte im August 2001 durch die Hochzeit von Kronprinz Haakon Magnus mit der bürgerlichen Verlegerstochter Mette-Marit international Schlagzeilen. Einige Schritte weiter, im Rundbau des Parlaments, dem Storting, werden die wichtigen politischen Entscheidungen getroffen. Im gelben, säulengeschmückten Bau am Ende der Straße, der 1811 gegründeten, größten und ältesten Universität Norwegens, studieren mehr als 30 000 junge Leute. Von dort ist es nicht weit zur berühmten ´Nasjonalgalleriet´, der Nationalgalerie. Sehenswert, was norwegische Maler wie Christian Krohg, Adolph Tiedeman und Hans Gude, die man bei uns kaum kennt, geschaffen haben. Die Werke des berühmtesten Malers, Edvard Munch, hängen in einem eigenen Saal. Das Bild „Der Schrei” ist durch eine dicke Glasscheibe gesichert, seit es am 12. Februar 1994 gestohlen worden war. Munch hat vier Versionen vom „Schrei” gemalt. Die drei anderen hängen im nach ihm benannten Museum. Auch dieses Museum ging durch die Weltpresse, als am 22. August 2004 maskierte Täter bei einem bewaffneten Raubüberfall eine hell-orange Version des Bildes und das Gemälde „Madonna” entwendet hatten.
Gegenüber der Universität hinter dem unter Denkmalschutz stehenden Nationaltheater, das sich durch die Stücke Henrik Ibsens einen Namen gemacht hat, ragen zwei mächtige, eckige Backsteintürme in den Himmel. Das Osloer Rathaus, 1950 anlässlich der 900-Jahr-Feier der Stadt eingeweiht, mit seiner dem Hafen zugewandten, massiven Fassade, war lange umstritten; mittlerweile gilt es als Wahrzeichen Oslos. In dem kolossalen, nicht so recht zum Stadtbild passenden Komplex, dessen Inneres durch Fresken und Malereien von Edvard Munch und anderen norwegischen Malern geschmückt ist, wird jährlich der Friedensnobelpreis verliehen.
Im Hafenbecken hinter dem Rathaus startet das Fährschiff zur Museums-Halbinsel Bygdoey, die auch begehrtes Wohnziel vermögender Osloer ist. Beim Spaziergang von der Anlegestelle zum Wikingerschiff-Museum bleibt genügend Zeit, in den ruhigen Straßen die prachtvollen Holzvillen in großen Gärten zu bestaunen. Eine Attraktion im Museum sind die drei vor etwa hundert Jahren am Oslofjord gefundenen Wikingerschiffe. Schulklassen drängen sich bereits am frühen Morgen um die schlanken, mehr als tausend Jahre alten Schiffe, mit denen die Wikinger unter Leif Erikson lange vor Columbus bis nach Nordamerika gesegelt sind. Entdeckerblut fließt bis heute in den Adern der Norweger. Einem der berühmtesten Forscher, Fridtjof Nansen, der durch seine Nordpolexpedition 1892 zum Volkshelden wurde, hat die Stadt mit dem Fram-Museum auf Bygdoey ein Denkmal gesetzt. Unter welch schwierigen Bedingungen die Männer auf diesem Schiff, das später auch Roald Amundsen für seine Südpolexpedition nutzte, arbeiteten, zeigt ein Rundgang auf der originalgetreu restaurierten Fram eindrucksvoll. Sehenswert im Kon-Tiki-Museum ist das Balsa-Floß, mit dem Thor Heyerdal 1947 von Peru in 101 Tagen das Tuamotu-Archipel im Südpazifik erreichte, um zu beweisen, dass so die polynesische Inselwelt besiedelt worden war. Eine ungewöhnliche Leistung für Menschen, die eher dem Winter zugeneigt sind, was die älteste Skisprunganlage der Welt an den Hängen des Holmenkollen beweist. 1892 wurde dort der erste Skisprungwettkampf ausgetragen. Eine U-Bahn-Fahrt zum Holmenkollen lohnt sich auch im Sommer, auch wenn der Sprungturm, der einen sagenhaften Blick auf den Oslo-Fjord bietet, abgerissen wurde, um einen Neubau für die Nordischen Ski-WM 2011 zu ermöglichen. Man sollte mit der U 1 weiterfahren bis zur Endstation Frognerseteren. Von der Terrasse des Hovedrestaurants ist der Ausblick hinunter auf Stadt und Fjord mindestens ebenso großartig.
Informationen: Für den Transfer vom Flughafen Gardermoen in die Stadt empfiehlt sich der Expresszug Flytoget (www.flytoget.no). Der Zug fährt im 10-Minuten-Takt, die Fahrt zur Station Nationaltheater dauert 19 Minuten und kostet 170 NOK (ca. 19 Euro). Mit dem Oslo-Pass für 24, 48 bzw. 72 Stunden (ab 220 NOK = ca. 24 Euro) können alle öffentlichen Verkehrsmittel gratis benutzt werden; außerdem gewährt er freien Eintritt in Museen und Sehenswürdigkeiten (www.visitoslo.com/de). Fachlich begleitete Studienreisen mit Besichtigung der wesentlichen Sehenswürdigkeiten sowie einem Opernbesuch veranstaltet STUDIOSUS Reisen (vier Reisetage ab 970 Euro inkl. Flug, Oslo-Pass, Hotel inkl. Frühstück und Opernkarte).