Verändert sich das Erbgut spricht man von mutieren, d.h. es verändert, verwandelt sich. Doch nicht nur das Erbgut, auch Viren können das - sich verändern nämlich. Und genau dies zeigt uns das Corona-Virus. Wer hoffte, mit den entwickelten Impfstoffen sei das Virus besiegt, der irrte sich. SARS-CoV-2, besser bekannt als Corona-Virus oder auch Covid-19, lehrte uns, was so ein unsichtbares Virus alles kann. Sich x-fach verändern beispielsweise - es mutiert gerade, wie es im gefällt. Und das macht die Bekämpfung der Pandemie nicht gerade einfacher. Denn leider steigt mit den Mutationen auch die Gefahr der Sterblichkeit.
Unsere Autorin hat mal zusammengetragen, welche Mutanten derzeit weltweit im Umlauf sind und was wir darüber wissen.
Im Leben eines Virus sind Mutationen absolut normal. Ein Teil der Mutationen geschieht rein zufällig. Dabei verändert sich das Erbgut des Virus um sich besser an seine Umwelt oder deren veränderten Bedingungen anzupassen. Bei unserem Coronavirus wurden inzwischen über 300.000 unterschiedliche Mutationen nachgewiesen; viele davon ohne nennenswerten Einfluss auf den Menschen. Gefährlich werden Mutationen dann, wenn das Virus durch sie einen selektiven Vorteil gewinnt: es kann schneller in die Wirtszelle eindringen oder es kann den Immunzellen des Körpers besser aus dem Weg gehen. Und schließlich gibt es die sogen. Fluchtmutationen. Die treten oft dann auf, wenn das Virus keinen Wirt mehr hat oder findet, in welchem es sich vermehren oder einfach verstecken kann. Das kann z.B. nach der Gabe von Impfstoffen passieren.
Im Gegensatz zu Bakterien brauchen Viren einen Wirt, z.B. die menschliche Zelle um, um zu überleben und sich zu vermehren. Und hier gilt, wie überall im Leben das Darwinsche Gesetz – nur wer stark genug ist und Ausweichmöglichkeiten hat, überlebt. Bei der Vermehrung wird das Erbgut, (Genom) kopiert. Bei diesem Kopiervorgang passieren immer wieder Fehler, kleinere oder größere; die dabei entstandenen Veränderungen werden Mutationen genannt. Damit kann sich das Virus der körpereigenen Immunüberwachung problemlos entziehen und oft leider auch der Wirkung von Impfstoffen oder antiviralen Medikamenten.
Im Verlauf einer Infektion mit SARS-CoV-2 docken körpereigene Antikörper direkt an die Viren an, um sie unschädlich zu machen, während die T-Killerzellen virale Eiweißfragmente aufspüren und abtöten. Damit wird im Regelfall die Virusproduktion gestoppt. Durch Mutation, bei welcher sich das Spike-Protein verändert, kann das Virus nun geschickt den Antikörpern ausweichen während es gleichzeitig für die T-Killerzellen unkenntlich wird. Damit ist die körpereigene Immunreaktion erschwert oder kommt sogar zum erliegen.
Mutationen sind also nichts anderes, als Schreibfehler im Erbgut (Genom, RNA) der Viren wenn diese kopiert wird. Als Folge entstehen Virusformen mit neuen Eigenschaften. Wenn diese Eigenschaften dem Virus nicht mehr von Nutzen sein können, mutiert es weiter, es entstehen wieder neue Formen. Im schlimmsten Fall Supermutanten, bei denen nicht nur die körpereigene Immunantwort versagt, sondern auch Impfstoffe.
Genau dies ist bei Sars-CoV-2 passiert. Aus der ursprünglichen Virusform, dem Wildtyp, sind weitere Formen durch Mutation entstanden. Die Benennung dieser Varianten bezieht sich auf die Stellen der RNA, an denen sich die relevanten Mutationen befinden. Vier der Mutanten sind von Bedeutung, weil stark verbreitet. Drei davon wurden vom ECDC (European Centre for Disease Prevention and Control), dem Europäischen Zentrum für Prävention und Kontrolle von Krankheiten als besorgniserregend gelistet. Sie alle führen zu Covid-19. Und alle besitzen mehr als eine Mutante.
