Gerät der Hormonhaushalt außer Takt, wenn also nicht nur der Zyklus ausbleibt und die Libido nachlässt, sondern zudem die Brust plötzlich Milch bildet und Frau trotz aller Bemühungen nicht schwanger wird, könnte ein gutartiger Tumor an der erbsengroßen Hypophyse, ein sogenanntes Prolaktinom der Grund dafür sein. Denn Prolaktine schütten das gleichnamige Schwangerschaftshormon in die Blutbahn aus und führen zu einem erhöhten Prolaktinspiegel. Der auch bei Männern mögliche, aber äußerst selten auftretende Tumor betrifft vor allem Frauen im gebärfähigen Alter.
Dopamin wird im zentralen Nervensystem gebildet und hemmt die Prolaktin-Ausschüttung. Dopamin-Agonisten sind Medikamente, die im Gehirn die Wirkung von Dopamin nachahmen und so den Mangel dieses Botenstoffs ausgleichen. „Dopamin-Agonisten wie Cabergolin und Quinagolid normalisieren nicht nur den Prolaktinspiegel“, erklärt dazu Prof. Dr. med. Stephan Petersenn von der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie DGE. „In über 80 Prozent der Fälle führen sie auch zu einer Schrumpfung, manchmal bis zum Verschwinden des Prolaktinoms“. Doch nicht alle Patienten vertragen die Medikamente und insbesondere deren Nebenwirkungen auf das psychische Befinden wurden nach aktuellen Studien bei der Langzeittherapie wohl unterschätzt.
Neben der Standardtherapie mit Medikamenten wird immer häufiger auch eine Operation in Betracht gezogen. Dies gilt nicht nur bei Unverträglichkeit der Medikamente oder bei nicht ausreichend möglicher Kontrolle des Hormonspiegels. Auch der Wunsch von Patientinnen und Patienten, nicht dauerhaft Medikamente einzunehmen, stellt heute ein wichtiges Argument für die Durchführung der OP dar. Durch einen schonenden Eingriff mit Zugang durch die Nase kann der gutartige Tumor der Hypophyse meist entfernt und die Patienten dadurch geheilt werden.
„Mit der operativen Entfernung des Prolaktinoms durch die Nase, der transsphenoidalen Operation, steht eine risikoarme Alternative zur medikamentösen Behandlung zur Verfügung“, sagt Professor Dr. med. Jürgen Honegger, von der Hypophysenchirurgie des Universitätsklinikums Tübingen. Die Operation könne insbesondere bei gut abgegrenzten, kleineren Prolaktinomen angeboten werden. Sie führe häufig zu einer Heilung der Erkrankung. Dies zeigten auch aktuelle Studienergebnisse aus Tübingen1.
Bei 92 Prozent der Patienten mit Tumoren unter 1 cm Größe konnte durch die OP eine Normalisierung des Prolaktinspiegels erzielt werden und keiner der Patienten erlitt eine signifikante Komplikation. Und entgegen der Annahme vieler Patienten und auch mancher Ärzte entsteht durch die Operation kein Hormonmangel der Hypophyse, sondern die Funktion der Hypophyse kann sich nach der Entfernung des Prolaktinoms sogar verbessern, während eine Verschlechterung nur selten eintritt.
Wichtig ist vor allem, dass Betroffene über die Vor- und Nachteile beider Therapieoptionen (Medikamente oder OP) Informationen erhalten, denn nur so könnten Ärzte die Behandlung bestmöglich auf die individuellen Wünsche und Bedürfnisse abstimmen.
Gut zu wissen: Für die Behandlung und insbesondere die Operation sollte man ein spezialisiertes Zentrum aufsuchen – auch wenn man dafür eine längere Anreise in Kauf nehmen müsse.
Quelle: Giese S., Nasi-Kordhishti I., Honegger J.: Outcomes of Transsphenoidal Microsurgery for Prolactinomas - A Contemporary Series of 162 Cases. Exp Clin Endocrin Diabetes, 2021 Mar;129(3):163-171. DOI: 10.1055/a-1247-4908 ↩