Beim Fachkräftemangel in der Gesundheitsbranche spricht man hauptsächlich von Pflegepersonal. Doch auch Fachmediziner*innen fehlen in vielen Teilen Deutschlands. Weder auf dem Land noch in den Metropolen sind in Anbetracht des demographischen Wandels ausreichend Ärzte vorhanden.
Sieht man die Ausschreibungen für Oberarzt Stellenangebote durch fällt schnell auf, dass einige Angebote schon seit längerer Zeit auf eine Besetzung warten. An der Bezahlung liegt es nicht, denn als Oberarzt in einer renommierten Klinik stellt die Honorierung kein Problem dar. Woran liegt es, dass es in vielen Regionen der Republik an Fachärzten mangelt und dass Kliniken händeringend nach Oberärzten, Assistenzärzten und Fachärzten in verschiedenen Bereichen suchen? Die Ergebnisse repräsentativer Umfragen sprechen für sich und zeigen auf, dass die Bürokratie und der Fachkräftemangel selbst das Problem sind.
Heute haben Ärzte kaum noch Zeit für Patienten, weil sie eine Großteil ihrer täglichen Arbeitszeit in die Abwicklung bürokratischer Modalitäten investieren müssen. Dass dieser Zustand scharf kritisiert wird ist ein Grund dafür, warum es an Fachkräften mangelt und warum immer weniger Ärzte ihre Karriere im Klinikalltag starten. Rund 90 Prozent der befragten Allgemeinmediziner und Fachärzte geben an, dass sie sich eine Reduzierung des Verwaltungsaufwands wünschen. Denn nur wenn die Bürokratie sinkt, bleibt ausreichend Zeit für die Patienten und ihre Bedürfnisse. So lange die Bürokratie den beruflichen Alltag bestimmt, können pro Tag weniger Patienten behandelt werden.
Die Alternative dazu wäre nur ein Arzt-Patienten-Gespräch, das von kurzer Dauer ist und in dem gerade ältere Menschen nicht erläutern können, warum sie einen Arzt aufsuchen und wo sie Unterstützung benötigen. Für einen Großteil aller Medizinier ist das eine Praktik, die gegen ihre persönliche Einstellung und die Vorstellung vom Beruf - der Berufung - als Arzt geht.
Ein Großteil der praktizierenden Ärzte spricht sich für Senkungen des Verwaltungsaufwandes aus. Wenn die Bürokratie weniger Zeit in Anspruch nehmen würde, bliebe mehr Zeit für die Patienten. An dieser Stelle muss der allgemeine Fachkräftemangel im Gesundheitswesen angesprochen werden. Es fehlt in allen Bereichen und das ist der Hauptgrund dafür, dass Fachärzte die Bürokratie nach ihrer täglichen Arbeit mit den Patienten selbst abwickeln müssen. Gerade im Klinikbereich sind Ärzte oft überlastet, da sie täglich einige Überstunden leisten und auf die notwendigen Ruhepausen verzichten müssen.
Der Gedanke an eine Überlastung und zu lange Arbeitszeiten hält junge Fachkräfte wiederum davon ab, in einer Klinik zu arbeiten und vor der eigenen Praxis breit gefächerte Erfahrungen zu sammeln. So lange sich die Verwaltung im medizinischen Bereich nicht reformiert, wird der Fachkräftemangel in der Gesundheitsbranche anhalten und im Lauf der Jahre noch besorgniserregender werden. In den Medien berichtet man, dass es zum Beispiel keine Mediziner mit Niederlassungsbereitschaft in den ländlichen Regionen gibt. Doch diese Information ist falsch, denn die Niederlassungsbereitschaft hat sich in den letzten Jahren nicht verändert. Vielmehr ist der Beruf des Landarztes aus dem Grund des enormen Verwaltungsaufwands und den infrastrukturellen Problemen für mitgezogene Familienmitglieder uninteressant geworden. Es gibt durchaus Allgemeinmediziner und Fachärzte, die gerne im ländlichen Raum praktizieren würden. Doch wenn die örtlichen Gegebenheiten nicht stimmen und wenn die Tätigkeit auf dem Land mehr Stress als Freizeit bedeutet, sucht man junge und dynamische Ärzte vergebens.