B.1.1.7 – die „britische“ Variante wurde im September 2020 bei Patienten in Großbritannien entdeckt und gilt als deutlich ansteckender als der Wildtyp, den es immer mehr verdrängt. B.1.1.7 breitet sich extrem schnell aus und ist seit März 2021 auch bei uns dominant.
Mittlerweile ist in Großbritannien eine weitere Mutante aufgetreten B.1.1.7 E484K, eine Kombination aus der britischen und südafrikanischen Variante, bei welcher die vorhandenen Impfstoffe wohl nicht wirksam sind. Beunruhigender ist aber, dass B.1.1.7 weiter mutiert ist. Zu B.1.525, einer Variante, die durch Antikörper noch weniger angreifbar ist.
B.1.351 – die „südafrikanische“ Variante. Infektionen mit B.1.351 wurden im Dezember 2020 aus Südafrika gemeldet. Auch diese Variante ist ansteckender als der Wildtyp. Auch bei ihr wurden mittlerweile mehrere, bislang nicht genau definierte Mutationen im Spike-Protein festgestellt. B.1.351 wurde weltweit in rund 40 Ländern nachgewiesen; in Deutschland gab es Fälle im Saarland. Besorgniserregend ist der Hinweis, dass auch Menschen infiziert werden können, die bereits erkrankt waren.
P.1, die „brasilianische“ Variante, auch als B.1.1.28 bekannt, ist während der ersten Jahreshälfte 2020 in Brasilien aufgetreten und hat sich weltweit in 20 Ländern, auch in Deutschland, verbreitet. P.1 hat genetische Ähnlichkeiten mit der südafrikanischen Variante B.1.351. Es wird vermutet, dass P.1 die Immunantwort des Körpers abschwächt, sowohl bei Genesenden als auch bei Geimpften.
CAL.20C – die „kalifornische Variante“ wurde zum ersten Mal im September 2020 nachgewiesen. Genetisch ist sie durch 5 Mutationen gekennzeichnet, drei davon im Spike-Protein. Problematisch ist diese Mutante, weil sie in Kombination mit der südafrikanischen B.1.351 auftreten kann, wobei es dann zu neuen Virusvarianten kommt, die die Wirkung aller verfügbarer Impfstoffe unterlaufen.
Die neueste Mutation Fin-796H wurde in Finnland Mitte Februars entdeckt. In ihr wurden Merkmale der Mutationen aus Großbritannien und Südafrika gefunden. Aufgrund seiner mutierten Gensequenzen vermuten finnische Forscher, dass diese Mutation mit gewöhnlichen PCR-Tests nicht erfasst werden kann.
Von allen Mutanten weiß man, dass die Veränderungen im Bereich des Spike-Proteins stattgefunden haben. Mit dem Spike-Protein dockt das Virus an Körperzellen an und verschafft sich Einlass. Wird dieses Eiweißmolekül (das Spike-Protein also), verändert hat das mutierte Virus freie Fahrt – bildlich gesprochen kann es nun mit einem genau passenden Schlüssel schneller in die menschliche Zelle eindringen. Momentan scheint es so, dass SARS-CoV-2 immer weiter mutiert. um sich allen Bemühungen, seine Infektiosität und damit diese Pandemie in den Griff zu kriegen, zu entziehen.
Nach einem aktuellen Forschungsprojekt der New Yorker Rockefeller Universität ist momentan allerdings nicht davon auszugehen, dass das Virus beliebig viele neue Mutationen bilden kann. Denn, so die Forscher, sind bei allen Mutanten die gleichen Mutationen (K417E, N501Y, E484K), an den gleichen Stellen des Spike-Proteins festgestellt worden. Es ist daher möglich, dass bereits alle relevanten Mutationen entdeckt wurden.
Genau das wünschen und hoffen wir uns alle.