Deutschland besitzt ein strenges Arzneimittelgesetz, das neue Medikamente erst nach diversen klinischen Studien auf Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit zulässt. Zuständig für diese Zulassungsverfahren ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), das dem Medikament dann eine genaue Zulassungsnummer zuweist.
Für die genannten Mittel gibt es zwei Möglichkeiten, den deutschen Markt zu erobern:
Möchte der Hersteller eine Zulassungsnummer bekommen, um sein Produkt für ein bestimmtes Anwendungsgebiet verkaufen zu können, so muss er laut Arzneimittelgesetz dessen Wirksamkeit nachweisen. Für die genannten Mittel sind die geforderten Wirksamkeitsbelege aber deutlich weniger streng als für chemisch-synthetische Arzneimittel. Der Hersteller muss nicht unbedingt eigene Studien vorlegen, sondern kann sich auch auf bereits bestehende Bewertungen mit vergleichbaren Mitteln beziehen. Zusätzlich gibt es bei pflanzlichen Mitteln die Möglichkeit, sich auf das „well-established use“ (gut etablierter Gebrauch) zu berufen, um eine Zulassungsnummer zu bekommen. Dies geht immer dann, wenn das Mittel seit mindestens 10 Jahren in der EU in Gebrauch ist und ausreichend Daten zu Qualität und Sicherheit vorliegen.
Verzichtet der Hersteller auf die Angabe eines bestimmten Anwendungsgebietes, so kann er auch auf eine Zulassungsnummer verzichten. Lediglich eine Registrierungsnummer wird dann durch die zuständige Behörde vergeben. Das gesamte Prozedere geht relativ einfach:
Bei pflanzlichen Mitteln mit dem Vermerk auf der Packung „Dieses Arzneimittel ist ein traditionelles Arzneimittel, das ausschließlich aufgrund langjähriger Anwendung für das Anwendungsgebiet registriert ist“, kann der Hersteller auf jegliche wissenschaftliche Studien verzichten. Traditionelle pflanzliche Arzneimittel, die seit mind. 30 Jahren angewendet werden und bislang als unbedenklich gelten, können somit problemlos in den Handel gebracht werden.
Homöopathische und anthroposophische Arzneimittel benötigen ebenfalls nur einen Nachweis der Unbedenklichkeit und eine Qualitätsprüfung z. B. auf den Verdünungsgrad. Ob die Mittel überhaupt eine Wirkung haben, muss nicht nachgewiesen werden! Einen eindeutigen Vermerk auf der Verpackung gibt es ebenfalls nicht!
Im Allgemeinen geht ein Kunde davon aus, dass seine in der Apotheke erworbenen „Arzneimittel“ auch eine positive Wirkung auf seine körperlichen Beschwerden haben. Der Laie weiß in der Regel nicht, dass Wirksamkeitsprüfungen nicht für alle Mittel vorgeschrieben sind und die Kennzeichnung ist viel zu „schwammig“!
Ende 2016 hat die Wettbewerbsaufsicht der USA dem etwas entgegengesetzt. Homöopathische Mittel müssen seither folgenden Hinweis tragen (sinngemäß): „Es gibt keine wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit und die Anwendung stützt sich auf eine Theorie aus dem 18. Jahrhundert, die von den meisten modernen medizinischen Experten nicht akzeptiert wird.“
In Deutschland und Europa wartet der Verbraucher bisher vergebens auf eine eindeutige Kennzeichnung. Gerade ältere Präparate ruhen sich auf ihren Bestandsschutz aus, da bereits zugelassene Mittel auf dem Markt bleiben dürfen, selbst wenn neuere, unabhängige Untersuchungen ihnen keinerlei Wirkung zuschreiben, z. B. Ginko bei Tinnitus oder Durchblutungsstörungen in den Beinen.
Aktuelle Erkenntnisse kann das BfArft aber nur dann durchsetzen, wenn Firmen eine Neuzulassung beantragen!
So sind nach einer Statistik des BfArft derzeit mehr als 7.000 Präparate im Handel. Und dieser Markt ist auch lukrativ: Allein von Präparaten mit Ginko wurden 2014 in Apotheken 3 Mio. Packungen für mehr als 200 Mio. Euro verkauft.
Greift man bei kleineren „Weh-Wehchen“ zum traditionellen Präparat, richtet man zumeist keinen Schaden an. Manchmal versetzt der Glaube ja Berge. Gefährlich wird es immer dann, wenn Patienten sich bei ernsten Krankheiten auf ihre Kügelchen, Tröpfchen oder Extrakte verlassen. Beispielsweise erhoffen sich Menschen mit Herzbeschwerden von Weißdorn eine Besserung. Neuere Untersuchungen zeigen, dass das traditionelle, pflanzliche Präparat KEINE positive Wirkung bei einer Herzschwäche hat!
Immer noch wird ein Arzt in vielen Fällen zu spät aufgesucht - mitunter mit lebensbedrohlichen Auswirkungen.