Noch werfen die Gipfel des Calanda, des Dreibündenstein und Fürhörnli ihre Schatten auf Chur, da steht der farbenfrohe Arosa Express der Rhätischen Bahn schon zur Abfahrt bereit. Zunächst rattert das Zügli ein Stück weit durch die historische Bischofsstadt am Rhein, läuft sich warm für die knapp 600 Meter, die es binnen einer Stunde durch das noch nebelverhangene Schanfiggtal zu überwinden gilt. Zwischen tiefen Schluchten und beeindruckenden Viadukten, wie der weltweit ersten Stahlbetonbrücke bei Langwies, macht der langsame Express mehrmals Halt. In Litzirüti etwa. Das niedliche Bahnwärterhäuschen mit seinem gravierten Spruch aus Omas Zeiten, der den Reisenden begleiten soll, gleicht einem Märklin Bauset für Modelleisenbahnanlagen. Ein Ausflug in eine andere Zeit, wie es scheint.
Szenenwechsel und Endstation in Arosa. Auf der Kutschfahrt durch die verschneite Landschaft ernüchtern klobige Betonklötze das Bild der alpenländischen Idylle. Hoch über dem Nobelort hat Stararchitekt Mario Botta mit seiner neuen Wellness-Bergoase indessen baulich neue Segel gesetzt und dem Bergdorf gleichsam die architektonische Zukunft beschert, die sich harmonisch in die Landschaft fügt und dennoch bewundernde Blicke auf sich lenkt . Der “Anbau” an das im Stil der 60-iger Jahre an den Berg geklotzte ” Tschuggen Grand Hotel” wirkt wie eine Wiedergutmachung an die einstigen Bausünden. Wie aus dem Fels gewachsen ragen mehrere Lichtsegel bis zu dreizehn Meter in die Höhe und durchfluten die vier Ebenen der unter-irdischen Wellnesslandschaft mit ihren von der Sonne reflektierten Lichtspielen. In der frühabendlichen Dämmerung strahlen die Lichtsegel des “Botta-les-Bains” bis hinunter ins Dorf, wo am Bahnhof der Arosa Express zur Rückfahrt nach Chur wartet.
Bei Wein und Gebäck geht im es Salonwagen des Zuges ganz entspannt zurück ins Zentrum der rätoromanischen Schweiz. Vor 5000 Jahren schon siedelten an dem strategisch wichtigen Ort, wo der Zusammenfluss von Vorder- und Hinterrhein nicht weit ist, die Jungsteinzeitmenschen. Später wählten die Römer die Lage am Fuß wichtiger Alpenübergänge als Militärstation. Im Rhätischen Museum, das über der Altstadt thront, ist die Entwicklung der heute bedeutenden Drehscheibe für den internationalen Bahnverkehrs anschaulich dargestellt. Schon in frühen Jahrhunderten residierte ein Bischof in dem Ort des einstigen Gotteshausbundes. Die Bürgerschaft hatte sich zwar im Spätmittelalter von dem mächtigen Stadtherrn befreit. Doch noch heute profitieren die Churer von dem einzigartigen Kulturdenkmal, der Kathedrale (wird bis Herbst diesen Jahres restauriert), die ihnen die Kirchenfürsten hinterlassen haben.
Nach den Bischöfen sorgte das aufstrebende Zunftwesen für Handel und Wandel in der ältesten Stadt der Schweiz. Wie ehedem herrscht vor allem an Wochenenden Leben und Treiben in der weithin größten Einkaufsmetropole. Die gemütlichen “Beizlis”, die sich in den verwinkelten, autofreien Altstadtgassen wie Perlen an einer Kette reihen, locken dagegen täglich.
Von fast jeder Ecke des überschaubaren Zentrums von Graubünden mit gerade mal 35.000 Einwohnern ist der Bahnhof nicht weit. Während die Fernzüge aus Deutschland, Frankreich und den Benelux-Ländern hier enden, hat die Rhätische Bahn mit dem belieb-ten Glacier- und Bernina Express hier ihre Drehscheibe.
Ganz gleich, in welche Richtung die winterliche Bahnreise von dem Knotenpunkt aus führt, wenn es darum geht, die einzigartige Gebirgslandschaft Zug um Zug zu durchqueren, leisten die Schweizer von jeher Pionierarbeit. So auch auf der Strecke nach Pontresina, wo der Bernina Express über die höchste Alpentransversale ins Engadin kurvt.
