Hermann Hesse schwärmte nicht nur vom Tessin, er lebte auch auf „…diesem Fleckchen Erde, welches der liebe Gott an einem Sonntag geschaffen hat…“. Der südlichste Kanton der Schweiz, mehr überbordendes italienisches Temperament denn karger Schweizer Bergbauerncharakter – eine Region voll besonderem Charme und Flair. Seine magische hat Künstler zum Bleiben verführt und Reisende verzaubert. Mediterraner Liebreiz gepaart mit mildem Klima, gewürzt mit zartem Zypressenduft, gekrönt von Burgen und atemberaubenden Panoramen.
Kaum hat man Gotthard oder St. Bernhard hinter sich gelassen weht der sanfte Wind des Südens dem Reisenden entgegen, fast unbemerkt durchquert man gleich mehrere Klimazonen und erreicht die Schweizer Riviera mit den mondänen Touristenorten Ascona, Lugano und Locarno. Größen aus Film und Musik reichen sich hier in den Sommermonaten sozusagen die Hände, ein Festival jagt das andere. JazzAscona gilt beispielsweise als eines der wichtigsten internationalen Jazzfestivals, Jung und Alt kann man dann beim Swingen am Seeufer beobachten. Jedes Jahr im Juli kommt der Jazz nach Ascona – New Orleans übersiedelt sozusagen ins Tessin. Ob jung ob alt, ob reich ob arm, die Stadt wird durchdrungen von den mal klagenden, mal voller Lebenslust überbordenden Klängen des Jazz. Überall entlang der Seepromenade spielen die Bands, buhlen um die Gunst des Publikums, welches mit allen fahrbaren Untersätzen den Klängen entgegen zieht. Milliardärsjachten aus dem mondänen Ferienorten der italienischen Schickarien geben sich ein Stelldichein mit gediegenen Limousinen Schweizer Banker, bieten Platz für knatternde Motorräder und schicke Roller. Alle ihre Fahrer treffen sich wieder am See, Gucci schnippt mit Zara, HM tanzt mit Versace – so einfach ist das. Die Musik wiegt alle gleich!
Lugano , Stadt der Parks und Blumen, der Villen und Kirchen, aber auch drittgrößter Finanzplatz der Schweiz, verbindet Schweizer Geschäftstüchtigkeit mit italienischer Eleganz. Zugleich hat Lugano eine lange Tradition als Ferienort. Die beiden Hausberge - der Monte Brè und der San Salvatore - bilden nicht nur die unverwechselbare Kulisse, vor der die Stadt sich sonnt, sondern bieten auch jede Menge Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung. Ein Paradies für Wanderer und Biker!
Doch das Tessin hat viele attraktive Seiten, vor allem die stillen, leisen Attraktionen, ziehen Liebhaber aus allen Ländern hier her. Einsame Fußwege winden sich bergan, durchqueren abgelegene Täler und ungezähmte Flußläufe, durchstreifen sommerstille Dörfer und enden auf windumspielten Höhen.
Bellinzona , mit seinen zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden drei Burgen, ist der Hauptort des Kantons, der bereits im 16. Jahrhundert die Mailänder Herrschaft ablegte und sich den Schweizer Urkantonen anschloss. In den Burgen mit ihren Museen und Ausstellungen ist die Geschichte Bellinzonas, die bis ins Neolithikum (4. Jahrtausend v. Chr.) zurück reicht, auf Schritt und Tritt spürbar. Ein Besuch der Altstadt wiederum, die mit ihren Laubengängen an lombardische Städte erinnert, empfiehlt sich besonders am Samstagmorgen, wenn der bei Einheimischen wie Touristen beliebte Wochenmarkt abgehalten wird. Tessiner Spezialitäten, besonders der würzige Almkäse, werden hier feilgeboten.
Vor allem die Tessiner Täler sind ein wahrhaftiges Wanderparadies und Bellinzona ist ein guter Ausgangspunkt für Ausflüge in die Bergwelt des oberen Tessins. Wer die steilen Aufstiege durch die Wälder scheut, kann sich bequem von den zahlreichen Bahnen befördern lassen. Die steilste Bahn der Welt fährt fast senkrecht - mit 88 Prozent Steigung! - in das Hochtal von Piora. Über 3.000 Kilometer Wanderwege, alle bestens gepflegt, durchziehen den Kanton, von den uralten Kulturpfaden der Walser bis zur Lieblingsroute von Hermann Hesse kann man dem Genuss des Wanderns das ganze Jahr hindurch frönen. Denn auch im Winter lässt sich hier die noch immer milde Sonne bei Spaziergängen an den zahlreichen Seen genießen, laden verschneite Landschaften zu Ausflügen mit Tourenski
Zwischen Tälern und Bergen flitzt man behände mit dem Mountainbike umher, klettert an den Felswänden hoch oder widmet sich dem Trekking. Wer noch höher hinaus möchte, kann stattdessen mit dem Drachen fliegen, mit dem Fallschirm springen, sich dem Paragliding widmen oder den Nervenkitzel des Bungeejumping erproben. Golfen, Reiten und natürlich Tennis fügen sich nahtlos an. In Flüssen und Stromschnellen vergnügt man sich mit Rafting oder Canyoning.
