Zahllose Serpentinen, ungewohnter Wellengang oder die letzten Reihen im Bus sind die klassischen Auslöser der Reisekrankheit genannt und für viele der Reisekiller Nummer 1. Aber was tun, wenn beispielsweise bei Wind und Turbulenzen das Flugzeug schwankt und durchgeschüttelt wird und das Unwohlsein aufkeimt?
Wer Reiseübelkeit vorbeugen will, der sollte im Auto, Bus, im Flugzeug oder auf einem Schiff den richtigen Sitzplatz wählen. Die Augen sollten immer die Chance bekommen, Bewegung mit zu verfolgen. Daher auf einem Schiff die meiste Zeit an Deck verbringen und den Horizont im Blick haben und im Auto während der Fahrt nicht lesen oder Filme schauen. Außerdem sitzt man im Auto oder Bus am besten ganz vorn, im Flieger sollten Plätze über den Tragflächen und an Bord mittschiffs bevorzugt werden. Dort sind die Bewegungen am wenigsten spürbar.
Stop-and-Go! Spätestens alle zwei Stunden sollte man auf langen Autofahrten eine Pause einlegen und ein paar Schritte gehen und frische Luft tanken.
Die richtige Kost heißt u.a. grundsätzlich vor und während der Reise auf Kaffee, Alkohol und fettreiche und histaminreiche (mit langem Gärungsprozess wie z.B. Käse) Kost verzichten. Empfehlenswert ist frisches Obst und Gemüse, Roggenbrot, Mais-Knäckebrot, Reis, Haferflocken, Reiswaffeln und Milch.
Atemtechnik gegen Übelkeit: Eine kontrollierte Atmung, bei der man bei den Vor- und Abwärtsbewegungen einatmet und bei den Bewegungen nach hinten und unten ausatmet, kann die Zeit bis zum Auftreten einer Kinetose deutlich verlängern oder bereits bestehende Symptome abschwächen. Die Atemtechnik ist vor allem bei Schiffsreisen eine zusätzliche Option.
Tastsinn, Gleichgewicht und Bewegungsempfinden sind drei menschliche Basissinne, die bereits im Mutterleib entwickelt werden. Sie tragen wesentlich dazu bei, dass wir immer wissen, wo oben und wo unten ist und in welche Richtung sich der Körper bewegen muss, um nicht umzufallen. Das wichtigste Sinnesorgan für die Raumlage und ihre großteils reflexgesteuerte Regulation ist das Gleichgewichtsorgan im Innenohr. Wird der Kopf oder der ganze Körper bewegt, so reizt die sich mitbewegende Lymphflüssigkeit im sogenannten Vestibulum winzige Sinneshaare, die die Information direkt an das Kleinhirn weitergeben – der eigentlichen Schaltzentrale des Gleichgewichtssinns. Denn hier laufen neben den Daten vom Innenohr unablässig weitere Informationen vom ganzen Körper ein: Tausende Sensoren der Skelett-Muskulatur und in der Haut vermitteln selbst kleinste Eigenbewegungen, das Gehör schätzt Geschwindigkeiten mit Hilfe von Luftgeräuschen und die Augen melden Details über die Raumlage. Selbst das Gesäß hilft mit – es gibt Aufschluss über Beschleunigungen vor allem in vertikaler Richtung. Die Leistung des Kleinhirns ist, alle Einzelinformationen blitzschnell zu verarbeiten und zu einem Gesamtbild zu vereinigen.
Genau hier aber kann es problematisch werden. Wenn nur zwei der vielen Informationen vom Kleinhirn nicht in Übereinstimmung gebracht werden können, droht die gefürchtete Reiseübelkeit. Der Zentralrechner im Kopf stürzt gleichsam ab. Schwindel, Schweißausbrüche, Kopfschmerzen sind zumeist die ersten Anzeichen. Übelkeit, Kreislaufstörungen, Erbrechen und Müdigkeit die gefürchteten Folgen. Das geschieht beispielsweise, wenn das Gleichgewichtsorgan und die Augen eine Bewegung melden, die übrigen Körperempfindungen aber Stillstand signalisieren. Bewegung und gleichzeitig Stillstand, diesen Widerspruch vermag der beste Kopf nicht zu deuten und reagiert mit unsinniger Stressantwort. Dabei werden vermehrt körpereigene Botenstoffe wie Acetylcholin oder Dopamin ausgeschüttet, die in den jeweiligen Hirnarealen Übelkeit und Brechreiz auslösen.
Umso wichtiger also für die Betroffenen, das Übel an der Wurzel zu bekämpfen. Nicht der Magen rebelliert bei Kinetose, sondern das Hirn. Besonders bewährt haben sich bei kürzeren Reisezeiten von nur einigen Stunden Präparate mit dem Wirkstoff Dimenhydrinat , die es heutzutage in unterschiedlichen Darreichungsformen wie Tabletten oder Kaugummis gibt. Dimenhydrinat unterdrückt direkt die Ausschüttung von Acetylcholin und Co. und eignet sich deshalb gleichermaßen gut zur Vorbeugung und zur Behandlung von Symptomen der Reisekrankheit. Wer dabei zum Kaugummi greift, genießt sogar noch weitere Vorteile. Forscher haben in einer Vergleichsstudie mit Tabletten und Kaugummis (z.B. Superpep) festgestellt, dass eine jeweils gleich gute Wirkung gegen Übelkeit eintritt, die Begleiterscheinungen Müdigkeit und Konzentrationsschwäche aber beim Kauen wesentlich seltener sind. Und weil der Wirkstoff aus dem Kaugummi durch das Kauen schnell herausgelöst und auch über die Mundschleimhaut aufgenommen wird, kann er bereits nach viel kürzerer Zeit wirksam werden. Gute Gründe also, gegen die Rebellion im Hirn anzukauen!