Man sieht an sonnigen Tagen täglich Menschen zu den Kirchen von Lavant - knapp zehn Kilometer von Lienz entfernt - pilgern. Staunend stehen sie vor den Kirchen der großen christlichen Epochen, in denen bis vor zwei Generationen der Widder geopfert wird, um den Himmel günstig zu stimmen. Genauso wie vor zweieinhalb Jahrtausenden! Vom nahen Virgental ziehen sie damals hierher, keine Strapazen scheuend, immer das prächtige männliche Schaf im Gefolge, das den Tag nicht überleben soll. Nirgends hat sich der heidnische Brauch solange gehalten wie in Osttirol, nirgends ist er noch heute so nachvollziehbar wie gerade hier.
In Lienz fließen Isel und Drau genauso zusammen wie Antike und Moderne, was das soeben eröffnete Fünf-Sterne-Hotel (Grandhotel Lienz) illustriert, direkt an der wild dahinrauschenden Isel gelegen, das einzige dieser Kategorie im Lande. Natürlich von Anfang an alles international: Die Gräfin aus dem nahen Italien, der Fußballer von Dynamo Moskau, der einheimische Kellner, der über seine Freundin in Vietnam erzählt, und sein Kollege aus Berlin, der Ingenieur aus Wien.
Man versammelt sich hier auf der zauberhaften Terrasse zwischen Haus und Fluß oder im bequemen Foyer. Halbpension in der Suite zur Isel höchstens 150 Euro pro Person, doch es gibt auch Arrangements, die man im Hotel erfragen kann. Rundherum ein Weinkeller, Saunen und Pool - und ein „Medical Center”, eine Zusammenschau von Schul- und Komplementärmedizin (Chinesische Medizin, Physiotherapie, Osteopathie). „Eine Spezialität unseres Hauses”, sagt man an der Rezeption.
Genauso wichtig das gigantische Ambiente: Majestätische Berge, die zum Wandern winken, wunderbare Spaziergänge an der Isel (autofrei), die nahe Burg Bruck, in der Bilder von Defregger und Egger-Lienz hängen, eine Kapelle mit prächtigen Fresken aus dem Mittelalter birgt, das mit Bibelszenen und Familienwappen versehene „Fastentuch” (1598) aus dem nahen Virgen - und eine junge Keltin auf ihrem Epitaph. Und schon sind wir mitten im Gruselkabinett der Gegend, das die Kelten lange vor der Römerzeit pflegten, wenn nicht gar installierten. Wir besuchen die benachbarten Orte Lavant, Virgen und Obermauern mit doppeltem Genuß, wenn wir die kulturhistorischen Hintergründe näher betrachten.
Den Bergriegel von Lavant besetzen zwei Kirchen, oben St. Peter und Paul, weiter unten St. Ulrich, an deren Westseite frühchristliche Gotteshäuser ausgegraben wurden. Eine eindrucksvolle Schau, die nicht nur einen Einblick in die Urkirche erlaubt (Hinweistafeln). Es sind nämlich auch Säulen zu sehen, deren Kapitelle das astronomische Zeichen des Sternbildes Widder präsentieren, in dieser Manier nahezu beispiellos. Dazu muß man wissen, das wichtige Fest der Christenheit (Ostern) fällt in der Urkirche immer in das Sternbild Widder, der nichts anderes als das Lamm Gottes ist, das im Mittelalter immer als kleiner Widder dargestellt wird.
Mit Widderhörnern bilden die Menschen Alexander den Großen, den ägyptischen Ammon und den griechischen Zeus ab, in höchstem Ansehen steht das Tier bei den Kelten. Insbesondere bei denen in Osttirol, in deren Heimatblättern noch vor hundert Jahren die Widderprozessionen von Virgen nach Lavant geschildert werden, genauso wie wir sie von den Kelten kennen. Sie finden nachweislich bis 1930 (vielleicht noch darüber hinaus) statt. Man führt einen feisten und mit Blumen geschmückten Widder über Lienz nach Lavant, placiert ihn während des Gottesdienstes neben den Hochaltar - und schlachtet ihn (man redet von „opfern”) anschließend. Die Parallele zum Opfertod Christi ist also unverkennbar.
Solche Widderprozessioen reißen in Osttirol eigentlich nie ab. Noch 1931 berichten die Osttiroler Heimatblätter von dem Umgang der Gläubigen in Obermauern nach Matrei „am Samstag nach Ostern mit Priester und Opferwidder”. Wie es in einem alten Führer heißt, wird in der Kirche von Obermauern der „traditionsreiche Virger Widder verlobt” und dann nach Lavant geführt. Von solchem Spektakel hört man auch in Chrysanthen!
Die Spuren dieses tiefen Aberglaubens sind heute noch sichtbar, und so gleichen die Tage in Lienz einem gewaltigen Abenteuer. Zu unserem Erstaunen finden wir den Widder allüberall. In St. Andre in Lienz entdecken wir es an mehreren Epitaphien, am Himmel der Fronleichnamsprozession, an der Außenmauer, in der Portalhalle (in den Klauen des Drachen) und über dem Tabernakel auf einem versiegeltem Buch, das einem Prozessionswagen gleicht. Dasselbe Genre in den Gotteshäusern von Lavant und Virgen. Und wenn wir schon in diesem schönen Gebirgsdorf weilen, dann lassen wir die Kirche von Obermauern nicht aus, wo mittelalterliche Fresken an die frühchristlichen Heilsgeschehen erinnern und die Verkündigungsszene mit der zur Maria flatternden Schlange aus Tuch schon sehr an die Konzeption des Kaisers Augustus erinnert, deren Mutter Atia während ihrer Andacht von der Schlange Apollos aufgesucht und daraufhin schwanger wurde.
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