Die Zahl ist schockierend, und leider steigend: An der Volkskrankheit Diabetes sind in Deutschland bereits über 8 Millionen Menschen erkrankt, das heißt jeder Zehnte. Die München Klinik Bogenhausen bietet nun, als eine von nur drei Kliniken in ganz Deutschland, ein neues Hitzeverfahren an. “Mit Hilfe der endoskopisch kontrollierten Hitzeverödung im Zwölffingerdarm führt REVITA® zu einer Erneuerung der bei Diabetes mellitus in ihrer Funktion gestörten Schleimhaut und kann dadurch Diabetes-Patient:innen eine Verbesserung ihres gesundheitlichen Zustands ermöglichen”. Das schonende Behandlungsverfahren per Endoskop nutzt die Technik einer diagnostischen Magenspiegelung, wie sie u. a. bereits bei unklaren Oberbauchschmerzen und bei der Suche nach Magengeschwüren durchgeführt wird. Ein weiterer Vorteil des Verfahrens kann sich darin zeigen, dass im teilweise Patient:innen durch eine Verbesserung der Insulinempfindlichkeit des Körpers ihr Gewicht reduzieren, den Blutzuckerspiegel senken, ihre Fettleber regenerieren und die Medikamenteneinnahme reduzieren können.
Die in vielen Fällen eine Vorreiterrolle einnehmenden Aufsichtsbehörden der USA melden vielversprechende, erste internationale Daten. Da man einen relevanten Nutzen für Patient:innen sieht, wurden großangelegte Studien bereits genehmigt. In Deutschland darf man schon aus diesen Gründen eine flächendeckende Anwendung nach der gerade erfolgten Ersteinführung erwarten und, mindestens ebenso erfreulich: Die gesetzlichen Krankenkassen haben aufgrund der internationalen Daten die Kostenübernahme für den Eingriff bereits zugesagt.
Die München Klinik Bogenhausen ist eine von drei Pionierkliniken, die das endoskopische Verfahren bereits seit Februar 2023 einsetzt. Voraussetzung dafür ist u. a. die hohe gastroenterologische und endokrinologische Expertise und gelebte interdisziplinäre Zusammenarbeit. Betroffene werden im Schulterschluss von den Fachdisziplinen Endokrinologie und Gastroenterologie behandelt und betreut. Somit ist wurde es möglich, dass Gastroenterolog:innen, und damit die Expert:innen für die Endoskopie der Verdauungsorgane, mit einem innovativen endoskopischen Therapieverfahren zur Diabetesbehandlung hinzukommen. Dazu stellen Endokrinologen geeigente Patient:innen im gastroenterologischen Schwesterbereich vor. Deren gestörter Stoffwechsel kann mit dem neuen Behandlungsverfahren in einem nur rund 60 Minuten dauernden endoskopischen Eingriff wieder in einen besseren Funktionszustand versetzt werden.
Dr. Martin Fuchs, Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie, erklärt dazu: “Das REVITA®-Verfahren setzt im Zwölffingerdarm an, also in dem etwa 30 cm langen ersten Abschnitt des Dünndarms, der sich unmittelbar an den Magenausgang anschließt. Hier spielen sich viele Stoffwechselvorgänge ab – aus dem Magen entleerte Nahrung wird verdaut, gespalten und verwertet. Gleichzeitig werden bestimmte, für den Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel wichtige, Hormone aus der Schleimhaut des Zwölffingerdarms ins Blut ausgeschüttet, wenn Nahrung durch ihn hindurchpassiert. Bei Menschen mit Typ-2 Diabetes ist die Schleimhaut, also die innerste Wandschicht des Zwölffingerdarms, jedoch häufig verdickt, da sich durch langjährige ungesunde Ernährung besonders viele Drüsenzellen gebildet haben, deren Funktion gestört ist. Hierdurch wird die Ausschüttung der Dünndarmhormone verändert, was zu einer Beeinträchtigung des Stoffwechsels und zur Reduktion der Insulinempfindlichkeit diabetischer Patienten führt. REVITA® kann diesen ungesunden Status quo aufheben und ermöglicht einen Neustart für die Schleimhaut des Zwölffingerdarms – zurück in den Soll-Zustand. Wir führen das Endoskop wie bei einer diagnostischen Magenspiegelung durch Mund, Speiseröhre und Magen bis in den Zwölffingerdarm vor. Wir führen dann einen speziellen Ballonkatheter durch den Arbeitskanal des Endoskops in den Zwölffingerdarm ein. Durch diesen Katheter veröden wir mit kurzen, exakt kontrollierten Hitzezyklen die Schleimhaut des Zwölffingerdarms schonend und unter videoendoskopischer Sicht. Der Eingriff kann in Vollnarkose oder Sedierung durchgeführt werden und dauert gut 60 Minuten. In den folgenden Wochen wächst dann neue Schleimhaut mit verbesserter Architektur und Funktion nach – und mit wiederhergestellter Ausschüttung von Zwölffingerdarmhormonen“.
