Mittelohrentzündungen werden oftmals mit Antibiotika behandelt, insbesondere wenn Babys und Kleinkinder betroffen sind. Gegenwärtige Medizingeräte zur Diagnose der Krankheit sind Jahrzehnte alt, daher sind die Befunde subjektiv und ineffektiv. Die diagnostischen Fehlerraten betragen im Durchschnitt 50 Prozent, insbesondere bei der Unterscheidung zwischen bakteriellen und viralen Infektionen. Viele Kinder bekommen daher unnötigerweise Antibiotika verschrieben, was langfristig zu dem weltweit wachsenden Problem der Antibiotikaresistenz beiträgt. Ein neuartiger Ultraschallwandler des Fraunhofer-Instituts für Photonische Mikrosysteme IPMS kann dieses Dilemma beheben: Die luftgekoppelte Ultraschalltechnologie ermöglicht eine präzise Diagnose von Mittelohrinfektionen, auch Otitis media genannt.
In den USA wurde die Technologie bereits in klinischen Studien genutzt, Ärzte und Kinderärzte werden sie zur Untersuchung des äußeren Gehörgangs verwenden können. Das entwickelte Otoskop lässt sich der Bereich hinter dem Trommelfell in Sekunden analysieren. So lässt sich feststellen, ob das Mittelohr Luft oder Flüssigkeit enthält. Diese kann charakterisiert werden – Kinderärzte sind infolgedessen in der Lage, zwischen verschiedenen Erkrankungsstadien zu unterscheiden, wodurch eine zielgerichtete Behandlung ermöglicht wird.
»Das klassische Otoskop ist ein optisches System, das seit Jahrzehnten nicht weiterentwickelt wurde. Mit unserem integrierten Ultraschallwandler, der zugleich Sender und Empfänger ist, erhält das Gerät eine erweiterte Funktionalität«, sagt Dr. Sandro Koch, Wissenschaftler am Fraunhofer IPMS in Dresden. Der Wandler sendet Ultraschallimpulse aus und erfasst das Echo, das vom Trommelfell reflektiert wird. Der Arzt bekommt daraufhin ein Messergebnis, das ihm Informationen über den Entzündungsgrad liefert.
Der Ultraschallwandler, ein sogenannter CMUT (capacitive micromachined ultrasonic transducer), basiert auf speziellen, am Fraunhofer IPMS etablierten MEMS-Technologien…zeichnet sich durch einen geringen Stromverbrauch aus und lässt sich kostengünstig in Großserie produzieren. Ein weiteres Plus: »Im Gegensatz zu herkömmlichen Piezo-Ultraschallwandlern kann unser MEMS-Wandler sehr klein gebaut werden…
Die Anwendungsmöglichkeiten des MEMS-Wandlers beschränken sich nicht auf die Medizintechnik. Beispielsweise lässt sich der Ultraschallwandler zur Gestensteuerung in Smartphones oder Tablets verbauen oder zur Steuerung von Infotainmentsystemen im Fahrzeuginnenraum nutzen. In der Robotik kann er etwa zur Abstandsmessung eingesetzt werden.