Einem Zuckerhut nicht unähnlich, erhebt sich der Monte San Salvatore aus dem Luganersee. Wer den Aufstieg über den schwierigsten Klettersteig der Schweiz als zu mühselig empfindet, kann bequem mit der Standseilbahn auf den 912 Metern über dem Meer gelegenen Gipfel gelangen und das herrliche 360-Grad-Panorama über den Luganersee, die Po-Ebene und die Bergketten der Schweizer und Piemonteser Alpen genießen. Die Standseilbahn (Funicolare) startet im Luganeser Vorort Paradiso. Sie bringt die Passagiere innert zwölf Minuten bis kurz unterhalb des Gipfels, den man in einem zehnminütigem Fußmarsch erreicht. Der „Erlöserberg“ ist vor allem an Himmelfahrt und Pfingsten seit Jahrhunderten das Ziel von Pilgern. Nachdem 1890 die Drahtseilbahn eröffnet wurde, zog der Monte San Salvatore auch viel Prominenz an; so besuchten ihn Kaiserin Elisabeth von Österreich und die Söhne Kaiser Wilhelms I.
Entlang der Verzasca, des Flusses, dessen Name auf die Färbung des Wassers zurück geht (»verde acqua« - grünes Wasser) verläuft ein alter Säumerweg. Der Name lässt es erahnen: “Sentierone“, bedeutet so viel wie „langer Weg“, und wer die 23 km lange Strecke auf dem alten Säumerpfad durch das wilde Verzasca-Tal von Tenero nach Sonogno wandert, benötigt eine gute Kondition. Mit einer Marschzeit von zehn bis elf Stunden darf durchaus gerechnet werden. Der Weg ist zwar lang, aber auch leicht und ziemlich eben (ein wenig beschwerlich ist bloss der Abschnitt zwischen Mergoscia und Corippo). Wer weniger lang gehen möchte, kann jederzeit unterbrechen und auf die andere Flußseite wechseln, wo das Postauto fährt.
Die Urgewalt dieser Granitlandschaft, in der Kapellen, Heiligenstöcke und Brücken wichtige Wegmarken darstellen, hat eine Reihe von Künstlern auf den Plan gerufen. Im mittleren Abschnitt des Sentierone zwischen Brione und Lavertezzo säumen dreißig Skulpturen und Landschaftsinstallationen den Weg. Sie nehmen Bezug auf die großartige Gebirgslandschaft, auf die lange Geschichte des Tals und die Einflüsse der Menschen, die es bewohnen. Auch die zweibogige Natursteinbrücke „Ponte dei Salti“, in Lavertezzo lohnt einen Halt. Nur eine niedrige Steinbrüstung begrenzt die Brücke, von der man einen grandiosen Blick in das wilde Bett der Verzasca mit ihren bizarren Felsskulpturen hat. Das Wasser schimmert hier in einem besonders intensiven Tiefblau oder Smaragdgrün. Wie überdimensionierte Edelsteine leuchten die Gneissblöcke im lichtdurchfluteten Wasser. Malerischer Endpunkt der Wanderung ist Sonogno, ein weltabgeschiedenes, zuhinterst im Tal gelegenes Dörfchen mit einem gut erhaltenen Siedlungskern. Es verdankt seine Bekanntheit aber vor allem dem Roman „Die schwarzen Brüder“, worin die Autorin Lisa Tetzner (1894-1963) das tragische Schicksal der Buben aus dem Verzasca-Tal erzählt, die als Kaminfeger nach Italien verdingt wurden.
Wer viel geht, braucht eine gute Grundlage, denn ein leerer Bauch wandert nicht gern. Wenn also der Magen knurrt, dann hat man im Tessin die Qual der Wahl, wo man einkehren will. Viele Köche sind Meister ihres Fachs. Nicht von ungefähr wurden sie für ihre kulinarischen Kreationen von den wichtigsten Gastronomieführern mit Sternen, Kochhauben und Gabeln ausgezeichnet.
Traditionelle Gerichte die es woanders kaum gibt und mit viel Liebe zubereitet, kann man beispielsweise in den romantischen Grotti am Rand der Felsen genießen. Deutschlands Gourmetpapst Wolfram Siebeck war derart begeistert, dass er kurzerhand den Begriff “Grottengut” schuf.
Aber das Tessin ist auch für seinen Wein berühmt. Bereits die Römer sollen hier Reben gepflanzt und Wein gekeltert haben. Heute wird auf den von der Sonne verwöhnten Hügeln auf über tausend Hektaren im Wesentlichen ein charaktervoller, trockener roter Merlot del Ticino (bukettreich, fruchtig und gehaltvoll, harmonisch) produziert, daneben auch milder Merlot, Rosato del Ticino (Rosé) sowie durch schnelles Abpressen ein Merlot bianco.
Es gäbe noch viel zu erzählen vom schönen Tessin – aber was vermögen tausend Worte gegenüber der Wirklichkeit? Nichts: Hinfahren, genießen und staunen – und immer wieder kommen.
Weitere Informationen findet man unter: - www.myswitzerland.com - www.ticino.ch