Warum müssen wir gähnen, wenn jemanden in unserer Nähe gähnt? Warum kann Lachen ansteckend sein? Verantwortlich dafür sind die sogenannten Spiegelneurone. Inwiefern diese Spiegelneurone bei Autisten beeinträchtigt sind und welche Therapiemöglichkeiten es gibt, hat Prof. Dr. Ahmed A. Karim, Lehrbeauftragter der SRH Fernhochschule und Leiter der Hochschulzertifikate Wald und Gesundheit und Waldtherapie, zusammen mit einem internationalen Forscherteam aus Deutschland, Frankreich und Australien untersucht.
In den 60er Jahren entdeckte der italienische Gehirnforscher Giacomo Rizzolatti die sogenannte Spiegelneurone in den Gehirnen von Affen, die sowohl aktiv werden, wenn ein Affe eine bestimmte Mimik zeigt, aber auch wenn er diese Mimik in einem anderen Gesicht sieht. „Wenn wir jemanden sehen, der gähnt oder lächelt, werden in unserem Gehirn weitgehend die gleichen Neurone aktiviert, wie wenn wir selber gähnen oder lächeln. Unsere Fähigkeit, Emotionen von Gesichtsausdrücken nicht nur zu erkennen, sondern auch nachzuempfinden, ist eine wichtige Voraussetzung für Empathie und angemessene soziale Interaktionen,“ erklärt der Leiter der Studie Prof. Karim.
Bei Menschen mit Autismus ist diese Fähigkeit jedoch häufig beeinträchtigt. „Kinder, die unter bestimmten Formen von Autismus leiden, vermeiden es, in die Gesichter von anderen zu schauen, sogar in das Gesicht der eigenen Mutter. Auch als Erwachsene haben Autisten oft Schwierigkeiten, Emotionen anhand von Gesichtsmimik zu erkennen,“ so Prof. Karim.
Die Studie Social decision making in autism: On the impact of mirror neurons, motor control and imitative behaviors, hat gezeigt, wie verschiedene Unterformen von Autismus erkannt und therapiert werden können. Manche Patienten, die unter Asperger-Autismus leiden, vermeiden es zum Beispiel während der Kommunikation in das Gesicht des Gegenübers zu schauen und haben erhebliche Schwierigkeiten damit, von der gezeigten Mimik die entsprechenden Emotionen zu erkennen. Die Arbeitsgruppe um Prof. Karim hat hierfür computerbasierte Tests entwickelt, die standardisiert messen können, wie gut Asperger Patienten Emotionen aus Gesichtsausdrücken erkennen können. „Es gibt Patienten, die Emotionen zwar anhand der Mimik erkennen können, aber selbst keine emotionale Mimik zeigen. Bei einer weiteren Unterform von Autismus haben Patienten Defizite in der Wahrnehmung von Temperatur oder zeigen stereotype rigide Verhaltensweisen. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass jede Unterform mit bestimmten neurobiologischen Veränderungen im Gehirn einhergehen,“ so Prof. Karim.
Das Fazit der Studie: „Das menschliche Gehirn ist plastisch veränderbar und durch entsprechendes Training können diese Defizite sowohl in den Spiegelneurone als auch auf Verhaltensebene deutlich gelindert werden. Das haben wir bei vielen unseren Patienten erlebt. Daher gilt es für die weitere Forschung, die diversen Unterformen von Autismus intensiv zu analysieren. Je besser wir die Pathophysiologie dieser Unterformen verstehen, umso mehr können wir künftig maßgeschneiderte Therapien entwickeln,“ erklärt Prof. Karim.