Ein Thema, leider nicht erst seit der Pandemie. Schon vor den Corona-Lockdowns, aber vor allem während dieser, nahmen Online-Glücksspiele im Netz stetig mehr Raum ein. Werbung, Sponsoring oder verschiedene Medienkanäle, alles wurde geradezu überfrachtet mit der Lockung der Menschen am Bildschirm auf den schnellen Kick. Einfach mal schnell zwischendurch sich den Kick beim Online-Poker etc. etc. geben und vielleicht sogar damit reich werden. Die Folge davon ist die Zunahme jener Menschen mit Spielproblemen.
Bereits 2004 wurde von der Universität Hohenheim die Forschungsstelle Glücksspiel als wissenschaftliche Einrichtung gegründet. Dort untersucht man die verschiedenen Aspekte des Glücksspiels nicht nur interdisziplinär, sondern auch nach wissenschaftlichen Methoden. Bereichen wie Wirtschaft, Soziologie, Psychologie, Recht usw. werden dazu gebündelt genutzt.
„Durch die allgegenwärtige Werbung werden auch Kinder und Jugendliche schon früh an das Thema herangeführt. Als Erwachsene könnte es für sie selbstverständlich sein, zum Beispiel an Sportwetten teilzunehmen“, glaubt Dr. Steffen Otterbach, Leiter der Forschungsstelle, im Vorfeld des 20. Glücksspiel-Symposiums. Es findet vom 14. bis 15. März 2023 in hybrider Form statt.
Schon lange vor dem in Kraft treten des Glücksspielstaatsvertrag im Sommer 2021 hat die Digitalisierung hält in allen Bereichen des täglichen Lebens Einzug gehalten. Anbieter von Online-Glücksspielen, wie beispielsweise Online-Sportwetten oder virtuelle Automatenspiele, können unter gewissen Auflagen eine Erlaubnis zum Veranstalten dieser Spiele erhalten.
Zwar hat der erwähnte Glücksspielvertrag das erklärte Ziel “… das Entstehen von Glücksspiel- und Wettsucht zu verhindern sowie die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen. Zugleich wurde aber auch Werbung für Glücksspiele und Wetten vermehrt zugelassen…”.
„Nicht nur in den sozialen Medien ist Werbung für Glücksspiele und insbesondere für Online-Sportwetten sehr präsent“, hat Dr. Otterbach beobachtet. Letztendlich mündet die starke Präsenz in verschiedenen Medienkanälen nach Einschätzung des Experten in eine gewisse Normalisierung: „Die ständige Verknüpfung beispielsweise von Fußballspielen mit der Sportwette führt dazu, dass es irgendwann selbstverständlich geworden ist zu wetten… Zudem führt eine laufende Wette zu einem noch stärkeren Kick beim Mitfiebern mit der eigenen Mannschaft und zu einer stärkeren emotionalen Beteiligung der Wettenden. Auf lange Sicht können Glücksspiele so als etwas ganz Alltägliches, als eine Art Freizeitbeschäftigung wie jede andere auch wahrgenommen werden“, so Dr. Otterbach.
Vor allem Kinder und Jugendliche sind besonders gefährdet, wie eine Untersuchung von Dr. Raffaello Rossi von der Universität Bristol zeigt. In Großbritannien ist Glücksspielwerbung auf Twitter für Kinder und Jugendliche stark und deutlich ansprechender ist als für Erwachsene. Allen vor an sind sogenannte E-Sport Wetten und Content Marketing besonders attraktiv für die Gruppe, da sie bei unter 25-Jährigen starke positive Emotionen hervorrufen.
„Zwar ist die Teilnahme an Glücksspielen in Deutschland erst ab 18 Jahren erlaubt, dennoch begegnet Kindern und Jugendlichen in den sozialen Medien ein hohes Maß an Werbung dafür“, weiß Andrea Wöhr, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Forschungsstelle. „Influencer:innen vermitteln ihren Followern, dass Glücksspiel ein völlig harmloses und Spaß bringendes Hobby ist.“ Nicht immer sei diese Form der Werbung mit Warnhinweisen oder Hinweisen zur Altersbegrenzung versehen. Jugendliche würden so schon früh mit Glücksspielen und Sportwetten vertraut gemacht. Und: „Online-Glücksspiele kann man rund um die Uhr immer und überall spielen“, so Dr. Otterbach.
Für Wissenschaft und Politik ist unter anderem ein besonderer Schutz der Spielenden wichtig. Vor allem im Internet gibt es wenig bis gar keine soziale Kontrolle über das Spielverhalten von Einzelnen. Schon aus diesem Grud fordert der Staatsvertrag eine Überwachung auf wissenschaftlicher Basis.
Dr. Otterbach von der Uni Hohenheim: „Durch algorithmenbasierte Systeme kann auffälliges Verhalten frühzeitig erkannt werden. Beim Online-Glücksspiel kann das Spielverhalten sehr genau beobachtet und ausgewertet werden, weil sämtliche Aktivitäten der Spielenden mitprotokolliert werden.“
Möglich könnte dies über eine trainierte Software werden, die auffällige Spielende identifiziert und den Anbietern meldet, um dann entsprechende Maßnahmen bis hin zur Spielersperre treffen zu können. „Hier ist die Wissenschaft gefragt, die dahinterliegenden Algorithmen aktuell zu halten und ständig zu optimieren, so dass niemand durchs Raster fällt, aber auch nicht unnötig gesperrt wird“, so Dr. Otterbach weiter. Die Überwachung durch Algorithmen hat Vorteile für den Schutz der Spieler:innen, muss jedoch auch hinterfragt werden. Wie viel Kontrolle ist dabei richtig und wichtig?
Am 14. und 15. März 2023 stattfindende Symposium beleuchtet daher nicht nur den aktuellen Stand der Forschung, sonderne auch aktuelle Themen und will auch den Dialog zwischen allen Gruppen fördern, also zwischen legalen Anbietern, Politik, Regulierungsbehörden, Anwält:innen, Suchtexpert:innen und Therapieeinrichtungen, den von Glücksspielproblemen Betroffenen und natürlich der Wissenschaft.
Teilnehmen kann man sowohl vor Ort als auch digital per Live-Stream. Programm, Anmeldung und weitere Informationen unter.
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