Meldungen beginnen nicht selten mit den Worten: “Wie die Studie XXY zeigt …”. Und schon glaubt man den nachfolgenden Erkenntnissen. Leider. Denn gerade wissenschaftliche Erkenntnisse sind so vielfältig wie Kieselsteine am Flussufer. Und nicht selten widersprechen sie sich auch noch. Einer der Gründe dafür liegt in den höchst unterschiedlichen Studienformen.
Nun hat es sich der Arbeitskreis Nahrungsergänzungsmittel (AK NEM) im Lebensmittelverband Deutschland1 zur Aufgabe gemacht, über die unterschiedlichen Studientypen, und welche Aussagen anhand deren Ergebnissen getroffen werden können, aufzuklären.
Denn, so die Expertin Antje Preußker: “In der breiten Öffentlichkeit kursieren viele Mythen rund um das Thema… Diese kommen auch dadurch zustande, dass Studie gleich Studie behandelt wird und Ergebnisse falsch interpretiert werden. Dabei besteht ein erheblicher Unterschied, ob beispielsweise Kausalitäten oder Korrelationen abgebildet werden oder ob es sich um eine verblindete Studie handelt oder nicht…”.
Gesundheitsdaten plus ein oder mehrere Faktoren des Lebensstils der StudienteilnehmerInnen werden bei diesem Studientyp zwar abgefragt, sind aber nicht von der Studie vorgegeben. Am bekanntesten dürften hier die sogenannten Case Studies (Fallbeschreibungen) sein. Besonders häufig finden diese Anwendung bei der Erforschung (sehr) seltenen Erkrankungen. Auch Querschnittstudien (engl. cross-sectional studies) gehören in diese Kategorie, denn sie erfassen den Anteil der untersuchten Studienpopulation mit einer bestimmten Erkrankung oder einem bestimmten Lebensstilfaktor zu einem einzigen Zeitpunkt. Damit lässt sich, so die Expertin, z. B. der Vitamin-D-Status einer Bevölkerung in unterschiedlichen Regionen und einem bestimmten Zeitraum untersuchen. Doch die verschiedenen erhobenen Parameter lassen keine kausalen Aussagen zu.
Werden dabei Informationen aus der Vergangenheit erhoben, spricht von retrospektiven, in die Zukunft blickend hingegen von prospektiven Studien. So gelten beispielsweise Kohorten- oder Längsschnittstudien (engl. cohort studies) als eine prospektive analytische Beobachtung mit einem in die Zukunft gerichteten Ausblick. Die gesunden ProbandInnen werden nach ihren unterschiedlichen Lebensstilfaktoren in Kohorten eingeteilt und über einen vorgegebenen Zeitraum hinweg beobachtet. Das Interesse liegt dabei vor allem in der Häufigkeit klinischer Endpunkte (engl.outcome), z. B. bestimmte Erkrankungen in den jeweiligen Kohorten. “Je länger die Beobachtungsdauer, je homogener die Gruppen und je größer der erwartete Effekt, desto eher sind Unterschiede in der Erkrankungshäufigkeit zwischen den Kohorten zu erwarten”. Fall-Kontroll-Studien (engl. case control studies) hingegen untersuchen z. B. Personen mit Erkrankung (Fälle) und ohne Erkrankung (Kontrollen) nach Lebensstilfaktoren in deren Vergangenheit. Dieser retrospektive Studientyp untersucht, um Zusammenhänge richtig darzustellen, Störfaktoren (engl. Confounder), die dann in die Analyse einbezogen werden.
Diese werden häufig mit mehreren Armen/Behandlungsgruppen oder z. B. mit oder ohne einem Cross-over-Design, und über einen bestimmten Zeitraum hinweg, durchgeführt. Dabei können Probandinnen und Probanden erst die eine und dann die andere Behandlung (Placebo oder Supplementation) erfahren. Jeder ist dadurch seine eigene Kontrolle-Instanz, benötigt aber eine passend lange Auswaschphase (engl. wash-out) zwischen den Behandlungen. Als sogenannter Goldstandard unter den Interventionsstudien zählen die randomisiert-kontrollierten Studien (engl. randomized controlled trials, RCT). Dabei ist die Zuordnung der ProbandInnen in verschiedene Arme zufällig, einer davon stellt die Kontrollgruppe dar. Als verblindet bezeichnet man eine Studie, wenn die Teilnehmer nicht wissen, in welche Gruppe sie eingeteilt worden sind. Kennen auch die Studien-Untersucher die Gruppen nicht, so spricht man von einer doppel-blinden Studie. Und damit lässt sich z. B. die Wirkung einzelner Nahrungskomponenten auf die Gesundheit sehr gut untersuchen. Interessant ist dabei, wie sich die Werte und die Veränderungen bei der Interventions- von denen der Kontrollgruppe unterscheiden. Weiteres Kritierium bei dieser Studienarti sind Confounder und Compliance.
Dr. Sandra Habicht, Institut für Ernährungswissenschaft der Justus-Liebig-Universität Gießen, schreibt dazu: “Auf der Suche nach Antworten zu einer bestimmten Forschungsfrage sollten immer mehrere Studien unterschiedlichen Typs betrachtet werden, und es sollte einen plausiblen ernährungsphysiologischen/biochemischen Ansatz, z. B. aus Tier- und Zellstudien oder der Grundlagenforschung geben. In der Wissenschaft werden Ergebnisse mehrerer oder vieler Studien in Form von narrativen oder systematischen Reviews sowie Meta-Analysen zusammengetragen. Darüber hinaus gibt es auch die Form des Umbrella-Reviews.”
Weitere Informationen findet man unter www.nahrungsergaenzungsmittel.org
Dem Lebensmittelverband Deutschland e. V. gehören Verbände und Unternehmen der gesamten Lebensmittelkette “von Acker bis Teller”, aus Landwirtschaft, Handwerk, Industrie, Handel und Gastronomie, sowie private Untersuchungslaboratorien, Anwaltskanzleien und Einzelpersonen an. ↩