Die Geschichte klingt so unwahrscheinlich, dass man sie zweimal lesen muss. Damit man sie auch versteht. Wenn eine an und für sich harmlose Bandscheibenoperation einen von einer Stunde zur nächsten aus dem gewohnten Leben katapultiert, dann glaubt man, das bis so eben noch so gut gelaufene Leben wäre schlagartig vorbei. Und das war es auch - zumindest, als Denise aus der Narkose erwachte und ihren rechten Oberschenkel nicht mehr spürte. So, als wäre er gar nicht vorhanden. Die Ärzte nennen es einen “inkompletten Querschnitt” und der trifft in Deutschland fast 680.000 Menschen.
Gründe dafür, warum die nicht heilbare Querschnittlähmung auftritt, gibt es viele: Ob Tumor im Wirbelsäulenbereich, ob Rückenmarksverletzungen oder ein operativer Eingriff.
Wenn eine knapp 30jährige, alleinerziehende Mutter diese Diagnose erhält, ja, dann geht wohl erst mal die Welt unter. Die für den Alltag so notwenidgen Extremitäten, wie Arme oder Beine verweigern, ganz oder nur teilweise, die Arbeit. Zwar werden Physiotherapie oder Hilfsmittel verordnet, doch können sie die Symptome nur teilweise verbessern.
Mit all diesen Tatsachen muss die junge Frau, die zudem gerade in einem Scheidungsprozess steckte, erst einmal fertig werden. Doch sie weigert sich aufzugeben. Ihr Physiotherapeut schlägt ihr vor, eine app-gesteuerten Beinorthese für ihr gelähmtes Bein auszuprobieren. Diese weltweit erste sogenannte Stance and Swing Phase Control Orthosis (SSCO)-Beinorthese namens C-Brace®, wurde entwickelt und hergestellt von Ottobock.
Die Beinorthese kontrolliert sowohl die Schwung- als auch die Standphase des Gehens in Echtzeit. Aber, damit dies gelingt, muss der Patient auch die dafür notwendigen körperlichen Voraussetzungen erfüllen. Auch wenn das app-gesteuerte Hilfsmittel für zahlreiche neurologische Beeinträchtigungen der Beine in Frage kommt, so sind beim betroffenen Patienten doch bestimmte Muskelfunktionen und eine bestimmte Rumpfkontrolle dafür Voraussetzung. Erst dann kann die per Mikroprozessor kontrollierte Ganzbeinorthese, bestehend aus einem Oberschenkel-, Unterschenkel- und Fußteil, individuell für den Patienten, d.h. in diesem Fall für Denise, hergestellt werden. Nicht nur Kniebeugung und die Kniewinkelbeschleunigung werden ständig mit einer integrierten Sensorik im Kniegelenk registriert, sondern auch welche Bewegung wie schnell ausgeführt wird. Weitergeleitet wird das an einen Mikroprozessor, der Beugung und Streckung des Knies mittels einer Hydraulik kontrolliert und die benötigte Unterstützung in Echtzeit regelt. Zudem erfordert der reibungslose Gang weniger Ausgleichsbewegungen und die Körperhaltung wird kaum belastet, Folgeschäden können somit reduziert bzw. vermieden werden.
Bei Denise passt letztlich Gott sei Dank alles und längst kann sie über die mühsamen Anfänge lachen. Muskelkater zählte zu den schmerzhaftesten Anfangsplagen. Da die Beinmuskeln aufgrund der Querschnittlähmung nicht genutzt wurden, muss man sie erst wieder reaktivieren. Und das braucht Zeit und vor allem Geduld und Ausdauer. Doch Schritt für Schritt kämpft sie sich zurück, lernt wieder über unebenen Boden und Schrägen zu gehen oder Treppen im Wechselschritt hinabzusteigen. Und irgend wann klappt es sogar mit dem Bergsteigen wieder und sie mit ihren Söhnen sogar wieder Fahrrad fahren. „Diese Beinorthese ist mittlerweile wie eine Brille für mich. Ohne Brille kann ich nicht sehen. Ohne mein C-Brace kann ich nicht laufen, erklärt uns Denise.
Beeindruckend an der junge Frau ist vor allem ihr Wille, trotz aller Einschränkungen das Leben zu leben, das sie möchte: „Ich habe die Freiheit zurückbekommen, selbst zu entscheiden, was ich erreichen möchte. Und es gibt viele Träume, die ich mir noch erfüllen werde.“
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