Schwer fassbar, schlecht behandelbar und wer an Tinnitus leidet weiß wie sehr er die Lebensqualität beeinträchtigen kann, vor allem wenn die körpereigenen Ohrgeräusche chronisch werden. An die 10 Millionen Menschen jährlich erkranken an diesem Leiden, bei rund 1,5 Millionen bleibt es dauerhaft bestehen, d. h. es wird chronisch.
Die Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e.V. hat nun genau für diese Patientengruppe die Leitlinien auf den neuesten Stand gebracht und in eine neue, allgemeinverständliche Form gebracht.
Chronischer Tinnitus wird darin so definiert: “Die Ohrgeräusche bestehen seit mindestens drei Monaten und belasten die Betroffenen”. Besonders in Bezug auf die Wahl der Therapie sollte zwischen akut oder chronisch unterschieden werden.
Mit einer umfangreichen Diagnostik können Ursache, Belastung und Schweregrad des Tinnitus genau definiert, der fast immer dem Tinnitus zugrundeliegende Hörverlust bzw. die Schwerhörigkeit erfasst und entsprechende Therapien eingeleitet werden. Da es bei chronischem Tinnitus auch zu weiteren physischen und psychischen Belastungsstörungen wie Angstzuständen, Schlaf- und Konzentrationsstörungen sowie Depressionen kommen kann, ist deren Erfassung im Gespräch und mittels eines standardisierten Tinnitus-Fragebogens durch die Betroffenen bedeutsam. Dabei werden der Belästigungsgrad der Ohrgeräusche und, weniger bedeutsam, die subjektiv empfundene Lautheit des Ohrgeräusches erfasst. Diese persönlichen Daten zu Empfindungen der Patientinnen und Patienten sind auch für die Verlaufskontrolle der Therapie wichtig.
Die Therapieempfehlungen bei chronischem Tinnitus zielen darauf ab, die Belastungen langfristig zu reduzieren. Dabei stehen Techniken im Fokus, die die Betroffenen in die Lage versetzen, mit dem Ohrgeräusch umzugehen, um so eine langfristige Desensibilisierung oder gar Reduktion der Belastung dauerhaft zu erreichen. „Der wichtigste Ausgangspunkt und Basis jeder Therapie sollte dabei die Diagnostik-gestützte Beratung und Aufklärung, das sogenannte Tinnitus-Counselling, sein“, erklärt Professor Dr. med. habil. Gerhard Hesse, Leiter der Tinnitus Klinik, Bad Arolsen. Ziel ist es, die Betroffenen mittels Counselling zu einem informierten Umgang mit dem Ohrgeräusch zu ermuntern, um damit besser leben zu können.
Erstmals wurden in der Leitlinie auch nicht geeignete Empfehlungen aufgelistet, denen es an Evidenz mangelt. „Dies ist eine wichtige Hilfestellung für die Patientinnen und Patienten, die im Internet mit einer Vielzahl von Maßnahmen konfrontiert werden, die nicht zielführend sind“, so Professor Dr. med. Birgit Mazurek, Direktorin des Tinnituszentrums an der Charité, Berlin.
Da es keine Wirksamkeitsnachweise für Nahrungsergänzungsmittel und andere (vor allem im Internet angebotene Medikamente, Anm. d. Red.) gegen Tinnitus im chronischen Stadium gibt, werden auch diese nicht empfohlen, zumal erhebliche Nebenwirkungen auftreten können.
Nicht darunter fallen ärztlich verordnete Medikamente gegen Schlaf- und Angststörungen oder Depressionen zu, die bei Tinnitus häufig auftreten können, und die einer fachgerechten Behandlung einschließlich einer medikamentösen Therapie bedürfen. „
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) erhofft sich mit dieser neuen Leitlinie eine allgemeinverständliche Orientierung geben können, welche Therapien bei Tinnitus tatsächlich eine Besserung bewirken können.
Quelle: 27.10.21, Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie e. V. (DGHNO-KHC)
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