Mit dem Wissen, dass sich die Einsatzzeiten im Arztberuf nicht nach der inneren Uhr richten, steht für viele Medizinstudenten ein Job im Klinikalltag außer Frage. Doch das ist nur ein Punkt, der Young Professionals davon abhält, den klassischen Weg zu gehen und vor der Praxiseröffnung Erfahrungen in Krankenhäusern zu sammeln. Noch schärfer wird die Bürokratie kritisiert, die Ärzten das Leben erschwert und die dafür sorgt, dass man kaum Zeit für den einzelnen Patienten hat, da man vor dem nächsten Patienten Akten führen und den Beratungs- und Behandlungsablauf dokumentieren muss. Der Mangel an Fachkräften im Gesundheitsweisen bedingt sich gegenseitig. Fehlendes Pflegepersonal führt zu einer Überlastung der Ärzte, die wiederum dazu führt, dass Pflegekräfte Angst vor gravierenden Einschränkungen im Privatleben und einem sprichwörtlichen Leben für den Beruf haben.
Das Hauptaugenmerk sollte auf den Bedürfnissen und auf der Gesundheit der Menschen liegen, die sich um die Gesunderhaltung und um die Heilung ihrer Patienten kümmern. Ein überlasteter Arzt, der bis in die Nacht mit dem Ausfüllen von Unterlagen beschäftigt ist, ist ein schlechtes Beispiel für Patienten, denen er Ruhe und Entspannung “verordnet”.
Unser Gesundheitssystem ist veraltet. Dem gegenüber schreitet die demographische Veränderung unaufhaltsam voran. Schon vor mehr als einem Jahrzehnt hätte es einen Wandel geben sollen, der allerdings ausblieb und de in die Situation geführt hat, in der sich das deutsche Gesundheitsweisen heute befindet. Um den Fachkräftemangel in der Gesundheitsbranche zu bekämpfen und junge Ärzte zu motivieren, müssen einige grundlegende Veränderungen erfolgen. Eine Arbeitszeitverkürzung für Fachärzte im Klinikalltag steht außer Frage. Eine Verringerung der Verwaltungsverantwortung und der Bürokratie würde mehr Zeit für Patienten schaffen und dazu führen, dass gut bezahlte und in den besten Regionen befindliche Ausschreibungen für Fach- und Oberarztstellen nicht unbeachtet blieben. Für über 90 Prozent aller in medizinischen Berufen tätigen Menschen steht der Patient im Vordergrund. Doch das ist mit dem aktuellen Gesundheitssystem nicht vereinbar.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass praktizierende Allgemeinmediziner und die Pflegekraft deutlich mehr leistet, als es das “Menschenmögliche” hergibt. Dass die Berufe, die eigentlich eine Berufung sind von jungen Menschen kaum noch ergriffen werden, beruht genau auf dieser Problemstellung. Die Work-Life-Balance ist in medizinischen Berufen nur eine Wunschvorstellung, die sich im Alltag nicht realisieren lässt. Um der Problematik des Fachkräftemangels effektiv entgegen zu wirken, muss die Politik an der Wurzel beginnen und das veraltete Gesundheitssystem neu überdenken. Auch Fachärzte aus anderen Ländern sind durchaus willkommen und eine Lösung. Doch sollte man hier der sprachlichen Ausbildung Beachtung schenken und dafür sorgen, dass Arzt-Patienten-Gespräche ohne Barriere stattfinden können.
Fazit: Es ist ein Kreislauf, der nun an einer Stelle unterbrochen werden muss. Der Mangel an Pflegepersonal zieht den Fachkräftemangel im Facharztbereich nach sich. Praktizierende Fachärzte müssen die Zeit für Patientengespräche verkürzen, da der bürokratische Aufwand sonst nicht zu bewältigen ist. Dazu kommt die demographische Entwicklung, die unaufhaltsam voranschreitet. Wenn jetzt keine Umkehr stattfindet, könnte der Fachkräftemangel in Krankenhäusern und im Facharztbereich perspektivisch zu gravierenden Einschränkungen in der medizinischen Versorgung führen. Um das Problem zu beheben, muss man an der “Wurzel” beginnen und dort für eine Work-Life-Balance in allen medizinischen Berufen sorgen.
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