In Reichenau, wo sich der Rhein in Vorderrhein und Hinterrhein teilt, beginnt das Domleschg, das romantische Tal der Burgen und Schlösser. Als Ruinen oder auch als Wahrzeichen, wie Schloss Ortenstein, ziehen dutzende der mittelalterlichen Bauten vorbei, bevor in Sils der Blick in die Schynschlucht fällt. Die Wucht des Wassers speist das Zentrum der Hinterrhein-Kraftwerke unten im Tal, das auch für den Strom der Albulalinie sorgt. Und die hat, als weltweit längste Meterspurbahn, gute Chancen dem-nächst in die Unesco-Welterbe-Liste aufgenommen zu werden. Bei der schier atemberaubenden Überquerung der Solisschlucht , denkt man mit Ehrfurcht an den Kraftakt, den der Schienenweg einst erfordert hat. Nach drei wuchtigen Brücken und vierzehn Tunnels folgt mit dem Soliserviadukt der höchste und längste Brückenbau der Rhätischen Bahn.
Gleich nach Tiefencastel, wo die Schienen die Straßen der Julier-, Albula-, Lenzerheide- und Schynroute kreuzen, geht es zügig Richtung Landwasserviadukt. Eisiges Gebirgswasser in sechzig Meter Tiefe rattert die Bahn über die schmale, von mächtigen steinernen Pfeilern getragene Brücke, während in den Panoramawaggons gebannte Stille herrscht. Aus der schwindelnden Höhe taucht die Lok abrupt mit kurzem Pfiff in die Dunkelheit des senkrecht abfallenden Berges ein. Danach naht Filisur. Nach kurzer Verschnaufpause im Bahnhof folgt ein steiler Anstieg. Zwischen den beiden malerischen Engadiner Dörfern Bergün und Preda schraubt sich der Zug durch drei kurz aufeinander folgende Kehrtunnels bergauf. Eine der technischen Meisterleistungen, die eine ganze Armada an Arbeitskräften unter unvorstellbaren Bedingungen zu Wege brachte.
Dann verschwindet der Zug in der Albula Röhre, dem höchst gelegenen Bahntunnel der Alpen. Anschließend lenken die Schienen durch das bedrohlich wirkende Tal der Bever. Längst wurde hier der letzte Bär erlegt. Heute droht eher Gefahr durch Lawinen. Deshalb schützen kurze Abschnitte hoher Mauerwälle den Schienenweg.
Über Bever und Samedan gleitet die knallrote Berninabahn durch die friedliche Winterlandschaft ihrem Ziel Pontresina entgegen. Mit seinen authentischen Engadiner Häusern zeigt sich der historische Ferienort auf 1800 Metern Höhe als beschauliches Gegenstück zum nahen glamourösen St. Moritz. Auch wenn im eher ruhigen Pontresina das Noble den Ton angibt, wie im altehrwürdigen Grand Hotel Kronenhof, so fasziniert das Stilvolle auch bei den jüngsten Erweiterungen des gut 150 Jahre alten Prunkbaus.
Berg- und Naturfreunde zieht es in den erholsamen Ort, der im Winter ein Dorado für Langlaufskifahrer ist. Durch lichte Arven- und Lärchenwälder keucht das Bähnli fünf Kilometer hinauf nach Morteratsch. Am Hotel an der Bahnstation kreuzen sich die Loipen. Wenn die Sonne über den Gipfeln des Morteratsch und Corvatsch strahlt, schnallen die Langläufer ihre Bretter ab und genießen die traumhafte Schnee-landschaft bei einer Jause auf der Hotelterrasse.
Wer höher hinaus möchte, kann mit der Bergbahn auf den Diavolezza gondeln. Zum Greifen nah umgeben den Dreitausender die noch mächtigeren Gipfel des Palü und Piz Bernina. Im ersten Alpinen Sicherheitszentrum, das auf der luftigen Höhe gegründet wurde, legen Lawinenkurslehrer in hautnahen Lektionen nahe: Nach dem Motto “Free Ride, aber sicher” wird der Kick, die gewaltigen Berge im Pulverschnee hinunterzubrettern, zum richtigen Erlebnis.
Wesentlich beschaulicher doch nicht weniger beeindruckend gleitet der Bernina Express durch die verschneiten Höhen zurück in die Täler Graubün-dens, denen der Winter seines weißes Kleid nur zaghaft übergestülpt hat.
Schweiz Tourismus - Tel.: 00800/100 200 30 (kostenlos) - www.MySwitzerland.com
Chur Tourismus - Tel.: 0041- 81 252 18 18 - www.churtourismus.ch
Graubünden Ferien - Tel.: 0041-81-254 2424 - www.graubuenden.ch
Rhätische Bahn , CH-7002 Chur - Tel.: 0041-81-254 9100 - www.rhb.ch