Eine “pragmatische Herangehensweise” an die neuen Bluthochdruck-Zielwerte fordert die soeben erschienene Leitlinie der European Society of Hypertension zum Bluthochdruck. Als „rote Linie“ gilt nun ein Wert von 140/80 mmHg. Es wird aber auch darauf hingewiesen, dass die Werte des einzelnen Betroffenen besser noch darunter liegen sollten. Dabei ist jedoch zu beachten, dass eine niedrigere Einstellung nur für Patienten gilt, die diese auch vertragen. Ist dies nicht der Fall, kann es bei der roten Linie von 140/80 mmHg bleiben. Die neue Leitlinie sollte vor allem von Hausärzten beachtet werden. Sie sind in der Regel diejenigen, die am häufigsten mit betroffenen Patienten in Kontakt kommen.
Bluthochdruck ist in Deutschland mit über 30 Prozent Betroffenen eine der häufigsten Volkskrankheiten. Hohe Blutdruckwerte sollten keinesfalls auf die leichte Schulter genommen werden. Unbehandelt führt Bluthochdruck zu Folgeschäden an Organen, Gefäßen, Herz oder Nieren. Darüber hinaus kann Bluthochdruck auch ein Auslöser für Demenz sein. Bluthochdruck ist also keineswegs harmlos (er tut ja nicht weh!), sondern lebensbedrohlich.
“Deshalb ist es so wichtig, Bluthochdruck frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Aber auf welchen Zielwert? Bisher war die Antwort auf diese Frage komplex, für verschiedene Patientengruppen galten unterschiedliche Werte. Die neue europäische Leitlinie zum Blutdruck gibt nun einen pragmatischen Anhaltspunkt: 140/80 mmHg ist gut, noch besser sind Werte darunter (unter 120/70 mmHg sollte der Blutdruck aber nicht gesenkt werden). Die neue Leitlinie legt also 140/80 mmHg als „rote Linie“ für Erwachsene fest. Ab diesem Wert ist eine medikamentöse Blutdrucksenkung zwingend erforderlich und mit Hilfe von Blutdrucksenkern soll jeder Patient unter diesen Wert gebracht werden. Wenn Betroffene Blutdruckwerte unter 140/80 mmHg erreichen, ist ihr Risiko für Folgeerkrankungen bereits deutlich reduziert, aber verschiedene Studien haben gezeigt, dass das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei einer weiteren Senkung noch etwas geringer ist“.
Die jetzt von der ESH veröffentlichte neue Leitlinie spiegelt erstmals die Behandlungsrealität wider. Denn es hat sich gezeigt, dass die höheren Dosen, die für eine weitere Senkung notwendig sind, nicht nur zu Nebenwirkungen führen können, sondern dass die Patient:innen in der Folge die Medikamente oft gar nicht mehr einnehmen.
Auch die Deutsche Hochdruckliga rät, nicht-medikamentöse Maßnahmen zur Blutdrucksenkung auszuschöpfen. Vor allem für Patient:innen, die blutdrucksenkende Medikamente schlecht vertragen und diese deshalb nicht höher dosiert werden können, um den Blutdruck weiter zu senken, ist eine Änderung des Lebensstils in Bezug auf Bewegung und Ernährung empfehlenswert. „Gewichtsabnahme, gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und Stressreduktion führen zu deutlichen Effekten bei der Blutdrucksenkung, die sich auch noch addieren“, motiviert Prof. van der Giet.
Grundsätzlich muss aber niemand Angst vor einer medikamentösen Therapie haben: Nebenwirkungen sind relativ selten und es gibt viele verschiedene blutdrucksenkende Medikamente, so dass für die meisten Betroffenen eine Behandlungsmöglichkeit gefunden werden kann.
Erstmals werden in der Leitlinie auch Antistresstrainings wie Yoga und autogenes Training empfohlen, zum anderen gibt die neue Leitlinie auch konkrete Ernährungstipps. Dazu gehört eine salzarme, aber kaliumreiche Ernährung, da Kalium blutdrucksenkend wirkt. Kalium ist vor allem in Obst und Gemüse enthalten. Die neue Leitlinie empfiehlt, täglich vier bis fünf Portionen Obst und/oder Gemüse zu essen. „Das ist im Alltag leicht umzusetzen und hat auch über den Blutdruck hinaus positive Auswirkungen auf den Körper“, sagt Prof. van der Giet.
Für das Antistresstraining sollten sich Patienten an ihre Krankenkasse wenden. Fast alle haben ein umfangreiches Kursangebot, die Kosten werden oft zu einem großen Teil von den Versicherungen übernommen. „Werden nicht-medikamentöse Maßnahmen und die Einnahme von Blutdrucksenkern kombiniert, sind Werte unter 140/80 mmHg - und sogar deutlich darunter - für die meisten Betroffenen gut erreichbar“, so der Experte.
Informationen zu Bluthochdruck gibt es auf der Webseite der Deutschen Hochdruckliga