Tortelloni mit Mikroalgen-Füllung? Klingt erstmal exotisch, kann aber schon bald auf unseren Tellern zum Essen animieren. Denn Forschende der Universität Hohenheim experimentieren mit Mikroalgen als neuartigem Lebensmittel. Sie luden dazu Probanden zu einer Verkostungsstudie ein. Auf Reihen von Tellern boten man ihnen lecker aussehende Tortelloni zum verkosten. Allerdings, die Füllungen blieben ein Geheimnis. Es sind - man ahn es schon: Mikroalgen. Ihr Geschmack erinnert an Fisch, an einem für den Markt umsetzbaren Rezept, wird aber noch gefeilt.
Mikroalgen sind ernährungsphysiologisch Einzeller und gelten als wahre Tausendsassas: Denn ebenso wie Meeresfische liefern sie wichtige Omega-3-Fettsäuren und viel Protein, Ballaststoffe, Vitamine und Carotinoide. Und man kann mit dieser Fischalternative nicht nur einer Überfischung der Meere begegnen! Mikroalgen lassen sich regional züchten, was die Transportwege erheblich verkürzt. Zudem binden sie einen Teil des klimaschädlichen Kohlendioxids.
Proteine, wie sie in tierische Quellen, wie Fleisch, Fisch oder Milchprodukte, vorkommen sind zwar in aller Munde, besitzen aber leider auch nachteilige Folgen für Umwelt und Natur. Alternativen sind daher gefragt! Aber, “bisher findet sich auf dem Markt keine wirklich befriedigende Alternative zu Fisch, die auch dessen ernährungsphysiologisch wichtigen Inhaltsstoffe liefert“, weiß Prof. Dr. med. Stephan Bischoff vom Institut für Ernährungsmedizin, der Leiter dieses Forschungsprojekts. „Zwar gibt es bereits proteinreiche Ersatzprodukte, die vor allem aus Hülsenfrüchten wie Erbsen und Soja hergestellt werden. Aber wichtige Inhaltsstoffe tierischer Lebensmittel wie beispielsweise die für unsere Gesundheit so wichtigen Omega-3-Fettsäuren fehlen darin.“
Allerdings, so die wissenschaftlichen Erkenntnisse, könnten Mikroalgen alles bieten, was der Fisch auch hat – und noch viel mehr. Grund genug also, sich mit Phaeodactylum tricornutum intensiver auseinanderzusetzen. Lena Kopp vom Institut für Ernährungsmedizin: “Die getrockneten Mikroalgen weisen neben einem Proteinanteil von fast 50 Prozent in der Trockenmasse auch nennenswerte Mengen der langkettigen Omega-3-Fettsäure Eicosapentaensäure, kurz EPA, auf. Zudem enthalten sie auch wasserlösliche Ballaststoffe, die wichtig für die Darmgesundheit sind, sowie Vitamin E und Carotinoide.“
Und natürlich züchtet man die Einzeller mit dem unaussprechlichen Namen auch schon. Nämlich am am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB in Stuttgart. Dort stehen große beleuchtete Photo-Bioreaktoren, in denen die Algen in einer Nährflüssigkeit wachsen und viel vom wichtigen EPA produzieren. Allerdings nur dann, wenn ihnen genügend Nährstoffe zur Verfügung stehen. Läßt man sie hingegen hungern, bilden sie mehr Ballaststoffe.
Um herauszufinden, ob die Mikroalgen geeignet sind, unseren täglichen Bedarf an Omega-3-Fettsäuren zu decken, erhielten die Probanden jeweils zwei Wochen lang täglich einen Algen-Smoothie. Ergebnis: In ihrem Blut fanden sich nach der Einnahme der Mikroalgen ähnlich hohe Mengen an Omega-3-Fettsäuren wie nach der Einnahme der Fischölkapseln.
Ein kleines Problem gibt es neben, vielen großen, natürlich auc noch: Denn Mikroalgen schmecken und riechen sehr intensiv nach altem Fisch. Man überlegt gerade, ob die Fermentation mit Speisepilzen den Geschmack zu verbessern hilft. „Dies ist eine uralte Zubereitungsart für Lebensmittel, die in Asien weit verbreitet, aber in Europa nahezu unbekannt ist“, erklärt dazu Prof. Dr. Yanyan Zhang von Fachgebiet Aromachemie. „Zwar kennen die Menschen hierzulande die Fermentation von Lebensmitteln, wie beispielsweise bei Joghurt und Sauerkraut, aber dafür werden Bakterien genutzt, keine Pilze.“ Erste vorliegende Ergebnisse zeigen, “… dass diese Pilze tatsächlich die unerwünschten Substanzen abbauen“.
Da sich der Fischgeschmack sehr wahrscheinlich nie ganz verhindern lässt, sieht man das größte Potenzial für Mikroalgen in ihrer späteren Vermarktung als Fischalternativen.
Und daran arbeiten die Forschenden aktuell bereits. Dr. Kopp hat sich dazu selbst in die Küche gestellt und verschiedene Rezepte ausprobiert: „Angefangen haben wir mit Smoothies, die allerdings sehr intensiv nach Fisch schmeckten.“ Nach Flammkuchen und Algen in Blätterteig erhielten in der letzten Verkostungsstudie die Teilnehmenden Tortelloni mit verschiedenen Füllungen, wie veganen Lachs aus Karotten oder Tofu. Eine Füllung mit Bärlauch-Pesto kam bei den Probanden am besten an.
Unterstützung bei der Produktentwicklung gibt es vom Bio-Unternehmen der Brüder Tress aus Hayingen auf der Schwäbischen Alb, das auch an einer späteren Vermarktung der Mikroalgen-Produkte interessiert ist. Na dann, brauchen wir ja bloß noch darauf zu warten, bis sie in den Supermarkt-Regalen angeboten werden.