Zusammen mit der Universität Bremen hat die Techniker Krankenkasse (TK) seit dem Jahr 2013 diese Frage im Rahmen der Innovationsreporte nachgeprüft und dabei 200 neue Wirkstoffe in nunmehr acht Jahren bewertet. Im jetzt veröffentlichten Innovationsreport 2021 zeigt sich deutlich, dass nur 13 Prozent von den prüfenden WissenschaftlerInnen als echte Innovationen eingestuft werden können. 99 der geprüfte “neuen” Arzneimittel, und damit fast 50 Prozent, stellen keine Verbesserung für die PatientInnen dar.
Eine Auswertung von TK-Daten zu in den vergangenen Jahren neu auf den Markt gekommenen Medikamenten zeigt: 62 Prozent der verordneten Tagesdosen sind anhand der Bewertung der Bremer WissenschaftlerInnen nicht innovativ, nur neun Prozent der verordneten Tagesdosen zeigen echte therapeutische Fortschritte.
Vor allem die Preisfindung muss anhand des Reports für neue Arzneimittel neu gestaltet werden. Denn die Ausgaben im Arzneimittelbereich steigen kontinuierlich.
Der Herausgeber des Innovationsreport 2021 Professor Dr. Gerd Glaeske zeigt die Schwachstellen in der Arzneimittelforschung deutlich auf. Beim Blick auf die Gesamtergebnisse sei die Innovationskraft der pharmazeutischen Industrie als dürftig zu bewerten. „Es kommen zu wenig Arzneimittel auf den Markt, von denen Patientinnen und Patienten wirklich profitieren. Dennoch werden die von uns als nicht innovativ bewerteten Medikamente verordnet. Das Missverständnis, das ,neu‘ stets auch ,innovativ‘ im Sinne eines verbesserten Patientennutzens bedeutet, muss endlich ausgeräumt werden. Wir sehen: Der Nutzen von Medikamenten bleibt oft unbestimmt oder marginal, die Preise steigen dagegen exorbitant.“
Eine weitere Zahl aus acht Jahren Innovationsreport zeigt auch den enormen Preisanstieg neuer Arzneimittel um durchschnittlich fast 1.200 Prozent. „Patentgeschützte Arzneimittel sind hierzulande im internationalen Vergleich zu teuer… Ist ein extrem hoher Preis auf diesem Weg erst einmal etabliert, setzt dieser die Marke für die nachfolgenden Medikamente, da die Kosten anhand der Vergleichstherapie bestimmt werden – ein Teufelskreis“, sagt Glaeske. Der Wissenschaftler fordert außerdem, sogenannte Orphan Drugs zur Behandlung von seltenen Erkrankungen nicht länger in der Form zu bevorzugen, dass ihr Zusatznutzen von vornherein als belegt gilt.
Milliardeneinsparungen mit kurzfristigen Maßnahmen wären möglich, langfristig muss man aber zu einer transparenteren Preisfindung kommen, die sich an objektiv nachvollziehbaren Kriterien orientiert.
Neben der Aufhebung der Privilegierung von Orphan Drugs, könnte die Einführung eines Kombinationsabschlags, der als pauschaler Betrag gezahlt wird, wenn Arzneimittel in Kombination eingesetzt werden, sowie die Einführung sogenannter Fokuslisten, helfen Einsparpotenziale von rund zwei Milliarden Euro für die GKV zu generieren.
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