Dank des Eingriffes kommt es bei den Patient:innen zu einer raschen Verbesserung der Stoffwechselfunktionen, der Blutzuckerspiegel sinkt, die Patient:innen können ihr Gewicht reduzieren. Auch die Leber kann sich regenerieren – denn Diabetes geht häufig mit einer Fettleber einher, die sich nach dem Eingriff zurückentwickeln kann.
Für das fächerübergreifende Konzept von REVITA® ist es zwingend, dass die Fachkliniken für Gastroenterologie und Endokrinologie interdisziplinär eng zusammenarbeiten. Denn der Eingriff wird von Gastroenterolog:innen durchgeführt, während die Diabteolog:innen die Patient:innen davor und danach betreuen.
In das Aufgabenfeld der Diabetolog:innen fällt insbesondere die sorgsame Auswahl der Patient:innen mit Typ 2-Diabetes, die langfristig von einem solchen Eingriff profitieren können. Dazu gehören Diabetes-bedingt adipöse Patient:innen, die nach dem Eingriff einen starken Willen für eine dauerhafte Änderung des Lebensstils mit ausreichend Bewegung und einer gesunden Ernährung mitbringen. Denn so bleiben die Darmwand und der komplexe Hormonhaushalt dauerhaft in dem durch den Revita-Eingriff verbesserten Zustand.
Prof. Robert Ritzel, Chefarzt der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Angiologie: „Es ist für uns wichtig, dass das neue Behandlungsverfahren gerade für Patient:innen mit kompliziertem Verlauf (z. B. Insulinresistenz, Zielwerte nicht erreicht, hohes Gewicht) trotz Ausschöpfung der herkömmlichen Therapieverfahren einen Nutzen entwickelt. Der Eingriff selbst dauert nur 60 Minuten. Aber unser Ziel ist es, dass die bessere Stoffwechselfunktion auch langfristig erhalten bleiben kann. Die Auswahl geeigneter Patient:innen nehmen wir in engem Austausch mit ihren behandelnden niedergelassenen Spezialist*innen vor.“
Ob REVITA® in Deutschland „Schule“ machen kann, werden jedoch erst die Auswertungen der Registerstudien zeigen. Es wird erwartet, dass in Bogenhausen im ersten Jahr rund 20 bis 30 Patient:innen mit REVITA® behandelt werden. Nach der Einführungsphase werden perspektivisch mehr Patient:innen von dem neuen Therapieverfahren profitieren können.
Wer sich mehr Informationen zum Verfahren lesen möchte, findet diese unter
Während beim Typ-1-Diabetes die Bauchspeicheldrüse kein Insulin mehr produziert, entsteht ein Typ-2-Diabetes bei Menschen mit einer verminderten Insulinwirkung (Insulinresistenz) und einer anlagebedingten (Genetik) nachlassenden Insulinproduktion.
Tpy-1-Diabetiker müssen ihrem Körper ein Leben lang Insulin zuführen.
Typische Symptome des oft schon im Kindes- und Jugendalter auftretenden Typ-1-Diabetes sind
Beim Tpy-2-Diabetiker hängt der Verlauf stark von der Lebensweise ab. Typ-2-Diabetes wurde früher, ob seines Auftretens meist erst im späteren Erwachsenenalter, als „Altersdiabetes“ bezeichnet. Heute betrifft die Krankheit immer mehr jüngere Menschen, teilweise sogar Kinder und Jugendliche. Mit Bewegung, Gewichtsreduktion und ausgewogener Ernährung lässt sich bei Menschen mit Vorstufen eines Typ-2-Diabetes das Risiko für die Entwicklung der Erkrankung verringern oder der Verlauf soweit verbessern, dass unter Umständen keine Medikamente oder Insulin notwendig sind.